Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Mai 2017, 1 VB 5/17. Daraus: “ Eine Gehörsverletzung käme dementsprechend nur in Betracht, wenn die Regelung des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO oder seine Auslegung durch das Amtsgericht nicht mit Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG zu vereinbaren wäre. Ob die bundesgesetzliche Regelung des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, unterliegt aber schon nicht der Beurteilung des Verfassungsgerichtshofs, der als Landesverfassungsgericht über das Landesrecht wacht. (…) Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG ist aber nur denkbar, wenn das Amtsgericht derart übertriebene Anforderungen gestellt hätte, dass die Zurückweisung keine Stütze im Gesetz mehr fände. Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor.“
Insolvenzverfahren
LG Duisburg: Keine Vollstreckung von Geldbußen während eines Insolvenzverfahrens
Aus dem Beschluss des LG Duisburg vom 5.7.17 -69 Qs 22/17:
„Die Anordnung der Erzwingungshaft nach § 96 OWiG ist ferner eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO. Sie ist ein Beugemittel, mit dem die Zahlung der Geldbuße gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen erzwungen werden soll. (mehr …)
AG Norderstedt: Anmeldung einer Deliktsforderung muss Mindestanforderungen erfüllen
Das AG Norderstedt hat sich mit Beschl. v. 6. 6. 2017, 65 IK 29/17, dem AG Köln (hierzu unsere Meldung vom 16.5.2017) angeschlossen:
Eine Delikts-Forderungsanmeldung, die eine „unerlaubte Handlung“ unterstellt und den zu Grunde liegenden Sachverhalt lediglich schlagwortartig ganz oberflächlich schildert (hier:“ Unerlaubte Handlung (Betrug) vom…“ ), erfüllt für eine Eintragung des Deliktscharakters in der Tabelle die Mindestanforderungen nicht.
Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich des behaupteten Deliktscharakters nicht die Mindestanforderungen, ist die nicht ordnungsgemäße Forderungsanmeldung durch das Insolvenzgericht zurückzuweisen und der Deliktscharakter nicht in die Tabelle aufzunehmen (Anschluss AG Köln, 7.4.2017, 71 IK 175/15).
Zur Glaubhaftmachung einer Steuerforderung für Insolvenzantrag des Finanzamtes
AG Köln, Beschl. v. 02.05.2017 – 72 IN 344/16 – Leitsätze des Gerichts
- Bezieht sich das antragstellende Finanzamt zur Glaubhaftmachung seiner Forderungen nach § 14 Abs. 1 S. 1 InsO auf einen vollziehbaren Steuerbescheid, so reicht es zur Gegenglaubhaftmachung nicht aus, wenn die Schuldnerin vorträgt, der Steuerbescheid sei zu Unrecht ergangen, weil er auf willkürlicher Schätzung beruhe.
- Wird der zulässige Eröffnungsantrag des Finanzamtes nach Zahlung der Steuerrückstände übereinstimmend für erledigt erklärt, sind die Kosten des Verfahrens gem. § 4 InsO i.V.m. § 91a ZPO der Schuldnerin unabhängig vom Ausgang eines finanzgerichtlichen Verfahrens jedenfalls dann aufzuerlegen, wenn die Schuldnerin bis zur Zahlung des Steuerrückstandes im finanzbehördlichen Verfahren unterlegen ist und sie vor dem Finanzgericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit des antragsgegenständlichen Steuerbescheides gestellt hat.
Klage gegen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Das Verhältnis zwischen Verwaltungsrecht und Insolvenzrecht ist immer wieder spannend – siehe etwa: SG München: Behörde darf Insolvenzforderung nicht per Verwaltungsakt geltend machen. Nun hat das Hamburgisches Oberverwaltungsgericht am 07.06.2017 unter dem AZ 3 Bf 96/15 beschlossen:
Wird ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid angefochtenen, so wird das Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 240 Satz 1 ZPO insoweit unterbrochen, als es die Anfechtung der Rückforderung zum Gegenstand hat. Auf die Anfechtung der Aufhebung von Verwaltungsakten erstreckt sich die Unterbrechung demgegenüber nicht.
Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren
Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren wurde veröffentlicht: BGBl. I S. 1476. Soweit die InsO betroffen ist, gibt es die Synopse bei http://www.buzer.de. Zum Vorgang selbst siehe die Darstellung unter JURIS. Siehe auch unsere Meldung vom 3.5.2017.
VID: Neuer Schlichter in Insolvenzverfahren
Der Verband lnsolvenzverwalter Deutschlands meldet: „Seit 1. Juli 2017 ist RiAG a. D. Rudolf Voß neuer Ombudsmann des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre, eine Verlängerung ist nicht möglich.
Im Konfliktfall mit Insolvenzverwaltern können sich Gläubiger aber auch Schuldner an den Ombudsmann des VID wenden. Dies jedoch nur dann, wenn der Verwalter Mitglied des VID* ist. Der Ombudsmann wirkt lediglich vermittelnd. Häufige Ursache für Beschwerden sind Probleme in der Kommunikation.“
Zur Zwangsvollstreckung eines Neugläubigers zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Ende der Abtretungsfrist
Hier der Hinweis auf AG Dortmund, Beschl. v. 8. 11. 2016 – 257 IN 36/13.
Daraus: „Danach ist die Einzelvollstreckung für Insolvenzgläubiger in der Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Ende der Abtretungsfrist unzulässig. Neugläubiger, deren Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist, können aber auf das nicht auf den Treuhänder übertragene Vermögen vollstrecken, soweit dieses pfändbar ist (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 294 Rn. 4). (…)
Da der Insolvenzverwalter den Neuerwerb aus dem von der Schuldnerin betriebenen Unternehmen aus dem Insolvenzbeschlag gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegeben hatte, gab es auch theoretisch Vermögen, das nicht auf den Treuhänder übertragen war. Die Beteiligte zu 1. durfte also die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betreiben.“
vgl. BGH, 09.02.2012 – IX ZR 75/11
AG Düsseldorf zur Ermäßigung der Vergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 13 InsVV)
AG Düsseldorf, 20.03.2017 – 513 IK 22/16 – daraus:
„Für den im Verbraucherinsolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter reduziert sich die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 S.1 InsVV gem. § 13 InsVV auf 800,– EUR, wenn die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden sind. (…) Was der Gesetzgeber mit „Unterlagen erstellt“ meint, ist allerdings auslegungsbedürftig (so LG Stuttgart, 10 T 517/15, Rdn. 15 – zitiert nach juris-). (…)
Ob die Vordrucke stets maschinenschriftlich ausgefüllt sein müssen, kann vorliegend dahinstehen, da zumindest die Anlage 6 und 7 maschinenschriftlich vorgelegt worden sind, Letzteres gibt ein Indiz für ein „Erstellen“ i.S.v. § 13 InsVV. (…)
Ist wie vorliegend jedoch die Scheiterungsbescheinigung von einer der Verbände oder Mitgliedsorganisationen der freien Wohlfahrtspflege, Kirchen, Gemeinden angehörigen Stelle oder einer Verbraucherzentrale ausgestellt worden, ist (mehr …)
BGH: keine Sperrfrist bei Aufhebung der Kostenstundung im Erstverfahren wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten
Pflichtlektüre! – Der BGH hat am 4. Mai 2017 – IX ZB 92/16 – beschlossen – Leitsätze des Gerichts:
- Der Schuldner kann ohne Einhaltung einer Sperrfrist einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, wenn in einem vorausgegangenen Insolvenzverfahren die Kostenstundung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten aufgehoben und das Insolvenzverfahren sodann mangels Masse eingestellt worden ist.
- Der Schuldner handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er nach Aufhebung der Kostenstundung und Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ohne Einhaltung einer Sperrfrist erneut einen Antrag auf Kostenstundung für ein neues Insolvenzverfahren stellt, auch wenn die Aufhebung der Kostenstundung darauf beruht, dass er seine Mitwirkungspflichten verletzt hat.
Vorinstanzen: AG Stralsund, Entscheidung vom 31.05.2016 – 92 IK 102/16 – LG Stralsund, Entscheidung vom 15.08.2016 – 8 T 114/16 –