AG Esslingen zur Ablehnung der Versagung der Restschuldbefreiung wegen Unverhältnismäßigkeit

Der infodienst-schuldnerberatung.de weist auf die Entscheidung Amtsgericht Esslingen, 13 IN xxx/20, Beschluss vom 28.10.2021 hin und hat diese online gestellt. Daraus (Listendarstellung von uns):

  • Die Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO verletzt der Schuldner, wenn er keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt. Ist der Schuldner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage Vollzeit zu arbeiten, darf ihm das nicht zum Nachteil gereichen, wobei er jedoch verpflichtet ist, wenn möglich, seine vollständige Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. 
  • Durch die Verletzung der Erwerbsobliegenheit muss die Befriedigung der Gläubiger konkret beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung liegt auch dann vor, wenn die vom Schuldner nicht abgeführten Beträge lediglich zur (teilweisen) Deckung der Verfahrenskosten ausreichen.
  • Eine unwesentliche Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten führt nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung (Verbot des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB). Ein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn an geringfügige Fehler und Verstöße vergleichsweise weittragende Rechtsfolgen geknüpft werden. Die Möglichkeit der Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben erlaubt es, übermäßige Härten zu vermeiden. Eine Versagung der Restschuldbefreiung stünde in keinem angemessenen Verhältnis zum begangenen Verstoß, wenn dieser betragsmäßig nur ganz geringe Nachteile ausgelöst hat.

SCHUFA meldet: Restschuldbefreiung bei 250.000 Personen gelöscht

Aus einer PM der SCHUFA vom 26.4.2023: “Am 28. März 2023 hat die SCHUFA die Entscheidung getroffen, Informationen zu einer Restschuldbefreiung nur noch sechs Monate statt drei Jahre zu speichern und diese neue Speicherfrist bis Ende April umzusetzen. Wie angekündigt [Anmerkung: vgl. unsere Meldung hier] hat die SCHUFA die technischen Anpassungen innerhalb von vier Wochen vorgenommen. Bei rund 250.000 Personen wurden die Daten zur erteilten Restschuldbefreiung, wenn sie älter als sechs Monate waren, und alle mit der Restschuldbefreiung erlassenen Schulden, mittlerweile gelöscht. Verbraucherinnen und Verbraucher mussten hierzu nicht aktiv werden. Lediglich Neuschulden, die nicht durch die Restschuldbefreiung erlassen wurden, bleiben weiterhin bestehen. Zudem hat die SCHUFA den persönlichen SCHUFA-Basisscore auf Grundlage der aktuellen Datenlage neu berechnet.

Das neue Verfahren läuft ab sofort im Regelbetrieb: Informationen zu einer Restschuldbefreiung und die hiervon erfassten Schulden werden automatisch gelöscht, wenn die Speicherdauer von sechs Monaten erreicht wird. (…)

Warum hat die SCHUFA die Speicherdauer für die Restschuldbefreiung verkürzt? Die SCHUFA hat diese Entscheidung getroffen, um schneller Klarheit für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, denn mit der Frage, wie lange Informationen zur Restschuldbefreiung gespeichert werden dürfen, beschäftigen sich aktuell der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH möchte eine Klärung durch den EuGH abwarten.

Keine Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheiten bei unwesentlicher Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten

Amtsgericht Esslingen: Keine Versagung der Restschuldbefreiung wenn den Schuldner kein Verschulden trifft oder wenn die Versagung der Restschuldbefreiung unverhältnismäßig oder rechtsmissbräuchlich wäre.

BGH zur Abführungspflicht des selbständig tätigen Insolvenzschuldners

BGH, Beschluss vom 29. September 2022 – IX ZB 48/21 – Leitsatz

Hat der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners freigegeben und erzielt der Schuldner zusätzlich Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung, kann das Insolvenzgericht nicht anordnen, dass der unpfändbare Betrag in erster Linie den Einkünften des Schuldners aus seiner selbständigen Tätigkeit oder den fiktiven Einkünften aus dem angemessenen Dienstverhältnis zu entnehmen ist.

§ 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO a.F.

AG Hamburg: Energiepreispauschale ist nicht von der Abtretung nach § 287 InsO erfasst

Mit Beschluss vom 5.10.2022, 67g IN 106/20, hat das Amtsgericht Hamburg entschieden:

[Es] wird der Antrag des Schuldners vom 28.09.2022 auf Anordnung der Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale zurückgewiesen.

Gründe: Das Insolvenzhauptverfahren ist am 07.10.2021 aufgehoben worden. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Schuldner in der sog. Wohlverhaltensperiode.

Da es sich bei der Energiepreispauschale nicht um Arbeitslohn handelt, ist diese Zahlung nicht von der Abtretung nach § 287 InsO erfasst. Der Treuhänder hat keinen Anspruch auf Auszahlung dieser Prämie. Der Antrag des Schuldners geht somit ins Leere. 

Der Beschluss als Scan. Achtung: hierbei handelt es sich um die Energiepreispauschale nach §§ 112ff EStG (hierzu etwa AG Norderstedt), nicht um die Pauschale für Rentner:innen (RentEPPG).

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde betreffend Restschuldbefreiung wegen Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Übergangsvorschrift

Hier der Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2022, 2 BvR 1154/21.

Rz. 27: Das Landgericht hat mit Art. 103h EGInsO eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt und entgegen dem eindeutigen Wortlaut von § 290 Abs. 1 InsO a.F. eine schriftliche Antragstellung der Gläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung zugelassen, ohne dafür eine nachvollziehbare Begründung zu geben. (mehr …)

OLG Schleswig bestätigt seine Rechtsprechung, nach welcher die Schufa die Daten eines Insolvenzschuldners nicht länger verarbeiten darf als sie im „Insolvenzbekanntmachungsportal“ veröffentlicht werden dürfen

Aus einer PM des OLG Schleswig: “Der 17. Zivilsenat hält daran fest, dass dem Insolvenzschuldner regelmäßig ein Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG zusteht, wenn diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet als in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen. Auch bei der Berechnung eines Score-Wertes darf die Schufa die Daten zum Insolvenzverfahren danach nicht mehr berücksichtigen. (mehr …)