Umrechnungsmaßstab einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe halbiert

Seit dem 1.2.2024 gilt die neue Fassung des § 43 Satz StGB: „An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Ersatzfreiheitsstrafe. Zwei Tagessätzen entspricht ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe. …“

Damit wurde der Umrechnungsmaßstab halbiert. Mehr in der Dokumentation des Bundestages zum „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts“. Siehe auch die Synopse bei buzer.de.

An sich sollte die Regelung zum 1.10.2023 in Kraft treten, was dann allerdings auf den 1.2.2024 verschoben wurde (vgl. Art. 3 Nr. 2 des Änderungsgesetzes, BGBl. 2023 Nr. 218). Die Verschiebung erfolgte auf Bitten einiger Bundesländer, die sich nicht zu einer zeitnahen Umsetzung in der Lage sahen (vgl. taz.de: Deutschlands digitale Inkompetenz und BT-Drucksache 20/9019).

Wichtig zu wissen ist die Übergangsregelung des Art. 316o Abs. 2 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB): „Für die Vollstreckung von vor dem 1. Februar 2024 rechtskräftig verhängten Geldstrafen gelten § 43 des Strafgesetzbuches und § 11 des Wehrstrafgesetzes jeweils in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Artikel 313 Absatz 2 gilt entsprechend.“ Der neue Umrechnungsmaßstab hängt also vom Tag der Verurteilung ab!

Die Ersatzfreiheitsstrafe kann durch Ableisten gemeinnütziger Arbeit abgewendet werden; vgl. Artikel 293 EGStGB. Die Details sind in Hamburg in der Tilgungsverordnung geregelt. Siehe auch das Merkblatt der Staatsanwaltschaft Hamburg mit Download in zahlreichen Sprachen unter https://justiz.hamburg.de

Schließlich der Hinweis auf den sog. Freiheitsfonds: https://www.freiheitsfonds.de/

Bundestag macht den Weg für kürzere Ersatz­freiheitsstrafen frei

Der Bundestag hat gestern einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugestimmt, wonach der Umrechnungsmaßstab einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe in Paragraf 43b des Strafgesetzbuches halbiert werden soll.

Die Halbierung begründet die Bundesregierung mit dem Umstand, dass deren Vollzug „in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen leisten kann“. Die Bundesregierung führt zudem Zahlen an, nach denen die Zahl der Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, deutlich gestiegen ist, während die Zahl derer, die eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit vermeiden, deutlich zurückgegangen ist.

Durch entsprechende gesetzliche Änderungen will die Bundesregierung daher sicherstellen, dass Personen, denen der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe droht, von den Vollstreckungsbehörden darauf hingewiesen werden müssen, dass es die Möglichkeit für Zahlungserleichterungen sowie für gemeinnützige Arbeit („freie Arbeit“) gibt. Auch die Gerichtshilfe sowie Träger der freien Straffälligenhilfe sollen künftig stärker eingebunden werden.

Des Weiteren sollen Gerichte bei der Verhängung von Geldstrafen künftig explizit darauf achten, „dass dem Täter mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum seines Einkommens verbleibt“. Paragraf 40 Absatz 2 Strafgesetzbuch soll entsprechend ergänzt werden. Wie die Koalitionsfraktionen zur Begründung ausführen, werde mit der Einfügung die obergerichtliche Rechtsprechung kodifiziert, nach der insbesondere bei Empfängern von Sozialleistungen eine Abweichung von Nettoeinkommensprinzip geboten sei.

Quelle und mehr: Bundestagsmeldung. Siehe auch dip.bundestag.de/

OLG Zweibrücken zu Ansprüchen von Straftatverletzten und Insolvenz des Täters

Hier der Hinweis auf OLG Zweibrücken, 02.11.2022 – 1 Ws 77/22. Leitsätze:

1. Wird vor Abschluss des Entschädigungsverfahrens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einziehungsadressaten beschlossen, können die Antragsteller, die die Auskehrung des Verwertungserlöses begehren, gemäß § 459h Abs. 2 Satz 2, § 111i StPO Entschädigung ausschließlich im Insolvenzverfahren erlangen.

2. Die Frage, ob den Antragstellern wegen eines gegen den Einziehungsadressaten erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Absonderungsrecht gemäß § 50 InsO zusteht, ist eine originär insolvenzrechtliche und daher nicht von den Strafgerichten zu klären.

Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts

Der Entwurf eines “Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt” enthält neben dem Hauptanliegen noch einen interessanten Passus, der für die Schuldnerberatung noch bedeutsam werden könnte.

Der § 459e StPO soll ergänzt werden. Dem Absatz 2 soll folgender Satz angefügt werden: „Vor der Anordnung [der Ersatzfreiheitsstrafe] ist der Verurteilte darauf hinzuweisen, dass ihm gemäß § 459a Zahlungserleichterungen bewilligt werden können (…)”

Ein neuer Absatz 2a soll dann wie folgt beginnen (fett von uns): “Die Vollstreckungsbehörde und die gemäß § 463d Satz 2 Nummer 2 eingebundene Gerichtshilfe können zu dem Zweck, dem Verurteilten Möglichkeiten aufzuzeigen, die Geldstrafe mittels Zahlungserleichterungen zu tilgen oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden, einer von der Vollstreckungsbehörde beauftragten nicht-öffentlichen Stelle die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten übermitteln.”

Die Empfehlungen der BR-Ausschüsse nennen dabei explizit die Schuldnerberatung (Seite 8): “Regelmäßig handelt es sich bei den nicht-öffentlichen Stellen um Einrichtungen gemeinnütziger Träger, die weitere Hilfen wie beispielsweise Schuldnerberatung, Drogenberatung, Strafentlassenenhilfe etc. anbieten können.”

Der Entwurf ist nächste Woche Freitag (10.2.) im Bundesrat auf der Tagesordnung.

OLG Karlsruhe zum Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung: Entreicherungseinwand in Altfällen bleibt möglich

Der § 459g Abs. 5 StPO wurde bekanntlich mit Wirkung zum 1.7.2021 geändert, nämlich der Fall der Entreicherung (“soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist”) gestrichen (Synopse). Das ist sehr problematisch – siehe Stellungnahme der BAG-SB.

Zumindest für die Altfälle weist nun das OLG Karlsruhe, 25.05.2022 – 1 Ws 122/22, einen Lösungsweg. Aus der Entscheidung:

“II.2 Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und anzuordnen, dass die weitere Vollstreckung des mit Urteil des Landgerichts S. vom 18.06.2021 angeordneten Verfalls von Wertersatz i.H.v. 265.300 € unterbleibt, weil die Strafvollstreckungskammer ihrer Entscheidung nicht das für diesen Fall gem. § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 StGB anzuwendende mildeste Gesetz (§ 459g StPO a.F.) zugrunde gelegt hat (mehr …)

“Fahren ohne Fahrschein: Wie der Staat Menschen ohne Geld einsperrt”

Vera Deleja-Hotko / FragdenStaat: “Jedes Jahr müssen tausende Menschen in Deutschland ins Gefängnis, weil sie sich kein Ticket für Bus oder Bahn leisten konnten. Im Zuge unserer gemeinsamen Recherche mit dem ZDF Magazin Royale veröffentlichen wir erstmals interne Dokumente der Justizministerien zum System der Ersatzfreiheitsstrafen.”

Zum lesenswerten Bericht von Deleja-Hotko. Zur Sendung ZDF Magzin Royale vom 3.12.2021.

LG Hamburg zur Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes (§ 459g Abs. 5 StPO)

Nach § 459g Abs. 5 StPO unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes (§ 73c StGB), soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. Dazu hat das LG Hamburg am 27.5.2021, 605 StVK 314/20, entschieden (Leitsätze Matthias Butenob):

  1. Voraussetzung für eine Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung ist allein, dass das aus der Straftat Erlangte nicht mehr im Vermögen des Verurteilten vorhanden ist. Für eine wertende Entscheidung des Gerichts, die etwa die Gründe für die Entreicherung, z.B. ein etwaiges „Verprassen” oder ähnliches einbezöge, ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 459g Abs. 5 StPO kein Raum.
  2. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts ist auch für eine Ratenzahlungsregelung gemäß § 459a StPO kein Anwendungsspielraum eröffnet.
  3. Macht der Verurteilte geltend, über keinerlei Vermögenswerte zu verfügen, spricht für die Richtigkeit dieser Angabe indiziell der von dem Verurteilen vorgelegte Bescheid des Jobcenters, wonach der Verurteilte ALG Il-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht. (mehr …)

Einziehung von Taterträgen: BRAK sieht bezüglich der Änderungspläne “durchgreifende verfassungsrechtlichen Bedenken”

Wie berichtet plant die Bundesregierung eine Verschärfung des Rechts zur Einziehung von Taterträgen; genauer: der Vollstreckung. Der Fall, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, soll als gesetzlicher Unterfall der Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung gestrichen werden.

Nun liegt das Wortlautprotokoll der Anhörung im Rechtsausschuss vom 14.4.2021 vor. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) findet deutliche Worte (S. 71)

Für die Änderung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO besteht bereits kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Die Änderung begegnet darüber hinaus durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot und das Schuldprinzip.

Die Kammer führt aus: (mehr …)