LSG NRW hält die Aufrechnung von Mietkautionsdarlehen für rechtswidrig

„Der 7. Senat des LSG NRW (Urt. v. 29.06.2017 – L 7 AS 607/17) hält die Aufrechnung von Kautionsdarlehen für rechtswidrig, es gebe keinen finanziellen Spielraum in den Regelleistungen für KdU-Bedarfe, die Aufrechnung sei eine Kann-Entscheidung, entscheidend gegen die Anwendung der Aufrechnungsermächtigung auf Mietkautionsdarlehen sprächen systematische und teleologische Erwägungen unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Interpretation.

Damit hat das erste LSG eine ganz klare Position gegen Aufrechnung von Wohnungsbeschaffungskosten abgegeben. Das Urteil ist unter https://sozialgerichtsbarkeit.de zu finden.“

Quelle: Thomé-Newsletter vom 6.8.2017. Siehe auch Kampagne gegen verfassungswidrige Aufrechnung unterhalb des Existenzminimums und LSG Hamburg zur Darlehensgewährung für Mietkaution: „Fachanweisung der BASFI greift zu kurz“

LSG Hamburg zur Darlehensgewährung für Mietkaution: „Fachanweisung der BASFI greift zu kurz“

Das Landessozialgericht Hamburg hat im Urteil vom 23.2.2017 (L 4 AS 135/15) zur Fachanweisung zu § 22 Abs. 6 und 8 SGB II Gewährung und Rückforderung kommunaler Darlehen vom 14.09.2011 (Gz.: SI 233/111.10-3-8-1) ausgeführt:

„Der Darlehensbescheid vom 17. September ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Entscheidung über die Form der Kautionsgewährung kein Ermessen ausgeübt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Gemäß § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der hier anwendbaren Fassung vom 13. Mai 2011 soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Damit ist die Mietkaution im Regelfall als Darlehen zu gewähren, in atypischen Fällen hat der Leistungsträger hingegen ein Ermessen hinsichtlich der Form der Gewährung der Kaution. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass hier ein atypischer Fall vorgelegen hat, der dem Beklagten ein Ermessen eröffnete. (mehr …)

BSG: Betriebskostenübernahme auch für ehemalige Wohnung

RA Helge Hildebrandt weist auf der vorzüglichen Seite der https://sozialberatung-kiel.de auf BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 14 AS 13/16 R hin.

Aus dem Terminsbericht des BSG: „Grundsätzlich sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur die angemessenen, tatsächlichen Aufwendungen für die aktuell bewohnte Wohnung zu übernehmen, weil nur dies der Sicherung der Unterkunft dient. Nicht bezahlte Aufwendungen für frühere Wohnungen sind Schulden; diese werden nur ausnahmsweise übernommen (§ 22 Abs 8 SGB II).

Vorliegend ist jedoch eine Ausnahme zu machen, weil (mehr …)

„Überschuldete benötigen über ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten“

Im Jahr 2016 stand dem Gesamthaushalt einer überschuldeten Person, die bei einer Schuldnerberatungsstelle Hilfe suchte, durchschnittlich ein Nettoeinkommen von 1.274 Euro pro Monat zur Verfügung. Mit durchschnittlich 482 Euro machten die Kosten für die Wohnung einschließlich Energie- und Nebenkosten 38 % aus. Betrachtet man nur das eigene Einkommen des Schuldners von durchschnittlich 1.053 Euro, so machten die Wohnkosten sogar 46 % aus. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hatten sich die Wohnkosten im Vergleich zum Haushaltseinkommen im Jahr 2015 für die Gesamtbevölkerung lediglich auf gut 27 % belaufen. (mehr …)

Kampagne gegen verfassungswidrige Aufrechnung unterhalb des Existenzminimums

Wir als Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg e.V. unterstützen folgenden Aufruf:

Die Aufrechnung von darlehensweise erbrachten Mietkautionen und Genossenschaftsanteilen mit SGB-II-Leistungen ist nicht zulässig!

Nach Auffassung von Tacheles e.V. ist die Aufrechnung von Mietkautionen und Genossenschaftsanteilen nach § 42a Abs. 2 SGB II mit den SGB-II-Regelbedarfen verfassungswidrig. Der Erwerbslosenverein regt eine bundesweite Kampagne an, Leistungsberechtigte dabei zu unterstützen, sich gegen die durch Aufrechnungen verursachte Unterschreitung des Existenzminimums mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen. Da die Regelung auch bei der Sozialgerichtsbarkeit und in der Fachliteratur umstritten ist, sehen wir realistische Chancen, die Aufrechnung von Wohnungsbeschaffungsdarlehen mittelfristig mit Hilfe zahlreicher Klagen und einer politischen Kampagne zu Fall zu bringen.“

Zum ganzen Aufruf. Dort findet sich auch zahlreiches Material, wie Musterschreiben, oder einen Beitrag von Sophia Nguyen: Keine monatliche Aufrechnung bei Mietkautionsdarlehen (externer Link; SGb 2017, 202).

BGH: Die Mietkaution fällt nicht in die Insolvenzmasse, wenn der Verwalter die Erklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgegeben hat

BGH Beschl. vom 16.3.17-IX ZB 45/15 – Leitsatz:

Gibt der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners eine Enthaftungserklärung ab, wird der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigenden Mietkaution vom Insolvenzbeschlag frei.

Anmerkung RA Henning in seinem aktuellen InsO-Newsletter: „Heyers Frage  „Wem gehört die Mietkaution?“ in der ZInsO 2015, 1181 ist nun entschieden. Der BGH räumt mit dieser Entscheidung die nach seinen Entsch. vom 22.5.14 (-IX ZR 136/13-) und vom 9.10.14 (-IX ZA 20/14-) entstandenen Unsicherheiten aus. (mehr …)

Deutschlandweit erste interaktive Hilfe und Information zum Mieten und Wohnen für alle 700.000 Mieterhaushalte in Hamburg

„Als bundesweit erste Mieterorganisation des Deutschen Mieterbundes (DMB) bietet der MIETERVEREIN ZU HAMBURG ab sofort zu allen relevanten Mieter-Themen einen interaktiven Informationsdienst an, die sogenannten Online-Checks zum Mieten und Wohnen. Dieses neuartige Informationsangebot ist kostenlos und kann von allen Hamburger Mieterinnen und Mieter rund um die Uhr genutzt werden.

Die sieben Online-Checks finden Sie hier: online-checks.mieterverein-hamburg.de (mehr …)

LSG Niedersachsen-Bremen zum Anordnungsgrund bei Mietrückständen

Harald Thomé weist in seinen aktuellen Newsletter auf den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.12.2016, L 11 AS 953/16 B ER hin: Ein Anordnungsgrund ist nicht erst gegeben, wenn das Mietverhältnis durch  Mahnung, Kündigung oder Räumungsklage bedroht ist.

Dazu Thomé: „Eine Reihe von Sozialgerichten sehen bei Mietrückständen erst dann einen Anordnungsgrund (Grund zur Eilentscheidung) gegeben, wenn (mehr …)

BGH zur Rechtzeitigkeit der Mietzahlung („dritter Werktag“)

BGH 5.10.2016, VIII ZR 222/15,  Leitsätze des Gerichts:

1. Gemäß § 556b Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der vereinbarten Zeitabschnitte zu entrichten ist, kommt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung im Überweisungsverkehr nicht darauf an, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist. Es genügt, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt. (mehr …)