iff-Überschuldungsradar 2021/24 – Überschuldungsforschung als Beitrag zur Professionalisierung

Das aktuelle iff-Überschuldungsradar zum Thema „Überschuldungsforschung als Beitrag zur Professionalisierung“ wurde von Sally Peters verfasst. Aus der Einleitung:

Die Schuldnerberatung steht aufgrund enger Finanzierungsvorgaben immer wieder unter dem Zwang sich rechtfertigen zu müssen, also beispielsweise Fragen hinsichtlich ihrer Wirkung (Effektivität) und dem sinnvollen Mitteleinsatz (Effizienz) beantworten zu müssen. Hinzu kommen Fragen bezüglich der Rechtfertigung im gesellschaftlichen Kontext (Legitimation) und der Reflexion eigener Werthaltungen (Ethik). Forschung bietet für die Schuldnerberatung also zwei wichtige Ansatzpunkte: sie dient der Schuldnerberatung als ein Instrument, Rechenschaft über ihr Wirken und Handeln ablegen zu können. Zudem bieten Forschungserkenntnisse die Möglichkeit, Methoden evidenzbasiert weiterentwickeln können.

Deutschlandweit sind durchschnittlich 17 Prozent der Haushalte im Hartz IV-Bezug von einer nicht vollständigen Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung betroffen (“Wohnkostenlücke”)

“Die Antwort auf die Kleine Anfrage „Wohnkostenlücke 2020“ (BT-Drs. 19/30857) stellt regional ausdifferenzierte Daten über die sogenannte Wohnkostenlücke von Hartz IV-Betroffenen bereit. Die Daten sind brisant, weil sie einen Hinweis auf die regelmäßig systematische Unterschreitung des durch die Verfassung garantierten Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht nur von Hartz IV-Betroffenen geben. Die Wohnkostenlücken betreffen nicht nur Haushalte im Hartz IV-Bezug. Die sogenannten Angemessenheitsgrenzen gelten auch für arme Rentnerinnen und z.B. erwerbsgeminderte Grundsicherungsbeziehende.

Zentrale Ergebnisse: (mehr …)

BSG zur Übernahme von Kosten für eine Schuldnerberatung als kommunale Eingliederungsleistung

Aus dem Terminsbericht des Bundessozialgericht (B 14 AS 18/20 R, Verhandlung 21.7.2021): „Schuldnerberatung als kommunale Eingliederungsleistung kann zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit erbracht werden, wenn sie dafür erforderlich ist.

  • Die Erforderlichkeit ist im Rahmen des § 16a Nr 2 SGB II nicht einengend so zu verstehen, dass eine Leistungserbringung nur bei einer prognostisch unmittelbar folgenden Arbeitsaufnahme in Betracht kommt oder nur dann, wenn sie die einzige Möglichkeit zur Eingliederung in Arbeit darstellt.
  • Sie kann auch dann erforderlich sein, wenn sie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erst vorbereitet oder flankierend unterstützt, indem sie der Bewältigung von Motivationsproblemen und der Stabilisierung der Betroffenen dient.
  • Dennoch verliert sie dadurch nicht ihren finalen Bezug zum übergeordneten Ziel der Eingliederung der leistungsberechtigten Person in Arbeit. (mehr …)

BGH hält bei Kapitallebensversicherungen einen Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte (§ 850i ZPO) für möglich, auch wenn die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten (§ 851c ZPO) nicht gegeben sind

Hier der Hinweis auf BGH, 29.04.2021, IX ZB 25/20 mit den Leitsätzen:

  • Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen.
  • Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind.

Anmerkung RA Kai Henning in seinem aktuellen Newsletter: “Mit dieser Entscheidung klärt der 9. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Verhältnis der §§ 851c und 850i ZPO. Der Ansicht, dass allein § 851c ZPO anzuwenden ist, wenn ein Versicherungsvertrag mit Vorsorgeleistung betroffen und damit ein Schutz nicht gegeben ist, wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen, teilt der BGH nicht.

Des Weiteren stellt der BGH fest, dass (mehr …)

LG Darmstadt zur vorzeitige Restschuldbefreiung nach 5 Jahren (§ 300 I 2 Nr. 3 InsO aF)

Hier der Hinweis auf LG Darmstadt, 17.06.2021, 5 T 146/21. Orientierungssatz:

Im Fall des § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO (vorzeitige Restschuldbefreiung nach 5 Jahren) muss die Berichtigung nicht bereits innerhalb der 5 Jahre erfolgt sein.

Aus der Entscheidung: “Der Gesetzeswortlaut der Alternative der Nr. 3 enthält – im Unterschied zur Alternative der Nr. 2 – keinerlei konkrete und abschließende Frist für (die Antragstellung oder) die Zahlung der Kosten des Verfahrens. Die Vorgabe „innerhalb dieses Zeitraums“ o.ä. steht weder am Anfang des zweiten Satzes des § 300 Abs. 1 InsO (dann würde sie alle drei Alternativen betreffen), noch steht die gleiche oder auch nur eine ähnliche Zeitvorgabe für die Berichtigung in der dritten Alternative (fünf Jahre).

Nur die Alternative der Nr. 2 – die hier jedoch nicht anwendbar ist – enthält eine solche Vorgabe („und … innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist“).

Roland Rosenow: “Grundrechte hinter Stacheldraht. Das BVerfG zu § 1a AsylbLG”

Roland Rosenow hat einen lesenswerten Beitrag zu BVerfG, 12.05.2021 – 1 BvR 2682/17 verfasst. Grundrechte hinter Stacheldraht. Das BVerfG zu § 1a AsylbLG. Aus dem Fazit:

Vorschriften werden so formuliert, dass eine verfassungskonforme Auslegung nicht ausgeschlossen wird. Doch zugleich werden durch die Formulierung Signale gesetzt, die zu einerverfassungswidrigen Praxis einladen. Die Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte wird nicht ganz unmöglich gemacht, aber durch verworrene Vorschriften und prozessuale Hindernisse so weit als möglich erschwert. (…) Auf diese Weise kann man bestimmten Gruppen ihre verfassungsmäßigen Rechte vorenthalten und dennoch hoffen, dass die zugrunde liegenden Vorschriften in Karlsruhe Bestand haben, weil sie dort auf kunstvolle Weise verfassungskonform ausgelegt werden.

Zum ganzen Beitrag als pdf-Datei.

Studie des Paritätischen belegt gewachsene Kinderarmut

Der Paritätische meldet: “Die bestehenden sozialen Sicherungssysteme reichen nicht aus, um Kinderarmut effektiv zu verhindern, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. Obwohl die Hartz-IV-Quoten sinken, wachse die Kinderarmut überdurchschnittlich, wie eine aktuelle Studie des Verbandes zeigt. Trotz verschiedener sozialpolitischer Reformen bspw. beim Kinderzuschlag seien Minderjährige mit einer Armutsquote von 20,5 Prozent im Vergleich zu anderen Altersgruppen überproportional von Armut betroffen. Der Paritätische fordert wirksame Maßnahmen zur Beseitigung von Kinderarmut, darunter u.a. die Einführung einer bedarfsgerechten, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung.

In der aktuellen Studie der Paritätischen Forschungsstelle wird die Entwicklung der Kinderarmut in Deutschland über einen Zehn-Jahres-Zeitraum untersucht. Während weniger Kinder und Jugendliche Hartz IV-Leistungen bekommen, ist die Einkommensarmut gestiegen, so ein zentraler Befund: (mehr …)

Creditreform-Inkasso will „Schreibenkosten“, „Telefonkosten“ und „sonstige belegbaren Ausgaben“ aus Forderungsaufstellungen entfernen

Stefan Freeman und Dieter Zimmermann melden: “Alle 130 im Verband der Vereine Creditreform e.V. (VVC) zusammengeschlossenen Inkassodienstleister werden die von der Schuldnerberatung seit vielen Jahren wieder und wieder beanstandeten Positionen „Schreibenkosten“, „Telefonkosten“ und „sonstige belegbaren Ausgaben“ aus sämtlichen Forderungsaufstellungen in aktiv betriebenen Fällen, sei es in laufender Beitreibung oder mit laufenden Ratenzahlungen, entfernen!”

Quelle und mehr: www.infodienst-schuldnerberatung.de/erfolgreiche-bdiu-beschwerden/