Bundesverfassungsgericht zum Schutz vor Wohnungsräumung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit

Hier der Hinweis auf eine lesenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2023, 2 BvR 1507/22. Zwar wurde die Verfassungsbeschwerde eines Schuldners nicht zur Entscheidung angenommen; dies aber deshalb, weil die Räumung der Wohnung schon vollzogen war.

Das Gericht macht aber deutlich, dass die die Entscheidung der Fachgerichte, dem Schuldner / Mieter ohne weitere Ermittlungen Vollstreckungsschutz zu verwehren, verfassungsrechtlich bedenklich war. Dazu führte es aus (Rn. 39f, 44, 47; Listendarstellung durch uns):

  • Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen
    • Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
    • Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen

    Bürgergeld: Der Abschluss eines Mietvertrages über die bereits bewohnte Wohnung ist kein Umzug

    Helge Hildebrandt weist auf sozialberatung-kiel.de auf SG Kiel, Beschluss vom 24.03.2023, S 39 AS 9/23 ER hin. Aus der Entscheidung:

    “Vorliegend waren die Kosten der Unterkunft bis zum Abschluss des neuen Mietvertrages und dem Auszug des Mitbewohners angemessen und vom Antragsgegner in voller Höhe berücksichtigt worden. Mit Abschluss des neuen Mietvertrages übersteigen die Kosten der Unterkunft nunmehr die Mietobergrenze. (…)

    Die Erhöhung resultiert nicht aus einem Umzug, so dass weder die oben zitierte Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II einschlägig ist, noch das Erfordernis der Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II bestand.  (…)

    Ein Umzug ist der Wechsel der zur Deckung des Wohnbedarfes tatsächlich genutzten Unterkunft und setzt eine räumliche Veränderung voraus (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. August 2013 – L 9 AS 476/11 –, Rn. 29, juris). Eine räumliche Veränderung fand vorliegend gerade nicht statt. Auch handelte es sich nicht um den Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft, denn auch dies setzt einen Umzug voraus. Die Möglichkeit der Nutzung eines weiteren, bisher durch den Mitbewohner genutzten Raumes macht die Wohnung nicht zu einer neuen Unterkunft.”

    Informationen der Bundesregierung zum Wohngeld-Plus

    “Die Belastung durch Wohnkosten ist für viele Haushalte mit niedrigem Einkommen hoch. Hier hilft das Wohngeld-Plus: Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zu den Wohnkosten – sowohl für eine Mietwohnung als auch für selbstgenutztes Wohneigentum. Das Wohngeld-Plus unterstützt Haushalte mit niedrigen Einkommen oberhalb der Grundsicherung und sichert somit ein angemessenes und familiengerechtes Wohnen.”, so schreibt es die Bundesregierung auf Ihrer Webseite:

    https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/topthemen/Webs/BMWSB/DE/wohngeld-plus/wohngeld-plus-artikel.html

    Dort gibt es auch Erklärvideos sowie Flyer in 7 Sprachen und Leichter Sprache. Ebenso ist dort der Link zu einem Wohngeld-Plus-Rechner und zu Infoseiten der Bundesländer hinterlegt

    Repräsentative Umfrage in Hamburg: Viele Mieter:innen spüren wirtschaftliche Probleme

    Die allgemeine Teuerung infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine macht auch das Mieten von Wohnungen teurer. Gerade die Indexmieten werden auch in Hamburg für viele Mieter:innen zur Belastung. Der repräsentative Hamburger Verbraucherschutz-Pegel der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz und der Verbraucherzentrale Hamburg zeigt, wie sich die Situation in Hamburg darstellt.

    Aufgrund der Teuerung spüren fast fünf von zehn Mieter:innen in Hamburg wirtschaftliche Probleme, ein knappes Drittel sogar mittlere bis eher starke. Dabei fallen die Erhöhungen der Kaltmieten und der Nebenkosten für sich allein genommen teilweise noch verkraftbar aus. Problematisch kann es vor allem dort werden, wo beide Erhöhungen zusammenkommen. Dies ist bei 45 Prozent der Befragten der Fall.

    Der Anteil der Indexmietverträge liegt in Hamburg bei insgesamt 17 Prozent. Bei den Jüngeren (18-34 Jahre) liegt der Anteil wesentlich höher. Aufgrund der allgemeinen Teuerung scheinen solche Verträge eine besondere Rolle einzunehmen, da hier deutlich häufiger Mietrückstände zu verzeichnen sind als bei anderen Mietverträgen.

    Alle Zahlen und Grafiken der Umfrage finden Sie bei der Verbraucherzentrale Hamburg www.vzhh.de/verbraucherschutz-pegel

    Quelle und mehr: PM BJV Hamburg

    Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück

    Das kommt wahrlich nicht oft in der Sozialen Schuldnerberatung vor. Aber dem BGH war es eine Pressemitteilung wert:

    Der unter anderem für Rechtsbeschwerden in Grundbuchsachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungsberechtigen Grundstückseigentümers von dem Insolvenzverwalter gelöscht werden kann. – BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21

    Quelle: PM des BGH

    Haushalte wendeten 2022 durchschnittlich 27,8 % ihres Einkommens für die Miete auf

    Im Jahr 2022 haben die rund 19,9 Millionen Hauptmieterhaushalte in Deutschland durchschnittlich 27,8 % ihres Einkommens für die Miete ausgegeben. Diese Mietbelastungsquote gibt den Anteil der Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zuzüglich verbrauchsunabhängiger Betriebskosten) am Haushaltsnettoeinkommen an. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach Erstergebnissen der Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation 2022 weiter mitteilt, war die Mietbelastungsquote für die rund 6,6 Millionen Haushalte, die ihre Wohnung 2019 oder später angemietet haben, mit 29,5 % um 2,7 Prozentpunkte höher als für die rund 2,7 Millionen Haushalte, die ihren Mietvertrag bereits vor 1999 abgeschlossen haben (26,8 %).  

    Rund 1,5 Millionen Mieterhaushalte wiesen 2022 eine Mietbelastung von 50 % oder mehr auf. Etwa 1,6 Millionen weitere Mieterhaushalte wendeten für die Bruttokaltmiete zwischen 40 % und 50 % ihres Haushaltseinkommens auf. Insgesamt hatten somit 16 % aller Haushalte, die zur Miete wohnten, eine Mietbelastung von mehr als 40 %. 

    Besonders belastet waren Einpersonenhaushalte, deren Mietbelastungsquote im Durchschnitt bei knapp einem Drittel (32,7 %) ihres Einkommens lag. Haushalte mit zwei Personen mussten dagegen weniger als ein Viertel (22,8 %) ihres Einkommens für die Miete einplanen. 

    Quelle und mehr: PM Statistisches Bundesamt

    Bürgergeld: Karenzzeit auch für Bestandsfälle

    Aus dem aktuellen Newsletter von Harald-Thomé: Das SGB II und auch das SGB XII bestimmen, dass für Neuantragstellende in Bezug auf die Unterkunftskosten, aber nicht Heizkosten, eine einjährige Karenzzeit besteht (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II / § 35 Abs. 1 S. 2 SGB XII). In der Praxis bedeutet dies, das Jobcenter/Sozialamt darf über ein Jahr bei Neuantragstellenden keine Aufforderung zur Kostensenkung vornehmen.  

    Liegt eine Unterkunft mit unangemessenen Unterkunftskosten vor, darf erst nach Ablauf der Karenzzeit eine Kostensenkungsaufforderung mit einer Frist von sechs Monaten ergehen, um die „unangemessenen“ Kosten herabzusetzen (§ 22 Abs. 1 S. 7 SGB II, § 35 Abs. 3 SGB XII),  diese Frist ist nicht auf die Karenzzeit anzurechnen, § 22 Abs. 1 S. 8 SGB II.

    Diese Karenzzeit von einem Jahr gilt aber auch für Bestandsfälle, also Menschen und Familien, die sich im laufenden Leistungsbezug befinden (§ 65 Abs. 3 SGB II/§ 140 Abs. 1 SGB XII). Auch in diesen Fällen darf ab 1. Januar 2023 kein Kostensenkungsverfahren bis Ende Dez. 2023 ergehen.

    Diese Karenzzeit für Bestandsfälle gilt nicht für Personen und Haushalte,

    Bürgergeld: Karenzzeit auch für Bestandsfälle

    Aus dem aktuellen Newsletter von Harald-Thomé: Das SGB II und auch das SGB XII bestimmen, dass für Neuantragstellende in Bezug auf die Unterkunftskosten, aber nicht Heizkosten, eine einjährige Karenzzeit besteht (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II / § 35 Abs. 1 S. 2 SGB XII). In der Praxis bedeutet dies, das Jobcenter/Sozialamt darf über ein Jahr bei Neuantragstellenden keine Aufforderung zur Kostensenkung vornehmen.  

    Liegt eine Unterkunft mit unangemessenen Unterkunftskosten vor, darf erst nach Ablauf der Karenzzeit eine Kostensenkungsaufforderung mit einer Frist von sechs Monaten ergehen, um die „unangemessenen“ Kosten herabzusetzen (§ 22 Abs. 1 S. 7 SGB II, § 35 Abs. 3 SGB XII),  diese Frist ist nicht auf die Karenzzeit anzurechnen, § 22 Abs. 1 S. 8 SGB II.

    Diese Karenzzeit von einem Jahr gilt aber auch für Bestandsfälle, also Menschen und Familien, die sich im laufenden Leistungsbezug befinden (§ 65 Abs. 3 SGB II/§ 140 Abs. 1 SGB XII). Auch in diesen Fällen darf ab 1. Januar 2023 kein Kostensenkungsverfahren bis Ende Dez. 2023 ergehen.

    Diese Karenzzeit für Bestandsfälle gilt nicht für Personen und Haushalte,

    Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zum Wohngeld: „Reibungsloser Start ausgeschlossen“

    PM des IW: Zum neuen Jahr gibt es für Wohngeldempfänger eine späte Bescherung: Im Januar tritt eine umfassende Reform in Kraft, nach der nicht nur Miete und kalte Nebenkosten, sondern auch die Heizkosten bezuschusst werden. Jetzige Wohngeldhaushalte können im Schnitt mit einer Verdopplung ihrer Bezüge um 190 Euro auf 370 Euro rechnen. Außerdem werden anstatt 600.000 nun zwei Millionen Haushalte wohngeldberechtigt sein, weil die Einkommensgrenzen steigen.

    Behörden sind nicht gewappnet

    Für die einen gibt es mehr Geld, für die anderen mehr Arbeit. Wegen der enormen Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten, rechnen Behörden aktuell mit einer Antragsflut. In großem Umfang suchen die Behörden nun neue Mitarbeiter, um die große Nachfrage zu bewältigen. Mithilfe von Textkernel hat das IW ausgewertet, wie groß der Anwerbeversuch bundesweit ist: Während von Oktober bis Mitte Dezember 2021 rund 118 Stellen ausgeschrieben worden, waren es in diesem Jahr mit 857 gut siebenmal so viele. Aufgrund des Fachkräftemangels ist zu befürchten, dass viele Stellen nicht schnell besetzt werden können.

    Bearbeitungsstau droht

    Die ohnehin schon lange Bearbeitungszeit von zwei bis acht Wochen – nach WDR-Recherchen sind es in jeder fünften Kommune länger als zwei Monate – dürfte 2023 noch länger werden. Etliche Haushalte profitieren von der wichtigen Reform also erst im März oder April. Im schlimmsten Fall führt das für die Betroffenen zu finanziellen Engpässen.

    Angemessenheitsfiktion in den Unterkunftskosten – Für das Jahr 2021 und 2022 jetzt Überprüfungsanträge stellen!

    Wurden in den Jahren 2021 und 2022 die Unterkunfts- oder Heizkosten nicht in tatsächlicher Höhe anerkannt, ist es jetzt Zeit Überprüfungsanträge zu stellen, um rückwirkend die Leistungsansprüche zu sichern. Das betrifft Menschen aus dem SGB II/SGB XII und sog. Analogleistungsberechtigte nach dem AsylbLG.

    Im Rahmen des Sozialschutz-Pakets „Vereinfachtes Verfahren für den Zugang zu sozialer Sicherung aufgrund der COVID-19-Pandemie“ wird in § 67 Abs. 3 SGB II/§ 141 Abs. 3 SGB XII bestimmt, dass alle Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 Abs. 1 SGB II / § 35 Abs. 1 SGB XII und § 42a Abs. 1 SGB XII unabhängig von ihrer Höhe als angemessen gelten und das es sich dabei um eine unwiderlegbare Fiktion handelt. Diese Regelung gilt für alle Bewilligungszeiträume die zwischen März 2020 und Dez. 2022 beginnen (§ 67 Abs. 1 SGB II/§ 141 Abs. 1 SGB XII II iVm § 1 VZVV). Diese gesetzliche Bestimmung heißt »Angemessenheitsfiktion« und trifft für das ALG II, für die Sozialhilfe, und sog. Analogleistungsberechtigte nach dem AsylbLG, also Geflüchtete, die länger als 18 Monate in Deutschland sind, zu.

    Gesetzeszweck dieser Schutzregeln ist, dass sich SGB II- und SGB XII – Leistungsbezieher in der Zeit der Pandemie “nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssen” (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs 19/18107, S 25).

    Eine Ursächlichkeit zwischen dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und der epidemischen Lage ist nicht erforderlich. Die Angemessenheitsfiktion ist nicht nur auf Erst- oder Neuanträge begrenzt, sondern erfasst alle Unterkunftskosten für Bewilligungsabschnitte, die in dem Zeitraum 01.03.2020 bis 31.12.2022 begonnen haben, bzw. noch beginnen werden. Dies auch dann, wenn weder die Hilfebedürftigkeit, noch der Umzug direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind (LSG Bayern 28.7.2021 – L 16 AS 311/21 B ER; LSG NRW 13.9.2021 – L 19 AS 1295/21 B ER; LSG Schleswig-Holstein 11.11.2020 – L 6 AS 153/20 B ER;  LSG Niedersachsen-Bremen 29.9.2020 – L 11 AS 508/20 B ER; LSG Sachsen- Anhalt 7.3.2022 – L 4 AS 40/22 B ER; Hessisches LSG 21.2.2022 – L 6 AS 585/21 B ER).

    Vorliegend handelt es sich zwar um SGB II-Entscheidungen, diese sind wegen exakter Rechtslage auch im SGB XII anzuwenden (BSG 23.03.2010 – B 8 SO 24/08 R; 14.04.2011 – B 8 SO 19/09 R; Prof. Dr. Guido Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, § 141 Übergangsregelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie, Rn. 25).

    Quelle und mehr (z.B. Musterschreiben): tacheles-sozialhilfe.de