OLG Karlsruhe zur Unterhaltsforderung als ausgenommener Forderung (§ 302 InsO)

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 04.01.2023 – 18 WF 181/22 sollte Schuldnerberater:innen bekannt sein. Das Gericht hat sich zur Frage, wie festgestellt wird, dass eine Unterhaltsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist (§ 302 InsO), wie folgt geäußert (Rn 31ff.):

„(…) Da der Unterhaltsanspruch rechtskräftig tituliert wurde, ist allein die Frage zu klären, ob der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig den von ihm geschuldeten Unterhalt nicht gewährt hat. Denn anders als bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 302 InsO am 01.07.2014 ist Gegenstand des Insolvenzverfahrens und des vorliegenden Rechtsstreits nicht ein Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB, sondern die titulierte Unterhaltsforderung selbst und deren vorsätzlich pflichtwidrige Nichterfüllung.

Ergibt die insoweit notwendige Prüfung, dass der Antragsteller unverschuldet tatsächlich nicht in der Lage war, die verfahrensgegenständliche Forderung zu erfüllen, kann die unterbliebene Unterhaltszahlung nicht als vorsätzlich pflichtwidrig im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO bewertet werden (MüKo/Stephan, InsO, 4. Auflage 2020, § 302 Rn. 28).

Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt

Hier der Hinweis auf den Beitrag „Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt“ von Helge Hildebrandt.

Anlässlich einer aktuellen Entscheidung des Amtsgericht Kiel, Beschluss vom 20.03.2024, 7 XI 387/24, die auf der Seite heruntergeladen werden kann, werden grundsätzliche Hinweise zum Thema gegeben.

Siehe auch Wiebke Wilhelms Beitrag „Beratungshilfe für den außergerichtlichen Einigungsversuch“ unter InsbürO 2024, 76.

Zahl der Verbraucherinsolvenzen in 2023 nur minimal gestiegen

Mit heutiger Pressemitteilung Nr. 103 hat das Statistische Bundesamt die Insolvenzzahlen für 2023 bekannt gegeben.

Aus der Tabeller 52411 (Insolvenzen), Nummer -0082, ergeben sich folgende Eröffnungszahlen bezüglich der Verbraucherinsolvenzen:

202120222023
Verbraucher78.61565.48766.152
ehemals Selbständige mit vereinfachtem Verfahren9.9139.0069.249
Summe88.52874.49375.401
Prozent (2021 = 100)10084,1585,17

Im Vergleich zu 2022 sind die Verbraucherinsolvenzen nur um 1,22 % gestiegen. Die Zahl der erfolgreichen gerichtlichen Schuldenbereinigungspläne ist weiter gesunken: in 2023 gab es davon lediglich 601 (Vorjahr 821).

Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot

Das kommt auch nicht alle Tage vor. Am 13.12.2023 hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen (2 BvR 2204/21), dass der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2021, 330 T 54/20, die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes verletze und daher aufzuheben sei. 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liest sich wie eine gehörige Klatsche. Daraus:

“Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. (…9

So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Landgerichts ist schlechterdings unhaltbar. Die tragende Erwägung, auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Insolvenzantrags komme es nicht an, sofern nur zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Insolvenzgrund tatsächlich gegeben sei, verkennt die Bedeutung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, deren Zusammenspiel mit § 16 InsO und den Prüfungsumfang des Gerichts in nicht mehr nachvollziehbarer Weise. Sie ist damit unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.

Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzantrag (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dieser muss zulässig und begründet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 – IX ZB 214/05 -, juris, Rn. 6, 13). Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, setzt die Zulässigkeit desselben gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Begründet ist der Insolvenzantrag, wenn gemäß § 16 InsO ein Eröffnungsgrund gegeben ist, im Falle eines Gläubigerantrags also Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) zur Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Eröffnung vorliegen (vgl. BGHZ 169, 17 <20 Rn. 8>). (…)

BGH zur Abführungspflicht eines selbständig tätigen Schuldners, von dem eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann

Der BGH hat am 12.10.2023 unter dem Aktenzeichen IX ZR 162/22 eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Sie betrifft Konstellationen, die nicht täglich vorkommen, aber wenn doch, sollten diese Leitsätze bekannt sein:

  1. Übt der Schuldner eine vom Insolvenzverwalter freigegebene selbständige Tätigkeit tatsächlich aus, hat er die Gläubiger auch dann so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung steht oder stehen kann, sofern er aus der selbständigen Tätigkeit einen Gewinn erzielt.
  2. Bei der Festlegung der Höhe des sich nach dem fiktiven Nettoeinkommen zu bestimmenden Abführungsbetrags ist bei einem Schuldner, von dem wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Schuldner überobligatorisch selbständig tätig ist.

Rn 16: Für einen Schuldner, der dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung steht oder stehen kann, hat dies zur Folge, dass er nicht gegen die Erwerbsobliegenheit verstößt, wenn er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und daher auch keine Zahlungen leisten kann. Übt der Schuldner aber gleichwohl eine selbständige Tätigkeit aus, ist er mithin überobligatorisch tätig, entspricht es der Zielrichtung des § 35 InsO, die Gläubiger an diesen Einkünften und Gewinnen teilhaben zu lassen. (…)

EuGH und Schufa I: Speicherdauer Erteilung der Restschuldbefreiung

Der EuGH hat heute entschieden, C-26/22 und C-64/22| SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung): “In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.

Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.”

Quelle: PM des Gerichts

BGH zur Prüfpflicht des Insolvenzverwalters bezüglich Schuldnerkonten

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21 – Leitsätze:

  1. Der Insolvenzverwalter hat die ihm bekannten Konten der Hausbank des Schuldners innerhalb eines angemessenen Zeitraums darauf zu überprüfen, ob ihm die Kontounterlagen vollständig vorliegen und die Kontounterlagen Anhaltspunkte für anfechtungsrelevante Vorgänge enthalten.
  2. Grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter seine Ermittlungspflichten in besonders schwerer, auch subjektiv vorwerfbarer Weise vernachlässigt hat.
  3. Hinsichtlich eines in den Drei-Monats-Zeitraums der Deckungsanfechtung fallenden Anfechtungstatbestandes liegt regelmäßig grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Insolvenzverwalter die Überprüfung der ihm bekannten von der Hausbank des Schuldners geführten Konten für mehr als drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlässt und sich ihm aufgrund der aus den Kontounterlagen erkennbaren Zahlungsvorgänge und der ihm bekannten sonstigen Tatsachen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

LG Kassel zur Kündigungsabfindung  im Insolvenzverfahren

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des LG Kassel, 12.06.2023 – 3 T 276/22. Daraus:

“Zu der Vorschrift des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass die einmalige Abfindung anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis von der Abtretung der „Bezüge aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis“ erfasst wird, weil ansonsten die während der Wohlverhaltensphase vorgesehene Bedienung der Gläubiger aus den pfändbaren Arbeitseinkünften des Schuldners leicht zu umgehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09). Die Vorschriften der §§ 850 ff ZPO finden daher Anwendung; konkret unterfällt die verfahrensgegenständliche Kündigungsabfindung dem Anwendungsbereich des § 850 i Abs. 1 ZPO.

Nach § 850 i Abs. 1 ZPO ist dem Schuldner während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als im verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Zweck des § 850 i ZPO ist die Gleichbehandlung aller Einkunftsarten des Schuldners. Zu belassen ist ihm daher so viel, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts bei einem Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn verbleiben würde, was sich nach den §§ 850 ff. ZPO, d. h. unter anderem bei der Vollstreckung von gewöhnlichen Geldforderungen nach § 850 c ZPO bestimmt (LG Wuppertal, Beschluss vom 15.01.2019 – 16 T 235/17; LG Bochum, Beschluss vom 18.08.2010 – I-7 T 433/0 9,7 T 433/09).

Es kommt vorliegend, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht darauf an, wofür die Abfindungszahlung geleistet worden ist; es ist also nicht entscheidend, ob die Abfindungszahlung die lange Betriebszugehörigkeit des Beschwerdeführers widerspiegeln soll. Davon abgesehen gehört eine Kündigungsabfindung – wie die vorliegende – zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, weil sie gerade wegen seiner Beendigung vom Arbeitgeber gezahlt wird; sie dient – wie sonstige Geldleistungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis – der Sicherung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.1991 – 4 AZR 39/91) und soll regelmäßig ein Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des verlorenen sozialen Besitzstandes sein (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09).