Neues Projekt des iff: Zur Bedeutung von Nachhaltigkeit in und für die Soziale Schuldnerberatung

Das Institut für Finanzdienstleistungen (iff) vermeldet ein neues Projekt, welches vom 1.2.2023 bis 30.11.2023 laufen soll. Das Projekt geht der Frage nach, welche Bedeutung Nachhaltigkeitsprinzipien für die soziale Schuldenberatung haben. Es möchte auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse praxisorientiert zu einer direkten Verbesserung der Tätigkeit der Schuldenberatung im Sinne der Nachhaltigkeit beitragen.

Siehe auch schon die Überschuldungsradare 2022/28 und 29 sowie den Beitrag Ökologie und Nachhaltigkeit in der Schuldnerberatung von Thomas Bode und Ines Moers in den BAG-SB-Informationen 2/2021.

Stellungnahme des vzbv zur Überschuldungsgefahr im Umfeld von steigenden Verbraucherpreisen: Gefahren des Dispositionskredits begrenzen

Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind der Hauptgrund für ein überzogenes Konto und die Nutzung von teuren Überziehungskrediten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag der Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

Demnach hat etwa jede:r siebte Verbraucher:in von Anfang September bis Anfang Dezember 2022 einen Dispokredit genutzt – knapp die Hälfte gab als Grund dafür die gestiegenen Lebenshaltungskosten an. Der vzbv sieht darin eine Überschuldungsgefahr für Verbraucher:innen und fordert die Politik zum Handeln auf. – Quelle und mehr: PM des vzbv

Fazit der Stellungnahme des vzbv:

Um Verbraucher:innen in der aktuellen Situation von stark ansteigenden Verbraucherpreisen effektiv vor einer starken finanziellen Belastung als Folge der langfristigen Nutzung des Dispos zu schützen, sind verschiedene regulatorische Maßnahmen notwendig.

Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts

Der Entwurf eines “Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt” enthält neben dem Hauptanliegen noch einen interessanten Passus, der für die Schuldnerberatung noch bedeutsam werden könnte.

Der § 459e StPO soll ergänzt werden. Dem Absatz 2 soll folgender Satz angefügt werden: „Vor der Anordnung [der Ersatzfreiheitsstrafe] ist der Verurteilte darauf hinzuweisen, dass ihm gemäß § 459a Zahlungserleichterungen bewilligt werden können (…)”

Ein neuer Absatz 2a soll dann wie folgt beginnen (fett von uns): “Die Vollstreckungsbehörde und die gemäß § 463d Satz 2 Nummer 2 eingebundene Gerichtshilfe können zu dem Zweck, dem Verurteilten Möglichkeiten aufzuzeigen, die Geldstrafe mittels Zahlungserleichterungen zu tilgen oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden, einer von der Vollstreckungsbehörde beauftragten nicht-öffentlichen Stelle die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten übermitteln.”

Die Empfehlungen der BR-Ausschüsse nennen dabei explizit die Schuldnerberatung (Seite 8): “Regelmäßig handelt es sich bei den nicht-öffentlichen Stellen um Einrichtungen gemeinnütziger Träger, die weitere Hilfen wie beispielsweise Schuldnerberatung, Drogenberatung, Strafentlassenenhilfe etc. anbieten können.”

Der Entwurf ist nächste Woche Freitag (10.2.) im Bundesrat auf der Tagesordnung.

Neue Zahlen zur Kinder- und Jugendarmut: Jetzt braucht es die Kindergrundsicherung

Aus einer frischen PM der Bertelsmann-Stiftung: “Kinder- und Jugendarmut bleibt ein ungelöstes Problem in Deutschland. Mehr als jedes fünfte Kind und jede:r vierte junge Erwachsene ist von Armut bedroht. In absoluten Zahlen bedeutet das: Knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche sowie 1,55 Millionen junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren galten 2021 als armutsgefährdet. Das geht aus unserem neuen Factsheet “Kinder- und Jugendarmut in Deutschland” hervor.

Auch viele junge Erwachsene sind mit Armut konfrontiert. Laut Factsheet weisen 18- bis 25-Jährige mit 25,5 Prozent sogar das höchste Armutsrisiko aller Altersgruppen auf. Frauen sind dabei stärker betroffen als Männer, junge Menschen in Ostdeutschland häufiger als die in Westdeutschland.

SGB II-Leistungen beziehen allerdings nur 7 Prozent dieser Altersgruppe, was auf den ersten Blick überrascht. Das liegt hauptsächlich daran, dass junge Erwachsene für gewöhnlich eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren und viele zum ersten Mal in eine eigene Wohnung ziehen. Hier greifen andere sozialstaatliche Maßnahmen, wie BAföG oder Wohngeld. “Die hohe Armutsbetroffenheit junger Erwachsener weist jedoch darauf hin, dass die verschiedenen Systeme nicht gut zusammenwirken. Ohne Unterstützung durch ihre Eltern wäre es vielen nicht möglich, ihre Existenz zu sichern. Damit hängen die Chancen junger Menschen weiterhin zu stark vom Elternhaus ab”, mahnt Stein [Director Bildung und Next Generation bei der Bertelsmann Stiftung].

Caritas im Norden: Wir helfen Ihnen, wenn Ihre Energie-Rechnung zu hoch wird

Die katholische Kirche im Erzbistum Hamburg hat beschlossen, die zusätzlichen Kirchensteuereinnahmen aus der Energiepauschale vom September über die Caritas im Norden an Bedürftige auszuzahlen.

Wer seine Energiekosten nicht mehr bezahlen kann oder durch Energieschulden in Not geraten ist, kann bei der Caritas im Norden – solange das Geld reicht – ab dem 23.01.2023 einen Unterstützungsantrag stellen. Bis zu 1.000 EUR können schnell und unbürokratisch überwiesen werden. 

Quelle und mehr: https://www.caritas-im-norden.de/energiegeld

Siehe auch Hamburg richtet Härtefallfonds ein: Energiesperren abwenden

BGH: an die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld ist unpfändbar

Hier der Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 20.10.2022 – IX ZB 12/22 mit dem Leitsatz:

Das an die Pflegeperson weitergeleitete Pflegegeld ist unpfändbar.

Aus der Entscheidung: [Der Insolvenzverwalter] hat beantragt, bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens das Arbeitseinkommen mit dem Pflegegeld zusammenzurechnen, welches die Schuldnerin für die Versorgung des bei ihr wohnenden autistischen Sohnes erhält. (…)

Pflegegeld wird gewährt, wenn der Pflegebedürftige in seiner häuslichen Umgebung oder im Haushalt einer Pflegeperson gepflegt wird, und soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen stärken, der mit der Geldleistung seine Pflegehilfen selbst gestalten kann (BT-Drucks. 12/5262, S. 112 zu § 33). Das Pflegegeld stellt seiner Konzeption nach kein Entgelt für die von der Pflegeperson erbrachten Pflegeleistungen dar. (…) Der Konzeption des Pflegegeldes liegt der Gedanke zugrunde, dass familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege unentgeltlich erbracht wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 911 Rn. 21). Das Pflegegeldergänzt sie nur (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). (…)

AG Heilbronn zu den Kosten für Inkassoaußendienst

Das AG Heilbronn hat sich mit den Kosten für einen Inkassoaußendienst im Rahmen der Zwangsvollstreckung, genauer: als deren notwendige Kosten nach § 788 ZPO, befasst. Aus dem Beschluss vom 3.11.2022 – 5 M 6235/22:

Der Gerichtsvollzieher hat zu prüfen ob die Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 ZPO angefallen sind und notwendig waren. Bei negativem Prüfungsausgang hat der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger mitzuteilen, dass eine Vollstreckung insoweit nicht stattfindet (…)

Notwendig sind diese Kosten, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die der Gläubiger zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bei verständiger Würdigung der Sachlage zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte. Die Kosten sind möglichst gering zu halten. (…)

Oxfam- Ungleichheitsbericht: AWO fordert Steuer auf Zufallsgewinne und Vermögen

PM der AWO: Die weltweit größte Nothilfe- und Entwicklungshilfeorganisation Oxfam testiert in ihrem Ungleichheits-Bericht [Anmerkung: siehe PM Oxfam: Vermögenszuwachs: Reichstes Prozent kassiert fast doppelt so viel wie Rest der Welt zusammen] die zunehmenden globalen Verwerfungen und ungerechten Entwicklungen zwischen arm und reich: Reichtum und Einkommen sind in Deutschland und weltweit immer ungleicher verteilt. Die AWO sieht sich angesichts der anhaltenden Polarisierung unserer Gesellschaft in ihrer Forderung bestätigt, Umverteilung zu organisieren und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerecht zu werden. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt:

„Corona-Pandemie und Energiepreiskrise haben gezeigt, dass viele Unternehmen in sehr starkem Maße von plötzlich auftretenden Krisen profitieren. Wenn ganze Gesellschaften durch solche Krisen vor Zerreißproben gestellt werden, aber Unternehmen durch sie ohne eigene Leistung Milliardengewinne einfahren, dann ist es nur gerecht, dass auch alle von diesen Zufallsgewinnen profitieren: Unsere Solidargemeinschaft muss in angemessener Weise an diesen Gewinnen beteiligt werden. So könnten zum Beispiel notwendige Investitionen in die soziale Infrastruktur finanziert werden, ohne dass zusätzliche Schulden aufgenommen werden müssen, deren Last zukünftige Generationen tragen.“

Zudem fordert die AWO, dass endlich eine gesellschaftliche Debatte über die Weitergabe von Privilegien geführt werden müsse, bei der auch die Themen Vermögensteuer und Erbschaften keine Tabus mehr sein dürfen. „Denn“, so Michael Groß abschließend, „nur wenn wir endlich die Ausnahmen vom Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft erkennen und systematisch abbauen, können wir das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft vom Wohlstand für alle einlösen.“

Stefan Sell: Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem

Hier der Hinweis auf einen lesenwerten Beitrag von Stefan Sell. Dort wird eine Studie aufgegriffen, die Irene Becker im Auftrag des DGB erstellt hat.

Während Arbeitnehmer*innen derzeit Reallohnverluste verkraften müssen, sind Bezieher*innen von Grundsicherung von erheblichen Kaufkraftverlusten betroffen: So hätte ein Paar mit zwei Kindern im Jahr 2022 rund 1.600 Euro mehr bekommen müssen, um die Kaufkraft der Grundsicherung zu erhalten.