EuGH und Schufa I: Speicherdauer Erteilung der Restschuldbefreiung

Der EuGH hat heute entschieden, C-26/22 und C-64/22| SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung): “In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.

Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.”

Quelle: PM des Gerichts

BGH zur Prüfpflicht des Insolvenzverwalters bezüglich Schuldnerkonten

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21 – Leitsätze:

  1. Der Insolvenzverwalter hat die ihm bekannten Konten der Hausbank des Schuldners innerhalb eines angemessenen Zeitraums darauf zu überprüfen, ob ihm die Kontounterlagen vollständig vorliegen und die Kontounterlagen Anhaltspunkte für anfechtungsrelevante Vorgänge enthalten.
  2. Grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter seine Ermittlungspflichten in besonders schwerer, auch subjektiv vorwerfbarer Weise vernachlässigt hat.
  3. Hinsichtlich eines in den Drei-Monats-Zeitraums der Deckungsanfechtung fallenden Anfechtungstatbestandes liegt regelmäßig grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Insolvenzverwalter die Überprüfung der ihm bekannten von der Hausbank des Schuldners geführten Konten für mehr als drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlässt und sich ihm aufgrund der aus den Kontounterlagen erkennbaren Zahlungsvorgänge und der ihm bekannten sonstigen Tatsachen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

LG Kassel zur Kündigungsabfindung  im Insolvenzverfahren

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des LG Kassel, 12.06.2023 – 3 T 276/22. Daraus:

“Zu der Vorschrift des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass die einmalige Abfindung anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis von der Abtretung der „Bezüge aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis“ erfasst wird, weil ansonsten die während der Wohlverhaltensphase vorgesehene Bedienung der Gläubiger aus den pfändbaren Arbeitseinkünften des Schuldners leicht zu umgehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09). Die Vorschriften der §§ 850 ff ZPO finden daher Anwendung; konkret unterfällt die verfahrensgegenständliche Kündigungsabfindung dem Anwendungsbereich des § 850 i Abs. 1 ZPO.

Nach § 850 i Abs. 1 ZPO ist dem Schuldner während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als im verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Zweck des § 850 i ZPO ist die Gleichbehandlung aller Einkunftsarten des Schuldners. Zu belassen ist ihm daher so viel, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts bei einem Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn verbleiben würde, was sich nach den §§ 850 ff. ZPO, d. h. unter anderem bei der Vollstreckung von gewöhnlichen Geldforderungen nach § 850 c ZPO bestimmt (LG Wuppertal, Beschluss vom 15.01.2019 – 16 T 235/17; LG Bochum, Beschluss vom 18.08.2010 – I-7 T 433/0 9,7 T 433/09).

Es kommt vorliegend, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht darauf an, wofür die Abfindungszahlung geleistet worden ist; es ist also nicht entscheidend, ob die Abfindungszahlung die lange Betriebszugehörigkeit des Beschwerdeführers widerspiegeln soll. Davon abgesehen gehört eine Kündigungsabfindung – wie die vorliegende – zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, weil sie gerade wegen seiner Beendigung vom Arbeitgeber gezahlt wird; sie dient – wie sonstige Geldleistungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis – der Sicherung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.1991 – 4 AZR 39/91) und soll regelmäßig ein Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des verlorenen sozialen Besitzstandes sein (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09).

BGH zur Haftung des Treuhänders

Hier der Hinweis auf BGH, 16.03.2023 – IX ZR 150/22 mit den Leitsätzen:

  1. Wird dem Schuldner rechtskräftig vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt, steht das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung erwirbt, ihm auch dann zu, wenn das Insolvenzverfahren vor Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden ist; diesen Neuerwerb hat der Treuhänder bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Schuldners weiter einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben (Fortführung von BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 ff).
  2. Kehrt der Treuhänder den von ihm nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung eingezogenen Neuerwerb an die Gläubiger aus statt ihn nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben, so hat er insoweit persönlich dem Schuldner Schadensersatz zu leisten.

Dabei geht es zum einen um

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung schlägt Fonds zur Vermeidung von Privatinsolvenzverfahren vor

Umdenken bei Privatinsolvenzen als win:win für Gläubiger, Staat und Schuldner

In Deutschland könnten mit mehr außergerichtlichen Einigungen viele Insolvenzverfahren vermieden werden. Dies würde einerseits die Justiz erheblich entlasten und andererseits psychische, physische und finanzielle Auswirkungen der Überschuldung abmildern. „Während aus wirtschaftlicher Sicht viele Gläubiger ohnehin zum größten Teil auf ihre Forderungen verzichten, können die Kosten des Verfahrens für die Justiz bestehen bleiben. Eine außergerichtliche Einigung kann hier helfen“, betonte die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) zum Auftakt ihrer Jahrestagung in Freiburg. Die Tagung mit 520 Teilnehmenden ist die größte Veranstaltung, die es zur Sozialen Schuldnerberatung in Deutschland bisher gab.

Bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung entstehen hohe Kosten für das Bundesland – etwa 2.500 Euro pro Verfahren. Die BAG-SB plädierte nun für die Einrichtung eines Fonds, mit dem außergerichtliche Einigungen sowohl für die Gläubiger wie auch für den Staatshaushalt deutlich attraktiver werden.

Konkret schlägt der Verband vor,

Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück

Das kommt wahrlich nicht oft in der Sozialen Schuldnerberatung vor. Aber dem BGH war es eine Pressemitteilung wert:

Der unter anderem für Rechtsbeschwerden in Grundbuchsachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungsberechtigen Grundstückseigentümers von dem Insolvenzverwalter gelöscht werden kann. – BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21

Quelle: PM des BGH

Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts

Es gibt einen “Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM(2022) 702 final)” (= BR-Drs. 25/13). Artikel 1 sieht vor:

Diese Richtlinie enthält gemeinsame Vorschriften über

  1. Anfechtungsklagen;
  2. die Aufspürung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerten;
  3. Pre-pack-Verfahren;
  4. die Pflicht der Unternehmensleitung, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen;
  5. vereinfachte Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen;