LSG Baden-Württemberg zum Krankengeld in der Insolvenz

Hier der Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2020, L 11 KR 4604/18, Leitsätze

  1. Die von einem Schuldner iR der Verbraucherinsolvenz nach § 287 Abs 2 InsO in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung abgegebene Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt und erfasst auch erst in Zukunft entstehende Ansprüche auf Krankengeld.
  2. Die für das Restschuldbefreiungsverfahren bestellte Treuhänderin kann den vom Schuldner abgetretenen pfändbaren Teil des Krankengeldes mit der allgemeinen Leistungsklage gegen die Krankenkasse geltend machen.
  3. Soweit die Klage der Treuhänderin erfolgreich ist, stehen ihr auch Prozesszinsen zu.
  4. Die Treuhänderin, die den pfändbaren Teil des Krankengeldes einklagt, ist nicht nach § 183 SGG kostenrechtlich privilegiert.

BGH zum Räumungsanspruchs des Vermieters in der Insolvenz

BGH, Urteil vom 17. September 2020 – IX ZR 62/19.

Rn. 11: Endet der Mietvertrag – wie im Streitfall – nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hat wegen des Räumungsanspruchs des Vermieters die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung grundsätzlich danach zu erfolgen, wann das Räumungsgut auf das Mietgrundstück verbracht worden ist. (mehr …)

AG Heilbronn: Gebühr für Vollstreckungsandrohung ist mit der Gebühr für anschließenden Vollstreckungsauftrag zu verrechnen

Hier der Hinweis auf eine Entscheidung des AG Heilbronn, 25.5.2020, 9 M 3821/20, für gebürenrechtliche Interessierte. Dies kann für die Prüfung von Kosten bedeutsam sein. Aus der Entscheidung:

“Die Vollstreckungsandrohung blieb vorliegend ohne Erfolg, sodass die Gebühr für diese (erfolglose) Vollstreckungsandrohung mit der Gebühr für den nachfolgenden, sich unmittelbar anschließenden Vollstreckungsauftrag zu verrechnen ist. Grund hierfür ist, dass die Vollstreckungsandrohung als solche keine eigene, sondern lediglich eine vorbereitende Maßnahme für den tatsächlichen Vollstreckungsauftrag ist (AG Strausberg, 22.1.2012, 11 M 2699/11). (mehr …)

EuGH: Anspruch auf SGB-II-Leistungen für schulpflichtige Kinder ehemaliger Arbeitnehmer*innen und ihre Eltern

Der EuGH meldet: “Ein früherer Wanderarbeitnehmer und seine Kinder, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des Schulbesuchs der Kinder zusteht, können nicht mit der Begründung, dass dieser Arbeitnehmer arbeitslos geworden ist, automatisch von nach dem nationalen Recht vorgesehenen Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgeschlossen werden” EuGH, Urteil vom 6.10.2020 in der Rechtssache C-181/19. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit c) SGB II ist europarechtswidrig und somit unanwendbar.

Zum Hintergrund (von Claudius Voigt, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V.):
Nach Art. 10 VO 492/2011 haben die Kinder einer Unionsbürgerin, die in Deutschland beschäftigt ist oder früher beschäftigt gewesen ist, das Recht, „unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teil(zu)­nehmen.“ Dies gilt auch dann, wenn der Elternteil die Arbeitnehmerinneneigenschaft mittlerweile verloren hat (mehr …)

Sozialhilfe: Keine Anrechnung von freiwilligen Motivationszulagen

RA Hildebrandt weist auf Bundessozialgericht, Urteil vom 12.07.2020, B 8 SO 27/18 R hin. Demnach sind Motivationszuwendungen für die Teilnahme an einer tagesstrukturierenden Maßnahme nicht auf die Sozialhilfe anzurechnen (“besondere Härte” im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB XII). Laut BSG, 17.09.2020, B 4 AS 3/20 R zum Regelungsbereich SGB II sei diese Frage aufgrund der „Erwerbszentriertheit des SGB II“ dort anders zu beantworten. – zur Meldung von RA Hildebrantdt unter sozialberatung-kiel.de.

LSG Baden-Württemberg zur Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung einer Geldforderung

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Beschluß vom 27.5.2020, L 3 AS 1168/20 ER-B folgende Leitsätze aufgestellt:

  1. Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben, wenn sich die antragstellende Person weder gegen die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung durch das Hauptzollamt, wofür nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO die Finanzgerichte zuständig sind, noch gegen die Art und Weise der Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO, wofür nach § 66 Abs. 4 SGB X die ordentlichen Gerichte zuständig sind, wendet, sondern – indem sie Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Verwaltungsakte selbst beziehungsweise eine Vollstreckung hieraus erhebt – eine Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Vollstreckung begehrt (mehr …)

Finanzgericht Bremen bewilligt PKH für Klage gegen die Ablehnung eines Billigkeitserlass bei Kindergeldrückforderung


Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 13. September 2018, III R 19/17 entschieden: “Allein der Umstand, dass zu Unrecht gewährtes Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet wurde, verpflichtet die Familienkasse nicht zu einem Billigkeitserlass der Rückforderung dieses Kindergelds.”

Diesbezüglich ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig (BVerfG 1 BvR 846/19).

Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss des FG Bremen vom 18.09.2020 – 2 K 108/20 (3) PKH [Scan] beachtenswert. Dort wurde für eine Klage gegen die Ablehnung des Erlasses eine Kindergeldrückforderung für Zeiten, in denen das nunmehr zurückgeforderte Kindergeld bereits auf Jobcenterleistungen angerechnet wurde, PKH bewilligt. (mehr …)

LSG Sachsen: Behörde hat Zugang von Meldeaufforderung nachzuweisen

Immer mal wieder ist streitig, ob ein Behördenschreiben beim Adressaten angekommen ist. Dann wird von Behördenseite gerne so argumentiert, dass das Schreiben angekommen sein müsse, weil es ja nicht zurückgekommen sei. Und was ist, wenn just nur der Zugang von “missliebigen Schreiben” streitig ist?

Hierzu hat das Sächsisches Landessozialgericht eine klare Entscheidung gefällt (Urteil vom 28.5.2020, L 3 AS 64/18, Scan), die in der Sozialen Beratung bekannt sein sollte:

  1. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Minderungsentscheidung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB ll ist, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmter Aufforderung zur Meldung (vgl. § 59 SGB ll i. V. m. § 309 Abs. 1 Satz 2, Abs, 2, 3 Satz 1 SGB III) bekannt gegeben wurde.
  2. Für den Umstand, dass eine Meldeaufforderung den Adressaten erreicht hat, trägt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB ll in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB X der Grundsicherungsträger die objektive Beweislast, wenn der Zugang der Aufforderung bestritten wird. (mehr …)

BGH: Die Hemmung nach § 497 Abs. 3 BGB greift auch für schon gekündigte Verbraucherdarlehen

Schlechte Nachrichten für Schuldner*innen: in der strittigen Frage der Verjährungshemmung eines gekündigten Verbraucherdarlehens (vgl. unsere Meldungen) hat sich der BGH wie folgt positioniert, BGH, 14.07.2020, XI ZR 553/19, Leitsatz 1:

Der Hemmungstatbestand des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB erfasst auch den Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2, § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Gesamtfälligstellung des Teilzahlungsdarlehens wegen Zahlungsverzugs (Senatsurteil vom 13. Juli 2010 – XI ZR 27/10, WM 2010, 1596 Rn. 8 ff., 11 ff.).

OLG Köln zu Prämien einer privaten Krankenversicherung nach Insolvenzeröffnung

Hier der Hinweis auf OLG Köln, Beschluss vom 19.2.2020, 9 U 233/19. Aus der Entscheidung:

“Dagegen handelt es sich bei den [erst] nach Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Versicherungsprämien weder um Insolvenzforderungen noch um Masseverbindlichkeiten mangels Erfüllungsverlangens des Insolvenzverwalters zur Masse, sondern vielmehr um Neuverbindlichkeiten (…). Dies hat zur Folge, dass die streitgegenständlichen Prämienansprüche der Kl. für den Zeitraum vom 1.1.2016 bis Januar 2019 einschließlich aufgrund ihrer Fälligkeit erst nach Insolvenzeröffnung und der deswegen fehlenden Massezugehörigkeit von der mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 15.3.2018 erteilten Restschuldbefreiung nicht erfasst sind. Anderes würde aber auch dann nicht gelten, wenn es sich bei diesen Prämienansprüchen um Masseverbindlichkeiten handeln würde, weil Masseforderungen keine Insolvenzforderungen iSd § 38 InsO sind und deshalb nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.”