Insolvenzverfahren
LG Ellwangen zur Zusammenrechnung von Einkommen nach § 850e Nr. 2 ZPO
Hier der Hinweis auf LG Ellwangen, 19.04.2024 – 1 T 27/24. Der Leitsatz lautet: Eine Zusammenrechnung von Einkünften des Insolvenzschuldners aus selbstständiger Tätigkeit mit denen aus abhängiger Beschäftigung findet nach § 850e Nr. 2 ZPO nicht statt.
Damit ist das Wesentliche auch schon festgestellt. Dennoch empfiehlt sich die Kenntnis der Entscheidung, das sie das Zusammenspiel von selbständiger Tätigkeit und nichtselbständiger Tätigkeit und das Insolvenzverfahren beleuchtet, was ja immer mal wieder Thema ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2022 – IX ZB 48/21, und auch BGH, 12.4.2018, IX ZB 60/16).
ZSB Stuttgart – Erfahrungsaustausch mit dem Insolvenzgericht
Die ZSB Stuttgart trifft sich regelmäßig mit dem Insolvenzgericht zu einem Erfahrungsaustausch. Hierbei werden gegenseitig offene Fragen der Zusammenarbeit erörtert, die auch fachlicher Natur sind. Einige Inhalte sind für alle Beratungskräfte interessant, die auch Insolvenzberatung anbieten. Unter https://infodienst-schuldnerberatung.de/sonstiges/zsb-stuttgart-erfahrungsaustausch-insolvenz ist ein Auszug aus den zuletzt erörterten Themen (April 2024) nachzulesen.
Stellungnahme zur Evaluation Verkürzung des Insolvenzverfahrens und Positionierung zur Verstrickung im Insolvenzverfahren der AG SBV
Die AG SBV hatte die Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf die Evaluation zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. In der Stellungnahme begrüßt die AG SBV die Verkürzung des Insolvenzverfahrens und nimmt u.a. zu folgenden Punkten Stellung: Beobachtungen zur Entwicklung des Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhaltens der Verbraucher*innen Eine Einschätzung zu den Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 07. […]
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ZSB Stuttgart – Erfahrungsaustausch Insolvenz
OLG Karlsruhe zur Unterhaltsforderung als ausgenommener Forderung (§ 302 InsO)
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 04.01.2023 – 18 WF 181/22 sollte Schuldnerberater:innen bekannt sein. Das Gericht hat sich zur Frage, wie festgestellt wird, dass eine Unterhaltsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist (§ 302 InsO), wie folgt geäußert (Rn 31ff.):
„(…) Da der Unterhaltsanspruch rechtskräftig tituliert wurde, ist allein die Frage zu klären, ob der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig den von ihm geschuldeten Unterhalt nicht gewährt hat. Denn anders als bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 302 InsO am 01.07.2014 ist Gegenstand des Insolvenzverfahrens und des vorliegenden Rechtsstreits nicht ein Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB, sondern die titulierte Unterhaltsforderung selbst und deren vorsätzlich pflichtwidrige Nichterfüllung.
Ergibt die insoweit notwendige Prüfung, dass der Antragsteller unverschuldet tatsächlich nicht in der Lage war, die verfahrensgegenständliche Forderung zu erfüllen, kann die unterbliebene Unterhaltszahlung nicht als vorsätzlich pflichtwidrig im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO bewertet werden (MüKo/Stephan, InsO, 4. Auflage 2020, § 302 Rn. 28).
Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt
Hier der Hinweis auf den Beitrag „Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt“ von Helge Hildebrandt.
Anlässlich einer aktuellen Entscheidung des Amtsgericht Kiel, Beschluss vom 20.03.2024, 7 XI 387/24, die auf der Seite heruntergeladen werden kann, werden grundsätzliche Hinweise zum Thema gegeben.
Siehe auch Wiebke Wilhelms Beitrag „Beratungshilfe für den außergerichtlichen Einigungsversuch“ unter InsbürO 2024, 76.
Zahl der Verbraucherinsolvenzen in 2023 nur minimal gestiegen
Mit heutiger Pressemitteilung Nr. 103 hat das Statistische Bundesamt die Insolvenzzahlen für 2023 bekannt gegeben.
Aus der Tabeller 52411 (Insolvenzen), Nummer -0082, ergeben sich folgende Eröffnungszahlen bezüglich der Verbraucherinsolvenzen:
2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|
Verbraucher | 78.615 | 65.487 | 66.152 |
ehemals Selbständige mit vereinfachtem Verfahren | 9.913 | 9.006 | 9.249 |
Summe | 88.528 | 74.493 | 75.401 |
Prozent (2021 = 100) | 100 | 84,15 | 85,17 |
Im Vergleich zu 2022 sind die Verbraucherinsolvenzen nur um 1,22 % gestiegen. Die Zahl der erfolgreichen gerichtlichen Schuldenbereinigungspläne ist weiter gesunken: in 2023 gab es davon lediglich 601 (Vorjahr 821).
Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot
Das kommt auch nicht alle Tage vor. Am 13.12.2023 hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen (2 BvR 2204/21), dass der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2021, 330 T 54/20, die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes verletze und daher aufzuheben sei.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liest sich wie eine gehörige Klatsche. Daraus:
“Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. (…9
So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Landgerichts ist schlechterdings unhaltbar. Die tragende Erwägung, auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Insolvenzantrags komme es nicht an, sofern nur zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Insolvenzgrund tatsächlich gegeben sei, verkennt die Bedeutung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, deren Zusammenspiel mit § 16 InsO und den Prüfungsumfang des Gerichts in nicht mehr nachvollziehbarer Weise. Sie ist damit unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.
Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzantrag (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dieser muss zulässig und begründet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 – IX ZB 214/05 -, juris, Rn. 6, 13). Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, setzt die Zulässigkeit desselben gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Begründet ist der Insolvenzantrag, wenn gemäß § 16 InsO ein Eröffnungsgrund gegeben ist, im Falle eines Gläubigerantrags also Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) zur Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Eröffnung vorliegen (vgl. BGHZ 169, 17 <20 Rn. 8>). (…)
BGH zur Abführungspflicht eines selbständig tätigen Schuldners, von dem eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann
Der BGH hat am 12.10.2023 unter dem Aktenzeichen IX ZR 162/22 eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Sie betrifft Konstellationen, die nicht täglich vorkommen, aber wenn doch, sollten diese Leitsätze bekannt sein:
- Übt der Schuldner eine vom Insolvenzverwalter freigegebene selbständige Tätigkeit tatsächlich aus, hat er die Gläubiger auch dann so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung steht oder stehen kann, sofern er aus der selbständigen Tätigkeit einen Gewinn erzielt.
- Bei der Festlegung der Höhe des sich nach dem fiktiven Nettoeinkommen zu bestimmenden Abführungsbetrags ist bei einem Schuldner, von dem wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Schuldner überobligatorisch selbständig tätig ist.
Rn 16: Für einen Schuldner, der dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung steht oder stehen kann, hat dies zur Folge, dass er nicht gegen die Erwerbsobliegenheit verstößt, wenn er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und daher auch keine Zahlungen leisten kann. Übt der Schuldner aber gleichwohl eine selbständige Tätigkeit aus, ist er mithin überobligatorisch tätig, entspricht es der Zielrichtung des § 35 InsO, die Gläubiger an diesen Einkünften und Gewinnen teilhaben zu lassen. (…)