Zu Bezahlkarten bei Geflüchteten

Im aktuellen Newsletter gibt Harald Thomé einige Link-Hinweise zum Thema der Bezahlkarten bei Geflüchteten. Zum Beispiel wird auf „Geflüchtete senden seltener Geld ins Ausland als andere Migrant*innen“ vom DIW hingewiesen.

Ergänzend dazu hier der Hinweis auf den Beitrag „Alles für eine Karte“ von FragDenStaat.

Der Teaser: „Bund und Länder führen eine Bezahlkarte für Asylsuchende ein – doch die Umsetzung sorgt für heftige Kritik. Interne Dokumente zeigen, dass bei der Ausarbeitung der Mindeststandards bewusst in eine Richtung gelenkt wurde, die gegen Grund- und Datenschutzrechte verstößt.“

Siehe https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2024/12/alles-fur-eine-karte-asylsuchende-bezahlkarte/

SchuldnerAtlas Deutschland 2024: Angst-Sparen senkt Überschuldung

Pressemitteilung Creditreform Wirtschaftsforschung: „Zum sechsten Mal in Folge ist die Anzahl überschuldeter Verbraucher zurückgegangen. Nur noch 5,56 Millionen Menschen (- 94.000 Fälle ggü. Vj.) gelten 2024 in Deutschland als überschuldet. Das ist ein erneuter Tiefststand. Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, sinkt marginal um 0,06 Punkte auf 8,09 Prozent.

Trotz multipler Krisen und einer lahmenden Wirtschaft scheinen die Verbraucher auf den ersten Blick unbeeindruckt zu bleiben. „Wieder ist die Überschuldung gesunken, wenn auch weniger deutlich als in den vergangenen Jahren“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „Die eigentlich guten Nachrichten haben allerdings einen ernsten Hintergrund. Die deutschen Verbraucher haben Angst vor der Zukunft und halten ihr Geld deshalb zusammen“, erläutert Hantzsch die neuen Ergebnisse. (…)

Innerhalb der Gruppe der Überschuldeten gibt es aufschlussreiche Trends. „Bei stabil bleibender Überschuldungslage insgesamt sind erneut vor allem Geringverdiener in die Überschuldungsspirale geraten“, so Michael Goy-Yun, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. Dieser Gruppe machen vor allem die hohen Energie- und Lebensmittelpreise zu schaffen, da sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse ausgeben müssen (…)“

Mehr unter www.boniversum.de/aktuelles-studien/schuldner-atlas

Mindestunterhalt ab 1.1.2025

Heute wurde die „Siebte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, BGBl. 2024 I Nr. 359 vom 21.11.2024.

Der monatliche Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gemäß § 1612a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird betragen:

  1. in der ersten Altersstufe (§ 1612a Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) 482 Euro ab dem 1. Januar 2025 und 486 Euro ab dem 1. Januar 2026,
  2. in der zweiten Altersstufe (§ 1612a Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) 554 Euro ab dem 1. Januar 2025 und 558 Euro ab dem 1. Januar 2026,
  3. in der dritten Altersstufe (§ 1612a Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) 649 Euro ab dem 1. Januar 2025 und 653 Euro ab dem 1. Januar 2026.

Referentenentwurf: Reform der Zwangsvollstreckung durch Konzentration auf Gerichtsvollzieher:innen

Das BMJ hat Ende September den Entwurf eines Gesetzes zur Zuständigkeitskonzentration der zivilrechtlichen Mobiliarvollstreckung bei den Gerichtsvollziehern vorgelegt.

Aus dem Referentenentwurf: „Im Zentrum der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Mobiliarvollstreckung)
nach der Zivilprozessordnung (ZPO) steht der Gerichtsvollzieher. (…)

Der Entwurf schlägt vor, die zahlenmäßig bedeutsamen Masseverfahren der Vollstreckungin Geldforderungen, die bisher nach § 828 ZPO den Vollstreckungsgerichten zugewiesen sind, auf die Gerichtsvollzieher zu übertragen und damit die durch die veränderte Vollstreckungswirklichkeit frei gewordenen Kapazitäten bei den Gerichtsvollziehern sinnvoll zu nutzen. Damit erhält nicht nur der Gerichtsvollzieher seine zentrale Rolle in der Zwangsvollstreckung zurück, sondern es sind auch Effizienzgewinne zu erwarten, da die Vollstreckung in Geldforderungen dann in einer Hand – der des Gerichtsvollziehers – liegen wird.“

Die AG SBV äußert sich in ihrer Stellungnahme dazu sehr kritisch. Daraus: „Die Verlagerung der Aufgaben der Vollstreckungsgerichte auf die örtlichen Gerichtsvollzieher wird in Gänze abgelehnt – insbesondere dort, wo es sich um Anträge in Bezug auf den Schuldnerschutz in der Zwangsvollstreckung bzw. Regelungen zu Umfang und Grenzen der Zwangsvollstreckung gegen Schuldner:innen handelt.

Es besteht die konkrete Gefahr, dass das Schutzniveau für Schuldner:innen deutlich sinkt und das gesetzlich fixierte, zeitnahe Existenzminimum für Familien stark gefährdet ist und zweckgebundene Leistungen – ob im Sozialhilfe- oder im pflegerischen Bereich – nicht den vorgesehenen Zweck erreichen.“

LSG Berlin-Brandenburg zur Abgrenzung Bedarfs- / Wohngemeinschaft und zu rückständigen Krankenversicherungsbeiträgen

Die Entscheidung Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 05.09.2024, L 32 AS 739/24 B ER ist lesenswert. Die ersten drei Leitsätze lauten:

  1. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen in einem Wechselverhältnis: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto so geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt.
  2. Nur ausnahmsweise können offene Geldforderungen aus der Vergangenheit zugleich wesentliche Nachteile bis zur Entscheidung in der Hauptsache und einen besonderen Eilbedarf begründen, insbesondere dann, wenn aus den fehlenden Geldmitteln aktuelle schwere, existenzbedrohende Nachteile für die Gegenwart oder den Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache drohen.
  3. Zur Aufklärung des Sachverhalts einer eheähnlichen Gemeinschaft oder eines Untermietverhältnisses ist die Nutzung sich aufdrängender Zeugenvernehmungen unverzichtbar.

Aus der Entscheidung:

Rn 26: Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II hat das BSG dahingehend konkretisiert, dass drei Merkmale kumulativ gegeben sein müssen. Bei den fraglichen Personen muss es

  • erstens sich um Partner handeln,
  • die zweitens in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzung),
  • und zwar so, dass drittens nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung).

(…) Das BSG verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass ein „Wirtschaften aus einem Topf“ als Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft und vorab vor der Klärung des subjektiven Umstandes, dass ein Wille, füreinander Verantwortung zu übernehmen und einzustehen, besteht, zu prüfen ist.

30 % der Überschuldeten hatten 2023 Schulden bei Onlinehändlern

Aus der heutigen PM des Statistischen Bundesamtes: Onlineshopping erfreut sich nicht nur zum Black Friday zunehmender Beliebtheit. Für einige können die bequemen Bestell- und Zahlungsmöglichkeiten im Internet jedoch auch zu finanziellen Schwierigkeiten führen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hatten 30 % der rund 594.800 Personen, die im Jahr 2023 Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchten, Schulden bei Online- und Versandhändlern. Der Anteil ist in den vergangenen fünf Jahren um 4 Prozentpunkte gestiegen. Im Jahr 2018 hatte er noch bei 26 % von insgesamt rund 571.500 beratenen Personen gelegen.

Die Verbindlichkeiten, die die überschuldeten Personen bei Gläubigern des Online- und Versandhandels ausstehen hatten, beliefen sich 2023 auf durchschnittlich 650 Euro. Das entsprach allerdings nur 2 % der gesamten durchschnittlichen Schulden aller überschuldeten Personen in Höhe von 31.565 Euro. Im Jahr 2018 hatte die Schuldenlast der beratenen Personen bei Online- und Versandhändlern im Durchschnitt 527 Euro betragen, die gesamten Schulden aller Personen in Beratung machten durchschnittlich 29.008 Euro aus. 

Frauen in Beratung häufiger und höher bei Onlinehändlern verschuldet

Überschuldete Frauen haben in der Regel häufiger und höhere Schulden bei Online- und Versandhändlern. So hatten im Jahr 2023 knapp 37 % der Frauen, die die Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle in Anspruch nahmen, Zahlungsrückstände bei Online- und Versandhändlern. Bei den Männern betrug der Anteil 23 %. Auch die durchschnittliche Schuldenlast bei Online- und Versandhändlern lag bei Frauen (847 Euro) deutlich höher als bei Männern (477 Euro). 

Hoher Anteil junger Menschen mit Schulden bei Onlinehändlern

Besonders jüngere Überschuldete sind von offenen Verbindlichkeiten bei Online- und Versandhändlern betroffen. Im Jahr 2023 waren 40 % der beratenen 20- bis 24-Jährigen bei Firmen dieser Branche verschuldet. Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil kontinuierlich ab: Während bei den 25- bis 34-Jährigen noch 37 % entsprechende Zahlungsrückstände aufwiesen, lag der Anteil bei den 55- bis 64-Jährigen bei 23 %.

Detaillierte Daten und Zeitreihen zur Überschuldungsstatistik können über die Tabellen 63511 in der Datenbank GENESIS-Online abgerufen werden.

Praxistipp: zum 1.1.2025 ändert sich bezüglich der Rechtsbehelfsfristen die sog. „Zugangsfiktion“ von Bescheiden

Harald Thomé in seinem aktuellen Newsletter:

Diese „Zugangsfiktion“ regelt, wann ein Bescheid bei Bürger oder Bürgerin als „zugegangen“ gilt, und zwar in § 37 Abs. 2 S. 2 SGB X. Diese Regelung beträgt derweilen „drei Tage“ und wird ab Januar 2025 auf „vier Tage“ geändert. Die Änderung erfolgt im Rahmen des Postrechtsmodernisierungsgesetz [vgl. bundestagszusammenfasser.de und BGBl.], weil die Briefe eine längere Postlaufzeit haben. (…)

Hier eine Übersicht über die Änderungen in Buzer.

Ich habe dazu mal ein Infoblatt gemacht, aus dem sich die Fristen zum Einlegen von Widersprüchen ergeben, einmal mit Rechtslage bis 2024 und ab 2025.

Solch eine Fristenberechnung sollte ohnehin in jeder Beratungsstelle hängen.

Leistungsstreichungen für Dublin-Geflüchtete in Kraft, Leistungskürzungen für alle ab 2025

Claudius Voigt, GGUA Münster, am 2.11.2024 unter tacheles-sozialhilfe.de:

„Die Änderung des § 1 Abs. 4 AsylbLG als Teil des völlig zu Unrecht so genannten „Sicherheitspakets“ ist am 30.10.24 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit heute in Kraft getreten. Was die staatlich produzierte Verelendung einer Menschengruppe auch nur im Entferntesten mit „Sicherheit“ zu tun haben soll, ist unerklärlich. Die Regelung in Kürze: [wird ausgeführt].

Die Bundesregierung hat beschlossen, den Regelsatz für Menschen im Grundleistungsbezug nach § 3 AsylbLG im Jahr 2025 zu kürzen. Im Gegensatz zu den Leistungen nach SGB II, SGB XII und den Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sollen die Regelsätze nicht eingefroren bleiben, sondern um 13 bis 19 Euro sinken. Begründet wird dies vom sozialdemokratisch geführten BMAS formal damit, dass eine Bestandsschutzregelung für den Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG nicht vorgesehen sei.

Hier sind die neuen Sätze im Bundesgesetzblatt. Die Kolleg*innen vom hessischen Flüchtlingsrat haben dankenswerterweise schon eine Übersicht über die alten und neuen Regelsätze gemacht: [Tabelle]“

Bundesverfassungsgericht zur BAföG-Grundpauschale: keine subjektiven Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern eine Entscheidung, 23. September 2024 – 1 BvL 9/21, veröffentlicht, die in Teilen erschreckend zu lesen ist. So soll es „kein Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldeten Hindernissen für den Zugang zum Studium“ geben (Leitsatz 2).

Außerdem könne aus dem Sozialstaatsprinzip „bei der infolge der Begrenztheit der finanziellen Mittel notwendigen Priorisierung der vielfältigen Aufgaben (…) grundsätzlich keine subjektiven Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer Ungleichheiten hergeleitet werden.“ (Leitsatz 3a).

Es ging um die BAföG-Grundpauschalen für 10/2014 bis 2/2015 (vgl. Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende und RA Schaller).

Aus der Presseerklärung des Gerichts:

„Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass mittellose Hochschulzugangsberechtigte sich nicht auf einen subjektiven verfassungsrechtlichen Anspruch auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums berufen können, dem die Bemessung der Grundpauschale widersprechen könnte. Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates.

§ 7a UVG wird zum Jahreswechsel aufgehoben

Das „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ ist diese Woche verkündet worden (BGBl. 2024 I Nr. 323 vom 29.10.2024). Das Gesetz wird u.a. in Bezug auf Wirtschaftskriminalität krititsiert (Finanzwende; tagesschau.de).

Ein wenig untergegangen ist, dass zum Jahreswechsel § 7a UVG ersatzlos gestrichen wird (Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes).

Damit wird die Entscheidung des BGH, 31.05.2023, XII ZB 190/22 hinfällig. Deren Leitsatz lautet:

§ 7a UVG untersagt – auch zum Schutz des Unterhaltspflichtigen – nicht lediglich die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger und gilt für die Zeiträume, in denen die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind.

Aus der Gesetzesbegründung: „Diese Regelung wurde zum 1. Juli 2017 mit dem Ziel der Verwaltungserleichterung neu in das Gesetz eingefügt. Dieses Ziel wurde jedoch nicht erreicht, weshalb die Regelung aufgehoben wird. Die Regelung ist beim Unterhaltsrückgriff nicht hilfreich und vermindert den Rückgriffserfolg bei der Gruppe der barunterhaltspflichtigen Elternteile im SGB-II-Leistungsbezug. Wird eine fiktive unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit unterstellt und zugleich der Rückgriff darauf reduziert zu verhindern, dass Forderungen verjähren, besteht kein wirksames Druckmittel mehr. Die mit der Regelung angestrebte Verwaltungserleichterung kann zudem durch eine Ermessensausübung in der Sachbearbeitung im Einzelfall leichter erzielt werden. Außerdem ist die Klärung der Voraussetzungen des § 7a UhVorschG regelmäßig aufwendiger als die Durchführung erfolgloser Vollstreckungsmaßnahmen.“ (BT-Drucksache 20/11306, 95).