LG Münster lehnt Erhöhung des pfandfreien Betrages wegen zu erwartender Steuerschuld bei Rentner:in ab

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des LG Münster vom 18.9.2023, 5 T 394/23 mit dem Leitsatz

Dem Rentner/Der Rentnerin ist eine Erhöhung des pfandfreien Betrages wegen zu erwartender Steuerschuld nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht zuzugestehen(s. a. BGH-Beschluss vom 19.09.2019 – Az. IX ZB 2/18 -).

Aus der Entscheidung: Mit Eintritt der Beschwerdeführerin in die Altersrente zum 01.08.2023 beantragte diese unter Hinweis auf die nachgelagerte Besteuerung ihrer Altersrente Ihre Gleichstellung bei der Ermittlung der pfändungsfreien Beträge zu der Situation, in der sie ausschließlich Arbeitseinkommen als abhängig Beschäftigte beziehen würde und in diesem Zuge die auf dieses Arbeitseinkommen abzuführende Lohnsteuer gemäß § 36 InsO, § 850 Nr. 1 ZPO nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen gerechnet würde.

Hierzu trägt die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Ungleichbehandlung daraus resultiere, dass sie für die zu erwartende Steuerschuld auf ihre Rentenzahlung eine monatliche Rücklage bilden müsse, die sie im Falle ihrer abhängigen Beschäftigung nicht bilden müsse.

Das Amtsgericht Münster hat diesen Antrag im angegriffenen Beschluss unter Verweis darauf zurückgewiesen, dass höchstrichterlich entschieden sei, dass die Entstehung einer Steuerschuld in der Regel kein ausreichender Grund für die Erhöhung des unpfändbaren Betrages sei.

Preiserhöhungen bei Netflix und Spotify sind unwirksam

Der vzbv meldet: In den zurückliegenden Jahren haben Streamingdienste Preise für Abos deutlich erhöht, ohne dass ihre Kund:innen zustimmen mussten. Diese Geschäftspraxis hat das Kammergericht Berlin mit zwei Berufungsurteilen gegen Spotify und Netflix ins Wanken gebracht. Das stärkt die Rechte der Verbraucher:innen. Dem vorangegangen waren Klagen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen Spotify und Netflix vor dem Landgericht Berlin. Jana Brockfeld, Referentin im Team Rechtsdurchsetzung beim vzbv, kommentiert:

“Das Kammergericht Berlin hat eine richtungsweisende Entscheidung im Sinne der Verbraucher:innen getroffen. Die vom vzbv angegriffenen Preisänderungsklauseln von Spotify und Netflix sind demnach nicht nur unzulässig. Das Urteil könnte grundsätzlich das Aus für künftige einseitige Preiserhöhungen durch Streamingdienste in Deutschland bedeuten. Denn nach Einschätzung des Gerichts dürfen die beiden verklagten Anbieter Netflix und Spotify ihre Preise nicht einseitig anpassen, ohne dass die Kund:innen zugestimmt haben. Das Kammergericht erklärt, dass sich Netlix und Spotify ohne großen Aufwand die Zustimmung ihrer Nutzer:innen zu einer Preiserhöhung einholen könnten. Die Urteile sind ein starkes Signal.”

Kammergericht Berlin, 15.11.2023, 23 U 15/22 und 23 U 112/22 – nicht rechtskräftig

Weitere Urteile: Landgericht Berlin, 28.06.2022, 52 O 296/21 und 16.12.2021, 52 O 157/21

EuGH: Missbräuchliche Klausel in einem durch die Familienwohnung gesicherten Verbrauchervertrag

PM des EuGH zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-598/21 | Všeobecná úverová banka: “In der Slowakei gewährte die Bank Všeobecná úverová banka zwei Kunden einen über einen Zeitraum von 20 Jahren zu tilgenden Verbraucherkredit. Die Kunden stellten ihr Familienhaus als Sicherheit. Wegen eines im ersten Jahr der Laufzeit des Vertrags eingetretenen Zahlungsverzugs bei drei Monatsraten über einen Betrag von etwa 1 000 Euro nahm die Bank eine Klausel über die vorzeitige Fälligstellung in Anspruch. Aufgrund dieser Klausel konnte sie die vorzeitige Rückzahlung des gesamten noch ausstehenden Betrags verlangen und die außergerichtliche Versteigerung der Familienwohnung veranlassen. Die Kunden haben bei einem slowakischen Gericht beantragt, diese Versteigerung auszusetzen, die ihrer Ansicht nach ihre Verbraucherrechte verletzt.

Das slowakische Recht gestattet die Anwendung einer solchen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung, wenn der Kreditnehmer bei drei Monatsraten in Zahlungsverzug ist und der Kreditgeber eine zusätzliche Benachrichtigungsfrist von 15 Tagen eingehalten hat. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob diese Klausel in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Pflichtverletzungen des Verbrauchers im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits steht. Das slowakische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche gerichtliche Kontrolle mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde wegen überhöhter Belastungsgrenze für Zuzahlungen zu Krankenkassenleistungen

Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 95/2023 vom 3. November 2023 – Beschluss vom 22. September 2023, 1 BvR 422/23

“Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen eine sozialgerichtliche Entscheidung über die Höhe der Belastungsgrenze für Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung richtet. Die Sache wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Gesetzlich Krankenversicherte müssen zu bestimmten Krankenkassenleistungen Zuzahlungen erbringen. Diese Zuzahlungen sind begrenzt durch eine Belastungsgrenze von regelmäßig 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens. Für Bezieher bestimmter Sozialleistungen wird die Belastungsgrenze nach der Regelbedarfsstufe 1 des SGB XII bestimmt, sodass ihnen geringere Zuzahlungen zugemutet werden.

Die gesetzlich versicherte Beschwerdeführerin lebt in einem Pflegeheim. Mit Ausnahme eines Betrags von 143,92 Euro setzte sie ihre gesamte Altersrente für den Eigenanteil an den Heimkosten ein. Auf Antrag der Beschwerdeführerin setzte ihre Krankenkasse die Belastungsgrenze für Zuzahlungen von 132,04 Euro für das Jahr 2022 fest, wobei sie ihre, im Vergleich mit der Regelbedarfsstufe 1 höheren Renteneinkünfte heranzog.

Wenn die Rente auf ein falsches Konto geht

Auf sozialberatung-kiel.de weist Helge Hildebrandt auf ein Anerkenntnis der Deutschen Rentenversicherung vor dem SG Kiel, Aktenzeichen S 7 R 2/23 ER hin:

Überweist die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einem Rentner seine Rente auf ein von diesem nicht angegebenes Konto, muss sie das Geld vom Inhaber dieses Kontos zurückfordern und dem Rentenbezieher seine Rente unverzüglich erneut auf das richtige Konto überweisen. 

Vergleiche auch § 47 SGB I sowie unsere Beiträge SG Koblenz: Rentenversicherungsträger muss bei Zahlung aufs falsche Konto erneut zahlen und ALG II: Jobcenter muss auf das vom Leistungsempfänger bestimmte Konto zahlen.

EuGH zum Recht, ein im Fernabsatz abgeschlossenes Abonnement, das anfangs kostenlos ist und sich automatisch verlängert, zu widerrufen

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-565/22 | Sofatutor

Aus der PM des Gerichts: Das Unternehmen Sofatutor betreibt Internet-Lernplattformen für Schüler. Beim erstmaligen Abschluss eines Abonnements kann dieses 30 Tage lang kostenlos getestet und während dieser Zeit jederzeit fristlos gekündigt werden. Das Abonnement wird erst nach Ablauf dieser 30 Tage kostenpflichtig. Wenn der kostenpflichtige Abonnementzeitraum abläuft, ohne dass eine Kündigung erfolgt ist, verlängert sich das Abonnement automatisch um einen bestimmten Zeitraum.

Bei einem Vertragsschluss im Fernabsatz informiert Sofatutor die Verbraucher über das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht). Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist aber der Ansicht, dass dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) nicht nur aufgrund des Abschlusses eines 30-tägigen kostenlosen Testabonnements, sondern auch aufgrund der Umwandlung dieses Abonnements in ein kostenpflichtiges Abonnement und dessen Verlängerung zustehe.

Der Oberste Gerichtshof (Österreich), der mit dem Rechtsstreit befasst ist, hat den Gerichtshof dazu um Auslegung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher ersucht.

Der Gerichtshof antwortet, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Abonnementvertrag, der anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht und sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch verlängert, grundsätzlich nur ein einziges Mal zukommt.

Wurde der Verbraucher bei Abschluss des Abonnements nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert, dass dieses Abonnement nach einem kostenlosen Anfangszeitraum kostenpflichtig wird, muss er jedoch über ein neuerliches Widerrufsrecht verfügen.

Versicherungsvermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen

vzbv-Meldung: “Wer eine Versicherung oder eine Finanzanlage abschließen möchte, wendet sich häufig an Vermittler. Werben diese mit unabhängiger Beratung, kann bei Verbraucher:innen der irrtümliche Eindruck entstehen, sie hätten es mit einem Honorarberater zu tun, der auch ohne Provisionen arbeitet.

Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigen die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), dass Vermittler ihre Beratung nicht als unabhängig darstellen und auch nicht als reine Berater auftreten dürfen, wenn sie Provisionen von Versicherern oder Finanzinstituten erhalten.

Datum der Urteilsverkündung: 15.06.2023
Aktenzeichen: 33 O 15/23 – nicht rechtskräftig
Gericht: Landgericht Köln

Datum der Urteilsverkündung: 11.07.2023
Aktenzeichen: 9 O 1081/22 – nicht rechtskräftig
Gericht: Landgericht Bremen

OLG München: Energiepreispauschale und Inflationsausgleichsprämie kein anzurechnenden Einkommens für die Verfahrenskostenhilfe

Hier der Hinweis auf OLG München, Beschluss v. 13.07.2023 – 16 WF 616/23 e, 16 WF 617/23 e. Daraus:

“Gemäß § 122 EStG darf die Energiepreispauschale insbesondere nicht auf einkommensabhängige Sozialleistungen angerechnet werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass diese Sozialleistung den Begünstigten auch bei Sozialleistungsbezug in voller Höhe zu Gute kommt. Auch die Verfahrenskostenhilfe ist eine einkommensabhängige Sozialleistung, die durch die Justizbehörden gewährt wird. Es ist daher konsequent, auch bei der Berechnung des für diese Sozialleistung maßgeblichen Einkommens die Energiepreispauschale ebenfalls unberücksichtigt zu lassen. (…)

Gemäß § 1 Nr. 7 der Bürgergeld-V sind nach § 3 Nr. 11 c des EStG steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise ebenfalls nicht zu berücksichtigen. (…)

Es trifft zwar zu, dass die Tatsache allein, dass eine Leistung steuerfrei gewährt wird, nicht dazu führt, dass sie bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens unberücksichtigt bleiben muss (…). Ein anderer Maßstab hat aber zu gelten, wenn die Leistung auch bei der Berechnung des für die Bewilligung von Grundsicherung maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleibt, weil sie dann dazu dient, den gestiegenen Bedarf durch Inflation bzw. Energiekosten in Höhe des Existenzminimums durch zusätzliche Zahlungen abzudecken. (…)”

vzbv klagt erfolgreich gegen clever fit

Wer ein clever-fit-Fitnessstudio betritt, darf mit dem Passieren eines Drehkreuzes nicht automatisch einer Preiserhöhung zustimmen. Das hat das Landgericht Augsburg am 6. Oktober 2023, 081 O 11161/23, bestätigt. Zuvor hatte das Gericht auf Bestreben des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen verhängt.

„Bisher war die clever fit GmbH nicht bereit, die vorläufige Entscheidung des Gerichts anzuerkennen. Das Urteil ist wichtig, damit sich ein solches rechtswidriges Vorgehen der Fitnessstudio-Kette nicht wiederholt. Die Mitglieder müssen sicher sein, dass sie allein durch das Betreten der Studios keinen Vertragsänderungen zustimmen“, sagt Ramona Pop, Vorständin beim vzbv.

Quelle und mehr: www.vzbv.de/urteile/vzbv-klagt-erfolgreich-gegen-clever-fit

Unzulässige Richtervorlage zu den Pfändungsfreigrenzen

Arg kurz ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. August 2023 – 1 BvL 4/22, mit der die Richtervorlage des Amtsgerichts Aue-Bad Schlemavom 29. November 2022 – 2 M 2596/20 – als unzulässig verworfen wurde.

Der Vorlage lag ein Zwangsvollstreckungsverfahren zugrunde. Es bestand Streit über die Erhöhung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens dahingehend, ob bei der Festlegung des unpfändbaren Betrags im Haushalt lebende Kinder zu berücksichtigten sind, für die keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht.

Das Amtsgericht hatte das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c und f ZPO „im Hinblick auf Art. 3, 6, 20 GG“ verfassungsgemäß seien.

Das Bundesverfassungsgericht monierte nun, dass das Gericht weder den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angegeben noch sich hinreichend mit der Rechtslage und den dazu vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen auseinandergesetzt habe.