Erfolgreicher Eilantrag betreffend die Räumung und Herausgabe einer Wohnung im Wege der Zwangsvollstreckung

Das Bundesverfassungsgericht muss sich immer mal wieder mit dem Thema der Wohnungsräumung befassen (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht zum Schutz vor Wohnungsräumung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit)

Nun erneut mit Beschluss vom 26. Februar 2024, 2 BvR 51/24. Daraus:

„Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. (…)

Macht der Vollstreckungsschuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen – beim Fehlen eigener Sachkunde – zur Achtung verfassungsrechtlich verbürgter Rechtspositionen wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2023 – 2 BvR 1233/23 -, Rn. 20 m.w.N.).

Update für 2024: Bescheinigungen des „sozialrechtlichen Existenzminimums“ nach SGB II und SGB XII

Im Rahmen des Schuldnerschutzes bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie bei privilegierten Aufrechnungen/Verrechnungen von Sozialleistungen ist der Nachweis des „sozialrechtlichen Existenzminimums“ von Bedeutung.

Zuverlässig wie stets hat Dieter Zimmermann dazu das jährliche Update verfasst, welches unter https://infodienst-schuldnerberatung.de/beratung/2024-bescheinigungen-des-sozialrechtlichen-existenzminimums-nach-sgb-ii-und-sgb-xii/ aufrufbar ist.

Dort gibt es dann auch diverse Vorlagen / Dateien zum Download.

Die Überschriften des Beitrags:

I. Pfändung in den Vorrechtsbereich nach § 850d ZPO
II. Pfändung in den Vorrechtsbereich nach § 850f Abs. 2 ZPO
III. Aufrechnung/Verrechnung von Sozialleistungen bis zur Hälfte
IV. Unterschiede zwischen SGB II- und SGB XII-Bescheinigung
V. Fazit

LG Münster lehnt Erhöhung des pfandfreien Betrages wegen zu erwartender Steuerschuld bei Rentner:in ab

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des LG Münster vom 18.9.2023, 5 T 394/23 mit dem Leitsatz

Dem Rentner/Der Rentnerin ist eine Erhöhung des pfandfreien Betrages wegen zu erwartender Steuerschuld nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht zuzugestehen(s. a. BGH-Beschluss vom 19.09.2019 – Az. IX ZB 2/18 -).

Aus der Entscheidung: Mit Eintritt der Beschwerdeführerin in die Altersrente zum 01.08.2023 beantragte diese unter Hinweis auf die nachgelagerte Besteuerung ihrer Altersrente Ihre Gleichstellung bei der Ermittlung der pfändungsfreien Beträge zu der Situation, in der sie ausschließlich Arbeitseinkommen als abhängig Beschäftigte beziehen würde und in diesem Zuge die auf dieses Arbeitseinkommen abzuführende Lohnsteuer gemäß § 36 InsO, § 850 Nr. 1 ZPO nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen gerechnet würde.

Hierzu trägt die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Ungleichbehandlung daraus resultiere, dass sie für die zu erwartende Steuerschuld auf ihre Rentenzahlung eine monatliche Rücklage bilden müsse, die sie im Falle ihrer abhängigen Beschäftigung nicht bilden müsse.

Das Amtsgericht Münster hat diesen Antrag im angegriffenen Beschluss unter Verweis darauf zurückgewiesen, dass höchstrichterlich entschieden sei, dass die Entstehung einer Steuerschuld in der Regel kein ausreichender Grund für die Erhöhung des unpfändbaren Betrages sei.

Forderungspapier der AG SBV zur Unpfändbarkeit der Kindergrundsicherung

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) sieht dringenden Ergänzungsbedarf zum Pfändungsschutz:

Mit der Einführung der Kindergrundsicherung sollen Kinder und Jugendliche bessere Chancen erhalten, mehr Familien und ihre Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht und Kinderarmut wirksam bekämpft werden. Hierzu sollen die bisherigen finanziellen Leistungen Kindergeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusammengeführt werden.

Das Gesetz enthält jedoch keine separate Regelung zur (Un)pfändbarkeit der Kindergrundsicherung. Beim P-Konto durchbricht die Kindergrundsicherung die bisherige Systematik der Freibeträge. Daraus ergeben sich mehrere Probleme.

Geforderte Lösungen:
(1) Das geplante Gesetz einer Kindergrundsicherung wird dahingehend ergänzt, dass Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich unpfändbar sind.

(2) § 902 Nummer 4 ZPO wird ergänzt: für den Fall, dass die Zahlungseingänge auf dem P-Konto inkl. Kindergrundsicherung den Grundfreibetrag plus Leistungen des § 902 Nummer 5 ZPO (Leistungen für Kinder) plus die Pauschalen des § 902 Nummer 1 ZPO, überschreiten. In diesem Fall kann die Differenz ebenfalls bescheinigt werden. Unberührt bleiben Leistungen im Sinne von § 902 Nummer 2,3 und 6 ZPO.

(3) Für nachgezahlte Kindergrundsicherung gemäß § 904 ZPO ist eine vergleichbare Lösung zu finden.

Zum Forderungspapier

Unzulässige Richtervorlage zu den Pfändungsfreigrenzen

Arg kurz ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. August 2023 – 1 BvL 4/22, mit der die Richtervorlage des Amtsgerichts Aue-Bad Schlemavom 29. November 2022 – 2 M 2596/20 – als unzulässig verworfen wurde.

Der Vorlage lag ein Zwangsvollstreckungsverfahren zugrunde. Es bestand Streit über die Erhöhung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens dahingehend, ob bei der Festlegung des unpfändbaren Betrags im Haushalt lebende Kinder zu berücksichtigten sind, für die keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht.

Das Amtsgericht hatte das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c und f ZPO „im Hinblick auf Art. 3, 6, 20 GG“ verfassungsgemäß seien.

Das Bundesverfassungsgericht monierte nun, dass das Gericht weder den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angegeben noch sich hinreichend mit der Rechtslage und den dazu vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen auseinandergesetzt habe.

Übertragung der Zuständigkeit für die Forderungspfändung auf den Gerichtsvollzieher?

Letzte Woche hatten wir über BMJ-Überlegungen zur Übertragung aller Zuständigkeiten in den Verbraucherinsolvenzverfahren auf die Rechtspflegerschaft berichtet.

Nun liegt das Schreiben des BMJ vom 13.6.2023 unter fragdenstaat.de/(…)/laenderschreiben-neuordnungrpflg_geschwaerzt.pdf vor. Demnach gibt es noch weitere Überlegungen, nämlich unter 1. zur Übertragung der Zuständigkeit für die Forderungspfändung auf den Gerichtsvollzieher.

Den Gerichtsvollziehern könnten u.a. die Zuständigkeiten für Pfändungen wegen Unterhaltsforderungen (§ 850d ZPO), Pfändungen wegen Forderungen aus unerlaubten Handlungen (§ 850f Absatz 2 ZPO), Entscheidungen über Zusatz- und Folgeanträge des Schuldners oder des Gläubigers (§ 850f Absatz 1, § 850e Nummer 2, 2a und 4 ZPO), auch im Zusammenhang mit einem Pfändungsschutzkonto (§ 904 Absatz 5, § 905 Satz 1, § 906 Absatz 1 und 2 und § 907 ZPO) übertragen werden, so das BMJ.

Unter www.rechtspflegerforum.de wird schon munter diskutiert.

BGH: Corona-Sonderzulage an niedersächsische Beamte ist grundsätzlich pfändbar

Der BGH hat mit Beschluss vom 13. Juli 2023 – IX ZB 24/22 – entschieden, dass die gemäß § 63a des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) an alle Besoldungsempfänger zu zahlende Corona-Sonderzahlung keine unpfändbare Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO darstellt. Die Entscheidung ist grundsätzlich interessant – die Leitsätze:

a) Besteht aufgrund einer abstrakt-generellen Regelung ein Anspruch auf eine Sonderzahlung, stellt dies nur dann eine Erschwerniszulage dar, wenn der Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgegrenzt ist, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen.

b) Eine gesetzliche Regelung, die allen zumindest an einem Tag in einem bestimmten Zeitraum beschäftigten Besoldungsempfängern eines Landes einen Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung einräumt, stellt keine Erschwerniszulage dar.

Siehe auch die PM des Gerichts zur Entscheidung und auch BAG zur (Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung

BGH: kein vereinfachter Vollstreckungsantrag der F. OHG aus Titeln der F. GbR

Die Entscheidung des BGH, Beschluss vom 10. Mai 2023 – VII ZB 23/22 kommt sehr formal daher, sollte aber mit Blick auf die Beteiligten (“F. GbR” bzw. “F. OHG”) bekannt sein. Der amtliche Leitsatz:

Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet, weil sie dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Parteiidentität mit der Titelgläubigerin zweifelsfrei nachweisen muss.

Die die Parteiidentität belegenden Urkunden müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens gemäß § 829a ZPO aus.

Siehe auch Zwangsvollstreckung der FKH OHG aus Titeln der FKH GbR: BGH weist Rechtsbeschwerde zurück

Bundesverfassungsgericht zum Schutz vor Wohnungsräumung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit

Hier der Hinweis auf eine lesenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2023, 2 BvR 1507/22. Zwar wurde die Verfassungsbeschwerde eines Schuldners nicht zur Entscheidung angenommen; dies aber deshalb, weil die Räumung der Wohnung schon vollzogen war.

Das Gericht macht aber deutlich, dass die die Entscheidung der Fachgerichte, dem Schuldner / Mieter ohne weitere Ermittlungen Vollstreckungsschutz zu verwehren, verfassungsrechtlich bedenklich war. Dazu führte es aus (Rn. 39f, 44, 47; Listendarstellung durch uns):

  • Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen
    • Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
    • Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen

    BGH: Naturalunterhalt ist dem Barunterhalt bei § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO gleichwertig

    Hier der Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 15.3.2023 zum VII ZB 68/21. Die Leitsätze:

    1. Der Schuldner, der einem dem pfändenden Gläubiger gleichstehenden minderjährigen Kind keinen Barunterhalt, sondern Naturalunterhalt leistet, kann wie ein Barunterhalt leistender Schuldner die Heraufsetzung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO verlangen.

    2. Das den notwendigen Unterhalt des Schuldners übersteigende Einkommen ist zum Zwecke der Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander zu quoteln.

    Vgl. auch die Darstellung unter beck.de