Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Unter der Bundestags-Drucksache 20/12250 wurde nun der Evaluationsbericht zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung auf 3 Jahre vorgelegt, der nach Art. 107a Abs. 1 EGInsO zu erstellen war. Auszüge:

„Die Entwicklung der Antragszahlen seit Anfang des Jahres 2022 gibt keinen Hinweis darauf, dass Verbraucher vermehrt oder systematisch von der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung Gebrauch machen wollen. Vielmehr bewegen sich die Zahlen weitgehend konstant auf dem Niveau von 2018 und 2019. Anhaltspunkte für eine dauerhafte oder strukturell bedingte wachsende Nachfrage nach Entschuldungen, die sich als Ausdruck einer ausbreitenden Sorglosigkeit von Verbrauchern in Finanzfragen interpretieren ließe, sind hiernach nicht ausmachbar. (…)

Die Frage zu den Auswirkungen der Speicherung insolvenzbezogener Daten durch Auskunfteien auf die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neustarts der betroffenen Personen hat zu wesentlichen Teilen durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Dezember 2023 in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22 ihre Erledigung gefunden. Hiernach sind Auskunfteien nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO gehalten, aus öffentlichen Registern gewonnene insolvenzbezogene Daten nicht über die für das öffentliche Register geltende Speicherhöchstfrist hinaus zu speichern. (…)“

Darüber hinaus gibt es noch den Teil „V. Anregung weiterer Anpassungen aus der durchgeführten Anhörung“

Siehe auch die PM der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung des DAV

StromGVV / GasGVV: Sperrschutzregeln heute verlängert

Die Schutzregeln in § 19 StromGVV bzw. § 19 GasGVV wurde heute bis zum 30.04.2025 verlängert. Siehe – Achtung sperriger Titel!

Verordnung zur Anpassung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung zur befristeten Verlängerung der Regelung zur Aussetzung der monatlichen Ratenzahlungsvereinbarungen während der Dauer einer Abwendungsvereinbarung

BGBl. 2024 I Nr. 192 vom 19.06.2024, www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/192/VO.html

Mehr dazu schon unter Energiesperren: wann kommt die Verlängerung der Sperrschutzregeln?

Energiesperren: wann kommt die Verlängerung der Sperrschutzregeln?

Die Bundesregierung beabsichtigt, die Übergangsregelung in § 118b EnWG bis zum 30. April 2025 zu verlängern. Gleiches gilt für § 19 StromGVV bzw. § 19 GasGVV.

Insoweit ist die Lektüre der beiden FBSB-Meldungen NRW hilfreich:

Die Verlängerungen hängen aber im Bundesrat… Siehe dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-umsetzung-der-eu-erneuerbaren-richtlinie-in-den-bereichen-windenergie-auf/310640 bzw. dip.bundestag.de/vorgang/verordnung-zur-anpassung-der-stromgrundversorgungsverordnung-und-der-gasgrundversorgungsverordnung-zur-befristeten/311403. Das ist misslich, da die aktuellen Regelungen nur bis Ende April gegolten haben.

Stephan Rixen: EU-Recht verlangt Rechtanspruch auf kostenfreie Schuldnerberatung

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) meldet, dass der Verfassungs- und Sozialrechtsexperte Prof. Dr. Stephan Rixen, Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln, in einem Rechtsgutachten zu dem Ergebnis kommt, dass Artikel 36 der EU-Verbraucherkreditrichtlinie durch einen Rechtsanspruch auf kostenfreie Schuldnerberatung umgesetzt werden muss.

Das Gutachten ist auf der AG SBV-Seite abrufbar und sehr lesenswert. Für Eilige: die Zusammenfassung ab Seite 40 ist ein Gewinn!

Siehe auch Kostenfreie Schuldnerberatung ist ein Gebot der Stunde! EU-Parlament verabschiedet Richtlinie mit deutlichen Verbesserungen und direkt den Art. 36 der Richtlinie EU) 2023/2225.

Der Caritasverband für das Bistum Aachen e. V. hatte das Rechtsgutachten in Abstimmung mit der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) in Auftrag gegeben.

Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Zwangsvollstreckung

Die Bundesregierung hat den „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung“ (20/11310) eingebracht. Ziel ist es danach, die Anzahl der Aufträge und Anträge in hybrider Form bei den Vollstreckungsorganen zu reduzieren.

Durch Änderungen in der Zivilprozessordnung (Paragrafen 754a und 829a) soll es umfangreicher als bisher erlaubt werden, anstatt der vollstreckbaren Ausfertigung und anderer Schriftstücke in Papierform elektronische Kopien davon an das Vollstreckungsorgan zu übermitteln. Weitere Neuregelungen beziehen sich etwa auf den elektronischen Rechtsverkehr mit dem Gerichtsvollzieher.

In seiner Stellungnahme zu dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf schlägt der Bundesrat vor, eine im Gerichtskostengesetz enthaltene Regelung zu Vorauszahlungspflicht der Gerichtsgebühren in Zwangsvollstreckungsverfahren zu streichen. Dadurch solle die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung gefördert werden. Die Bundesregierung zeigt sich in ihrer Gegenäußerung grundsätzlich offen für den Vorschlag, will die Streichung aber zunächst zurückstellen.

Quelle: Bundestagsmeldung

Pfändungstabelle 2024: steigt der Pfändungsfreibetrag auf fast 1.500 Euro?

So langsam wird es Zeit. Wann kommt die neue Pfändungstabelle? Immerhin soll diese sich jährlich zum 1.7. ändern – vgl. § 850c Abs. 4 ZPO. Satz 2 dieses Absatzes lautet zur Berechnung:

„Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.“

Der Grundfreibetrag ist um über 6% von 10.908 Euro auf 11.604 Euro gestiegen. Demnach müssten die neuen Pfändungsfreigrenzen wie folgt lauten:

Vor dem Hintergrund der Rundungsregel des § 805c Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 ZPO würde dann ein Einkommen bis zu 1.499,99 Euro pfändungsfrei sein.

Zur aktuell gültigen Tabelle siehe hier www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/2023/pfaendungstabelle-2023-erschienen

AG SBV-Stellungnahme zur Evaluation des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Art. 107a Abs. 1 EGInsO bestimmt, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2024 berichtet, wie sich die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern ausgewirkt hat. Der Bericht soll auch auf etwaige Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen Neustart nach Erteilung der Restschuldbefreiung ausgehen.

Im Rahmen dessen hat die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) eine sehr lesenswerte Stellungnahme abgegeben, die sich hier findet: www.agsbv.de/2024/05/stellungnahme-zur-evaluation-verkuerzung-des-insolvenzverfahren-und-positionierung-zur-verstrickung-im-insolvenzverfahren-der-ag-sbv/

Daraus:

  • Aus Sicht der AG SBV ist die Regelung bzgl. der dreijährigen Abtretungsfrist zu begrüßen und sollte beibehalten werden.
  • Die AG SBV sieht keine Erledigung der Probleme für Verbraucher*innen durch die Speicherung insolvenzbezogener und anderer vergleichbarer Daten durch das Urteil des EuGH. Es besteht weiterhin Handlungsbedarf und damit verbunden die Erwartung an den Gesetzgeber eine Regelung zu finden, die die sachdienlichen Hinweise des EuGH aufnehmend, die sensiblen Daten (…) schützt, (…)

Als „weitere Änderungsbedarfe“ wurden angemeldet: Verstrickungsproblematik; sofortige Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn kein Gläubiger eine Forderung anmeldet; Ausschlussfrist zur Forderungsanmeldung von 3 Monaten; Einführung einer Frist für Feststellungsklagen der Gläubiger sowie zur Sperrfrist und Dauer eines erneuten Insolvenzverfahrens.

Zur Verstrickung gibt es ein gesondertes Papier der AB SBV: www.agsbv.de/(…)/2024-04-30_AG-SBV_Positionspapier_Verstrickung-Insolvenzverfahren.pdf

100%-Bürgergeld-Regelsatz-Sanktion tritt morgen in Kraft

Heute ist das „Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024“ im Bundesgesetzblatt verkündet worden, BGBl. 2024 I Nr. 107 vom 27.03.2024.

Zu diesem Gesetz hatten wir am 1.2.2024 unter Bundestag entscheidet morgen über 100%-Bürgergeld-Regelsatz-Sanktion schon berichtet. Der Artikel 5 des Gesetzes befasst sich mit Änderungen des SGB II und wird morgen in Kraft treten.

Der Bürgergeldbonus (§ 16j) wird aufgehoben und vor allem dem § 31a SGB II folgender Absatz 7 angefügt:

„(7) Abweichend von Absatz 4 Satz 1 entfällt der Leistungsanspruch in Höhe des Regelbedarfes, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte, deren Bürgergeld wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 3 oder Absatz 2 Nummer 4 innerhalb des letzten Jahres gemindert war, eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen. Die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme muss tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden. Absatz 1 Satz 6, die Absätze 2 und 3 sowie § 31 Absatz 1 Satz 2 finden Anwendung.“

Die Regelung ist verfassungsrechtlich hoch fragwürdig; siehe Tacheles und die Neue Richtervereinigung. Siehe auch die taz: Faktisch ein Arbeitszwang

Die Regelung ist auf zwei Jahre befristet; vgl. § 86 SGB II-neu („§ 31a Absatz 7 und § 31b Absatz 3 werden mit Ablauf des 27. März 2026 aufgehoben“)

Girokontenvergleich: Vergleichswebsitemeldeverordnung verkündet

Die Abkürzung VglWebMV steht für Vergleichswebsitemeldeverordnung und hat das Zeug zum Abkürzungsmonster des frischen angefangenen Monats zu werden.

Diese Verordnung wurde heute im Bundesgesetzblatt verkündet, www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/68/VO.html und hat die §§ 16ff Zahlungskontengesetz als Hintergrund.

„Die Bundesanstalt betreibt eine Vergleichswebsite, die die in § 17 genannten Kriterien in der in § 18 vorgeschriebenen Art und Weise für den Verbraucher entgeltfrei vergleicht. Diese trägt die Bezeichnung „Vergleichswebsite nach dem Zahlungskontengesetz“.“

Mehr zu den Hintergründen siehe unsere Meldungen unter www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/?s=vergleichswebseite

iff zur Bezahlkarte für Geflüchtete: ein Lehrstück, wie man finanzielle Inklusion verhindert

Das institut für finanzdienstleistungen (iff) schreibt: „(…) Die mit der Einführung der Bezahlkarte einhergehende Diskussion um Nutzungsbeschränkungen oder Sachzahlungen ist aber gefährlich. Geflüchtete, die vor Krieg und Armut fliehen, werden ihre Entscheidung zur Flucht sicherlich nicht davon abhängig machen, ob in einem Land die Auszahlung von staatlichen Leistungen in bar oder via Bezahlkarte erfolgt.

Was man aber wiederum mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die Verbreitung solcher unbelegten Hypothesen zum Erstarken rechtspopulistischer Narrative über Geflüchtete beiträgt, die besagen, dass diese nur aus finanziellen Gründen nach Deutschland kommen würden.

Es ist zentral, dass die Bezahlkarte so ausgestaltet ist, dass sie einsetzbar ist wie alle anderen Debit- bzw.EC-Karten auch und zwar in allen Geschäften, für jede Dienstleistung und auch eine freie Verfügung über Bargeld ermöglicht. Der Zugang zu Finanzdienstleistungen ist zweifellos eine Frage der Gerechtigkeit, da …“ -> weiterlesen auf der Webseite des iff

Zur ganzen Stellungnahme als pdf-Datei

Siehe auch PRO ASYL: www.proasyl.de/news/bezahlkarte-ohne-standards-laender-vereinbaren-diskriminierungskonzept/