Für ein menschenwürdiges Existenzminimum – gegen Kürzungen beim Bürgergeld!

Aufruf: “Wer die Erhöhung mit Verweis auf das Lohnabstandsgebot kritisiert, spielt Geringverdienende gegen Transfer-Berechtigte aus. Das spaltet unsere Gesellschaft. Die Gegner der Bürgergeld-Erhöhung wollen damit den Lohndruck auf untere Einkommensgruppen verschärfen und den Niedriglohnsektor zementieren. Sie verbreiten zudem Fake-News, denn wer arbeitet, bekommt hierzulande immer mehr Geld als Bürgergeld-Empfänger*innen.

Die Behauptung, dass viele lieber Bürgergeld beziehen als zu arbeiten, ist purer Populismus und stigmatisiert Bürgergeld-Bezieher*innen. Wahr ist: Von den über 5,5 Millionen Menschen, die Bürgergeld erhalten, stehen knapp 4 Millionen dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung: wegen ihres Alters (unter 15 Jahren), ihrer Gesundheit, der Pflege von Angehörigen oder weil sie bereits in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind. Fast 800.000 Menschen verdienen außerdem so wenig, dass sie ergänzend Bürgergeld benötigen, um ihr Existenzminimum halbwegs zu sichern. Wer wirklich „Anreize für Arbeit“ verbessern möchte, der muss die Tarifbindung stärken und den Mindestlohn deutlich anheben.

In diesen kritischen Zeiten der Verunsicherung und Polarisierung braucht es einen starken und verlässlichen Sozialstaat, der Lebensrisiken angemessen absichert und Menschen dabei unterstützt, auf eigenen Beinen zu stehen, und sie nicht abwertet. Dazu gehören ein höherer Regelsatz, die Stärkung der sozialen Sicherung und mehr Zukunftsinvestitionen in Arbeit, Umwelt und Bildung.

Arbeiterwohlfahrt Bundesverband AWO Michael Groß
Der Paritätische Gesamtverband Ulrich Schneider
Diakonie Deutschland Ulrich Lilie
SoVD Sozialverband Deutschland Michaela Engelmeier
Sozialverband VDK Deutschland Verena Bentele
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Frank Werneke
Volkssolidarität Bundesverband Susanna Karawanskij”

LINKE fordert im Bundestag: Recht auf kostenfreie Schuldnerberatung für alle gesetzlich garantieren

Die LINKE-Fraktion hat den Antrag “Recht auf kostenfreie Schuldnerberatung für alle gesetzlich garantieren” in den Bundestag gebracht (BT-Drucksache 20/9492 und HIB-Meldung). Der Antrag wurde gestern zur weiteren Beratung im vereinfachten Verfahren an den Verbraucherschutz-Ausschuss des Bundestages überwiesen.

Aus dem Antrag: “(…) Eine rechtzeitige und kostenfreie Schuldnerberatung hilft den Betroffenen und lässt eine Privatinsolvenz oft vermeiden. Sie bietet Unterstützung und Sicherheit in schwierigen Situationen. (…) Am Beispiel der Stadt Hamburg hat das Deutsche Institut für Sozialwirtschaft errechnet, dass für jeden in die Soziale Schuldnerberatung investierten Euro etwa 2 Euro an die öffentliche Hand zurückfließen. Diese Zahlen werden von weniger konservativ angelegten Studien seit Jahren bestätigt und meist noch deutlich übertroffen (Moers, Ines, „Zur Stärkung der Sozialen Schuldnerberatung ist sofortiges und entschlossenes Handeln der Politik gefragt“, in: Wirtschaftsdienst 2022, Heft 3). Überschuldete Menschen möglichst früh zu erreichen, ist dabei von besonderer Bedeutung – auch deshalb ist neben einer stabilen und finanziell gesicherten Schuldnerberatung deutschlandweit auch die Schuldenprävention auszubauen und verlässlicher auszugestalten. (…)

Der Ausbau der Schuldnerberatung und deren verlässliche Finanzierung ist dringend notwendig. Seit über 10 Jahren wird eine finanzielle Beteiligung der Kreditwirtschaft an den Kosten der Schuldnerberatung gefordert und Vorschläge unterbreitet, unter anderem von den Arbeits- und Sozialminister:innen der Länder (Beschlüsse auf den Arbeits- und Sozialministerkonferenzen 2017 (TOP 5.16, Ziffer 4) und 2020 (TOP 5.22, Ziffer 3), ) sowie von Trägern und Verbänden der Schuldnerberatung (Positionspapier zur Finanzierung der Schuldnerberatung, Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, Mai 2011, www.agsbv.de sowie Moers, ebd.).

Nunmehr soll zeitnah ein Bundesfonds eingerichtet werden, in den die Kreditwirtschaft und die Inkassounternehmen eine verpflichtende Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion einzahlen. Aus diesem Fonds soll zukünftig die kommunale Schuldnerberatung kofinanziert werden. (…)

Forderungspapier der AG SBV zur Unpfändbarkeit der Kindergrundsicherung

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) sieht dringenden Ergänzungsbedarf zum Pfändungsschutz:

Mit der Einführung der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche bessere Chancen erhalten, mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht und Kinderarmut wirksam bekämpft werden. Hierzu sollen die bisherigen finanziellen Leistungen Kindergeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusammengeführt werden.

Das Gesetz enthält jedoch keine separate Regelung zur (Un)pfändbarkeit der Kindergrundsicherung. Beim P-Konto durchbricht die Kindergrundsicherung die bisherige Systematik der Freibeträge. Daraus ergeben sich mehrere Probleme.

Geforderte Lösungen:
(1) Das geplante Gesetz einer Kindergrundsicherung wird dahingehend ergänzt, dass Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich unpfändbar sind.

(2) § 902 Nummer 4 ZPO wird ergänzt: für den Fall, dass die Zahlungseingänge auf dem P-Konto inkl. Kindergrundsicherung den Grundfreibetrag plus Leistungen des § 902 Nummer 5 ZPO (Leistungen für Kinder) plus die Pauschalen des § 902 Nummer 1 ZPO, überschreiten. In diesem Fall kann die Differenz ebenfalls bescheinigt werden. Unberührt bleiben Leistungen im Sinne von § 902 Nummer 2,3 und 6 ZPO.

(3) Für nachgezahlte Kindergrundsicherung gemäß § 904 ZPO ist eine vergleichbare Lösung zu finden.

Zum Forderungspapier

iff-Überschuldungsradar 2023/36: Finfluencer und Verbraucherschutz

Das institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) meldet: Finfluencer teilen über soziale Medien Themen rund um Finanzen und sie erfreuen sich dabei steigender Beliebtheit. Insbesondere seit Covid-19 erfahren Finanztipps im Internet viel Aufmerksamkeit. Finfluencer müssen keinen Kompetenznachweis erbringen. Besonders schwierig ist es, dass der Übergang zwischen Finfluencer, Finanzberater:innen aber auch Finanzjournalist:innen fließend sein kann. Dadurch ist Verbraucher:innen nicht immer klar, welche Qualifikation sich dahinter verbirgt und welche Qualifikation zu erwarten ist.

Prof. Dr. Helena Klinger und Dr. Sally Peters beleuchten die Aspekte des finanziellen Verbraucherschutzes und geben einen Ausblick auf Möglichkeiten der Regulierung.

Hier geht es zum Überschuldungsradar 2023/36

iff-Überschuldungsradar 2023/36: Finfluencer und Verbraucherschutz

Das institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) meldet: Finfluencer teilen über soziale Medien Themen rund um Finanzen und sie erfreuen sich dabei steigender Beliebtheit. Insbesondere seit Covid-19 erfahren Finanztipps im Internet viel Aufmerksamkeit. Finfluencer müssen keinen Kompetenznachweis erbringen. Besonders schwierig ist es, dass der Übergang zwischen Finfluencer, Finanzberater:innen aber auch Finanzjournalist:innen fließend sein kann. Dadurch ist Verbraucher:innen nicht immer klar, welche Qualifikation sich dahinter verbirgt und welche Qualifikation zu erwarten ist.

Prof. Dr. Helena Klinger und Dr. Sally Peters beleuchten die Aspekte des finanziellen Verbraucherschutzes und geben einen Ausblick auf Möglichkeiten der Regulierung.

Hier geht es zum Überschuldungsradar 2023/36

Forderungen der NAK zur Sicherstellung von Leistungsansprüchen durch den analogen Zugang zu Behörden

Nationale Armutskonferenz: Digitale Angebote und Telefon-Hotlines können das persönliche Gespräch und die Beratung nicht ersetzen. Es ist Aufgabe des Staates neben der gesetzlichen Regelung von online-Zugängen (vgl. Onlinezugangsgesetz – OZG) auch weiterhin sicherzustellen, dass Bürger*innen zu den üblichen Geschäftszeiten des jeweiligen Dienstleisters / der jeweiligen Behörde / des jeweiligen Sozialleistungsträgers über einen lokalen analogen Zugang ihre Anliegen persönlich vorbringen können.

Für den Bereich der Sozialleistungen erscheint es sinnvoll, dies im Gesetz z. B. in § 16 Abs. 1 SGB I klarzustellen, dass die Anträge „formfrei, auch mündlich zu Protokoll“ gestellt werden können. Diese Ergänzung macht es für Leistungsberechtigte (und Verwaltungspersonal) deutlicher als bisher, dass sie aufgrund von fehlenden Antragsvordrucken oder Unzuständigkeit nicht abgewiesen werden dürfen. Nur durch einfachere und nachvollziehbarere Gesetze werden diese bürgerfreundlicher – und analoge Zugänge müssen weiterhin garantiert werden.

Darüber hinaus ist es Aufgabe der Sozialleistungsträger vor Ort die tatsächliche Erreichbarkeit von Mitarbeitenden zu gewährleisten. Dies muss u.a. durch die Nennung von Ansprechpersonen mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse auf Bescheiden, die Einrichtung eines Notfalltresens, an dem täglich Dokumente gegen Empfangsbestätigung abgegeben werden können, die Einrichtung einer täglichen, persönlichen Notfallsprechzeit sowie einen Scanservice für Unterlagen, die direkt in die Fallakten eingepflegt werden, erfolgen.

Zum ganzen Positionspapier

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. soll institutionelle Förderung ab 2024 erhalten

In den Beratungen zum Haushalt des Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums hat sich die Ampel vergangene Woche dafür eingesetzt, die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) mit einer institutionellen Förderung von jährlich 490.000 Euro auszustatten. Der Haushalt wird Ende November abschließend im Bundestag beraten.

Eine auf Dauer angelegte institutionelle Förderung bringe deutlich mehr Planungssicherheit und werde die Arbeit für überschuldete Menschen spürbar voranbringen, hieß es von Regierungsseite. 2022 waren erstmals Finanzmittel zur Stärkung ver- und überschuldeter Verbraucherinnen und Verbraucher bereitgestellt worden, die in diesem Jahr verdoppelt worden waren. Mit der nun geplanten institutionellen Förderung werde soziale Verbraucherpolitik umgesetzt, die verletzliche Gruppen besonders im Blick habe.

„Jede einzelne Beratung, jedes einzelne Projekt ist wichtig und gut! Doch allein können die Beratungsstellen nicht die notwendigen strukturelle Änderungen erzielen, die wir z.B. bei der Gesetzgebung brauchen. Durch die Förderung der BAG-SB bekommen die sechs Millionen ver- und überschuldeten Haushalte sowie die Schuldnerberatungskräfte in Deutschland eine gemeinsame Stimme“, sagte Ines Moers, Geschäftsführerin der BAG-SB.

Quellen und mehr:

Studie: Armut ist Risiko für Demokratie – Indizien für Zunahme der Einkommensungleichheit in der Krise

“Die Einkommen in Deutschland sind heute sehr ungleich verteilt, wenn man die Entwicklung seit Ende der 1990er Jahre vergleicht. Zudem gibt es Indizien dafür, dass die Einkommensungleichheit während der Coronajahre erneut gestiegen ist und 2022 fast auf diesem Höchststand verharrte. Auch die Armutsquote liegt mit 16,7 Prozent 2022 spürbar höher als vor Beginn der Pandemie, gegenüber 2021 ist sie geringfügig gesunken.

Insbesondere dauerhafte Armut (mindestens fünf Jahre in Folge) hat die gesellschaftliche Teilhabe schon vor der jüngsten Teuerungswelle stark eingeschränkt: Dauerhaft Arme müssen etwa deutlich häufiger auf Güter des alltäglichen Lebens wie neue Kleidung oder Schuhe verzichten, sie können seltener angemessen heizen. Und sie machen sich zudem deutlich häufiger Sorgen um ihre Gesundheit und sind mit ihrem Leben unzufriedener.

Auch das Gefühl, anerkannt und wertgeschätzt zu werden und das Vertrauen in demokratische und staatliche Institutionen hängen stark mit dem Einkommen zusammen. Arme empfinden weitaus häufiger als Menschen mit mehr Geld, „dass andere auf mich herabsehen“, wobei das Problem unter Menschen in dauerhafter Armut noch weitaus ausgeprägter ist als bei temporärer Armut: Fast jeder Vierte unter den dauerhaft Armen sagt, von anderen geringgeschätzt zu werden.

Mit materiellen Einschränkungen und dem Gefühl geringer Anerkennung geht bei vielen Betroffenen eine erhebliche Distanz zu zentralen staatlichen und politischen Institutionen einher: Mehr als die Hälfte der Armen hat nur wenig Vertrauen in Parteien und Politikerinnen. Rund ein Drittel vertraut dem Rechtssystem allenfalls in geringem Maße. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. (…)

Um gegenzusteuern, heben sie [die Forschenden] mehrere Maßnahmen hervor:

Nationale Armutskonferenz (nak): Rund hundert Erwachsene und Kinder mit Armutserfahrung formulieren Forderungen an die Politik

Die Nationale Armurtskonferenz (nak) berichtet:

Auf dem 16. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung in Berlin kamen mehr als 100 Beteiligte sowie Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland zusammen, um sich über ihre Situation auszutauschen, gesellschaftliche Probleme zu besprechen und ihre Forderungen auszuarbeiten. Ein Ergebnis des Treffens: Die Kinder und Jugendlichen formulierten einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz.

„Viele Teilnehmende schilderten ihre Wahrnehmung, dass die aktuellen politischen Debatten völlig an der realen Lebenssituation und der täglich erlebten Not von in Armut lebenden Menschen vorbeigehen“, berichtet Renate Antonie Krause aus Kiel, die das Treffen mit vorbereitet hat. „Statt wirksame Hilfen umzusetzen, werden Menschen in Armut ständig diskreditiert.“ So sei es völlig unklar, welche der mit dem Bürgergeld und der Grundsicherung verbundenen großen Versprechen überhaupt umgesetzt werden. „Im Bundeshaushalt sind die Mittel rapide zusammengekürzt worden, mit denen die individuelle Förderung ermöglicht werden sollten. Und die Menschen in der Grundsicherung im Alter sind überhaupt aus dem Blick geraten“, kritisiert Krause.

Dorothea Starker aus Oldenburg berichtet aus dem Workshop Zugang zu Sozialleistungen, dass die Zugangsprobleme für die Bürgerinnen und Bürger zu Leistungen und Hilfen oft schwierig gestaltet seien.