AG Düsseldorf zur Pfändbarkeit eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages

Das AG Düsseldorf, 03.02.2023 – 37 C 159/22 hat entschieden:

Ein Anspruch auf Auszahlung aus einem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ist analog § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, im Insolvenzverfahren in Verbindung mit § 36 Abs. 1 S.1 InsO, bedingt pfändbar.

Die nach § 850b Abs. 2 ZPO vorzunehmende Güterabwägung fällt in der Regel zugunsten des Schuldners aus, wenn nach dessen Lebensalter und wirtschaftlicher Gesamtsituation ein erneutes Ansparen der Bestattungskosten nicht mehr zumutbar erscheint.

Pfändungstabelle 2023 erschienen

Gestern ist im Bundesgesetzblatt die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2023 erschienen (BGBl. 2023 I Nr. 79 vom 20.03.2023).

Die neuen Werte werden ab 1.7.2023 wirksam sein und basieren auf § 850c Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit der Erhöhung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Beträge wurden um über 5% angehoben und lauten dann wie folgt:

  • Der unpfändbare Betrag für einen Schuldner ohne Unterhaltspflichten steigt von aktuell 1.330,16 Euro auf 1.402,28 Euro.
  • Der Erhöhungsbetrag für die erste Unterhaltspflicht steigt von 500,62 Euro auf 527,86 Euro.
  • Für die zweite bis fünfte Unterhaltspflicht steigt der Erhöhungsbeitrag von 278,90 Euro auf 294,02 Euro.

Gut nutzbar ist die tabellarische Darstellung der sog. Pfändungstabelle, die als Anhang der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung angefügt sind und nach Nr. 2 der Bekanntmachung gelten (“Die ab 1. Juli 2023 geltenden Pfändungsfreibeträge ergeben sich im Übrigen aus den als Anhang abgedruckten Tabellen.”) Seit diesem Jahr wird das Bundesgesetzblatt in elektronischer Form ausgegeben, welches auch direkt ausgedruckt werden kann (vgl. PM des BMJ vom 30.12.2022 und § 4 Gesetz zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens, BGBl. 2022 I Nr. 56 vom 28.12.2022, Seite 2752).

BGH ändert seine Rechtsprechung zum Pfändungsfreibetrag nach § 850d ZPO: nur tatsächlich geleisteter Unterhalt zählt

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zum § 850d ZPO geändert. Leitsatz des Beschlusses vom 18.01.2023 – VII ZB 35/20:

§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 5. August 2010 – VII ZB 101/09, MDR 2010, 1214).

Diese Entscheidung dürfte Pflichtlektüre sein. Eine erste Annäherung bietet vielleicht

An dieser Stelle das Augenmerk auf die Frage des bislang nicht oder weniger zahlenden Schuldners, wie er das denn zukünftig tun könne, wenn schon eine Pfändung vorliegt. Lösung des BGH (Rn. 20 der Entscheidung:

AG Köln: Inflationsausgleichsprämie wie Arbeitseinkommen pfändbar

Das AG Köln hat sich mit Beschluss vom 04.01.2023, 70k IK 226/20 mit der Inflationsausgleichsprämie befasst.

Aus der Entscheidung: “Im Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz vom 19.10.2022 (BGBl. 2022 I 1743) hat der Gesetzgeber eine abgabenrechtlich privilegierte Inflationsausgleichsprämie (lAP) ermöglicht. Vom Arbeitgeber in der Zeit zwischen 26.10.2022 und 31.12.2024 zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise sind danach bis zu einem Betrag von 3.000 EUR weder steuer- und sozialversicherungspflichtig, § 3 Nr. 11 b) EStG, noch werden sie bei einkommensabhängigen Sozialleistungen angerechnet, § 1 I Nr. 7 Alg ll-V.

Ob diese Prämien pfändbar sind und dem Insolvenzbeschlag unterliegen, beantwortet das Gesetz nicht.

Vorliegend kommt nach Auffassung des Gerichts aber ein Pfändungsschutz nach § 850 c ZPO in Betracht. Dieser betrifft zwar grundsätzlich nur das wiederkehrende, also laufend gezahlte Arbeitseinkommen. Bei der lAP handelt es sich eine Zahlung die einmalig aber auch mehrmalige oder im Geltungszeitraum regelmäßig gezahlt werden kann.

LG Hildesheim zur EStG-Energiepreispauschale nach neuem Recht

Hier der Hinweis auf LG Hildesheim, Beschluss vom 30.12.2022, 6 T 63/22; hier als PDF. Orientierungssätze von Matthias Butenob:

  1. Ist streitig, ob ein bestimmter Gegenstand gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 InsO der Zwangsvollstreckung unterliegt, entscheidet hierüber auf Antrag das Insolvenzgericht.
  2. Dies gilt aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 S. 2 auf § 850ff. ZPO auch für den Antrag des Schuldners, ihm einen Teil seines nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d, 850i ZPO pfändbaren Einkommens zu belassen (BGH NZI 2003, 389).
  3. Der Anspruch auf die EStG-Energiepreispauschale ist – nach „Nachbesserung” durch den Gesetzgeber – nunmehr ausdrücklich unpfändbar (§ 122 Satz 2 EStG), so dass er nicht Gegenstand der Insolvenzmasse ist und sich der Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto dementsprechend in Höhe der – steuerbereinigten – Energiepreispauschale erhöht.
  4. Der gesetzliche Freibetrag von 1.340,00 € war damit für den Monat September 2022 um die an den Schuldner ausgezahlte (steuerbereinigte) Energiepreispauschale auf 1.572,42 € zu erhöhen.

Nicht problematisiert wurde, dass der Antrag des Schuldners schon vom 1.9.2022 und die aufgehobene erstinstanzliche Entscheidung vom 4.11.2022 datierte.

Offenbar ging das Landgericht – unausgesprochen – von folgendem aus (zitiert nach BGH 10.08.2022 – VII ZB 5/22; Fett hier):

Update für 2023: Bescheinigungen des „sozialrechtlichen Existenzminimums“ nach SGB II und SGB XII

Im Rahmen des Schuldnerschutzes bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie bei privilegierten Aufrechnungen/Verrechnungen von Sozialleistungen ist der Nachweis des „sozialrechtlichen Existenzminimums“ von Bedeutung.

Zuverlässig wie stets hat Dieter Zimmermann dazu das jährliche Update verfasst, welches unter www.infodienst-schuldnerberatung.de/2023-bescheinigungen-des-sozialrechtlichen-existenzminimums-nach-sgb-ii-und-sgb-xii-2/ zu lesen ist.

Dort gibt es dann auch die diversen Vorlagen / Dateien zum Download.

Die Überschriften des Beitrags:

I. Pfändung in den Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO
II. Pfändung in den Vorrechtsbereich nach § 850f Abs. 2 ZPO
III. Aufrechnung/Verrechnung von Sozialleistungen bis zur Hälfte
IV. Unterschiede zwischen SGB II- und SGB XII-Bescheinigung
V. Fazit

Jahressteuergesetz 2022: Energiepreispauschale nach § 122 EStG-neu unpfändbar

Der Bundestag hat am Freitag, 2. Dezember 2022, den Entwurf der Bundesregierung für ein Jahressteuergesetz 2022 gebilligt. Die finale Fassung wird am 16.12.2022 im Bundesrat Thema sein und ist als BR-Drucksache 627/22 (neu) nachzulesen. Artikel 1 Nr. 22 b) des Gesetzes sieht vor:

§ 122 EStG:

Folgender Satz wird angefügt:
„Die Energiepreispauschale ist in Höhe des in § 112 Absatz 2 genannten Betrages unpfändbar.“

Aus der Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 20/4729 (Seite 151):

Der neue Satz 2 regelt, dass die Energiepreispauschale nicht pfändbar ist.
Mit der Gesetzesänderung soll sichergestellt werden, dass die Energiepreispauschale den Empfängern tatsächlich
zur Verfügung steht und nicht von Gläubigern gepfändet werden kann. Dadurch können die Empfänger die Energiepreispauschale einsetzen, um Zahlungen zu leisten, die durch gestiegene Energiekosten verursacht wurden.
Wegen des Verweises in § 36 der Insolvenzordnung unterliegt die Energiepreispauschale auch nicht dem Insolvenzbeschlag.
Über die Zahlung der Energiepreispauschale kann nach den § 902 Satz 1 Nummer 6 und § 903 der Zivilprozessordnung zum Zweck der Vorlage bei einem Kreditinstitut eine Bescheinigung erteilt werden.

Das Gesetz soll nach Artikel 43 am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die spannenden Fragen: was ist bis dahin und mit einer eventuellen Rückwirkung (oder aus heutiger Sicht: Vorwirkung) ?

BGH: Mindestelterngeld ist nicht den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten im Sinne von § 850c Abs. 6 ZPO zuzurechnen

Der BGH hat am 23.02.2022 unter dem Aktenzeichen: VII ZB 41/21 entscheiden – Leitsatz:

Das Mindestelterngeld nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG ist aufgrund seiner besonderen Zweckbindung nicht den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten im Sinne von § 850c Abs. 6 ZPO zuzurechnen.

Aus der Entscheidung:

Rn 22: Das Mindestelterngeld nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG ist aufgrund seiner besonderen Zweckbindung nicht den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten im Sinne von § 850c Abs. 6 ZPO zuzurechnen.

Rn 24: Der Vollstreckungsgläubiger kann nicht verlangen, gegenüber der unterhaltsberechtigten Person besser als gegenüber dem Schuldner gestellt zu werden. Da das Mindestelterngeld, würde es der Schuldner beziehen, gemäß § 54 Abs. 3 Nr. 1 SGB I unpfändbar wäre, kann es auch nicht zu den berücksichtigungsfähigen Einkünften des Unterhaltsberechtigten gezählt werden (vgl. Ahrens, NZI 2009, 423, 424)

Die Entscheidung, ob eine von dem Gläubiger begehrte Auskunft zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Drittschuldner nötig ist, obliegt nach dem Gesetz dem Gerichtsvollzieher

Hier der Hinweis auf BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – VII ZB 38/21. Der Leitsatz lautet:

Ein Antrag des Gläubigers an das Vollstreckungsgericht auf Konkretisierung der von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu erteilenden Auskunft in dem (Pfändungs- und) Überweisungsbeschluss oder einem diesen ergänzenden Beschluss ist unzulässig.

Der Titel dieser Meldung steht in Randnummer 9 der Entscheidung.