BGH zur Zulässigkeit eines Antrags auf Restschuldbefreiung in einem gesonderten Insolvenzverfahren über das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners

BGH, 22.07.2021, IX ZB 7/20 – Leitsätze des Gerichts:

  1. Gibt der Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners aus seiner selbständigen Tätigkeit frei und wird über dieses Vermögen ein gesondertes Insolvenzverfahren eröffnet, ist ein in diesem Verfahren gestellter Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung unzulässig, wenn über seinen im Ausgangsverfahren gestellten Restschuldbefreiungsantrag nicht entschieden ist (Fortführung BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – IX ZB 22/13).
  2. Ein Antrag auf Kostenstundung ist unzulässig, wenn der Schuldner in dem Insolvenzverfahren keine Restschuldbefreiung erreichen kann (Festhaltung BGH, Beschluss vom 4. Mai 2017 – IX ZB 92/16).

Anmerkung RA Kai Henning in seinem InsO-Newsletter 9-21: “Der 9. Zivilsenat des BGH bestätigt in dieser Entscheidung seine bisherige Rspr. zur Unzulässigkeit eines erneuten Restschuldbefreiungsantrags in einem Folgeinsolvenzverfahren über das Vermögen einer aus dem Erstinsolvenzverfahren freigegebenen Selbstständigkeit. (mehr …)

AG Hannover zum Eigeninsolvenzantrag des obdach- bzw. wohungslosen Schuldners

Klaus Helke hat im April 2021 einen Praxisbericht aus Hannover zur Eröffnung Insolvenzverfahren und Wohnungslosigkeit gegeben (zur Meldung). Nun weisen wir auf den Beschluss des AG Hannover vom 17.03.2021 – 908 IK 180/21 – hin. Aus der sehr lesenswerten Entscheidung:

“Die amtlichen Antragsformulare für den Verbraucherinsolvenzantrag sind ordnungsgemäß ausgefüllt. In dem Umstand, dass die vom Schuldner in der Anlage 1 zum Eröffnungsantrag („Personalbogen“) unter „Wohnanschrift“ angegebene Anschrift tatsächlich nicht seiner (inexistenten) Wohnung entspricht, liegt kein Zulässigkeitsmangel. (mehr …)

AG Köln zur Rechtswegzuständigkeit beim Vollstreckungsverbot des § 89 InsO

Das AG Köln hat am 18.6.2021 unter dem Aktenzeichen 70a IN 111/19 (283 M 555/21) entschieden:

  • § 89 Abs. 3 InsO begründet keine Rechtswegzuständigkeit. Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht nach § 89 Abs. 3 InsO setzt voraus, dass nach allgemeinen Grundsätzen die Zivilgerichte zuständig sind.
  • § 89 Abs. 3 InsO begründet kein eigenständiges Rechtsmittel. Die Norm enthält lediglich eine Zuständigkeitszuweisung an das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht und setzt ein zulässiges Rechtsmittel zu den (zivilgerichtlichen) Vollstreckungsgerichten voraus.

Aus der Entscheidung: (mehr …)

Deutlicher Anstieg der Verbraucherinsolvenzen in Hamburg

Das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein meldet, dass es im ersten Halbjahr 2021 einen deutlichen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen gab. So gab es 1.282 Anträge, was immerhin das fast 1,5-fache des gesamten Jahres 2020 (dort: 859) ist.

Das Amt erläutert: “Diese Entwicklung ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2020 die Rechtsvorschriften zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre vorbereitet wurden. Da das entsprechende Gesetz erst zum Jahres­ende 2020 verabschiedet wurde, dürften viele Betroffene ihren Antrag auf Insolvenz und Rest­schuldbefreiung verschoben und diesen erst im Jahr 2021 gestellt haben.”

Einzelheiten: 12/2020 (Jahreszahlen ab Seite 6) und 6/2021 (Halbjahreszahlen ab Seite 6)

Matthias Butenob: “Vom Fehlgebrauch der Rücknahmefiktion – oder: Der § 305 Abs. 3 InsO gehört abgeschafft!”

Unter anderem auf dieser Seite wurde der Aufruf: Übersendung von gerichtlichen Schreiben mit Hinweis auf § 305 Abs. 3 InsO (Rücknahmefiktion) gestartet. Dem Aufruf sind viele gefolgt. An dieser Stelle sei dafür ausdrücklich gedankt!

Daraus ist der Aufsatz “Vom Fehlgebrauch der Rücknahmefiktion – oder: Der § 305 Abs. 3 InsO gehört abgeschafft!” entstanden, der in der ZVI 2021, 246 erschienen ist. Da die Veröffentlichungsrechte beim Verlag liegen, kann der Beitrag hier nicht zur Verfügung gestellt werden. Allerdings gibt es eine kurze Darstellung unter wolterskluwer-online.de.

Gerichtliche Ergänzungsaufforderungen werden nach wie vor dankbar entgegengenommen; siehe o.g. Aufruf.

Noch einmal (V): Verbraucherinsolvenz-Antragsformular

Bekanntlich wurde durch das RSB-VerkürzungsG vom 22.12.2020, BGBl. 2020 I Nr. 67 Seite 3328, die Verbraucherinsolvenzformularverordnung (VbrInsFV) geändert. Davon abweichend hat das BMJV eine eigene Version des Antragssatzes herausgegeben, die hier als “BMJV-Webseitenversion” bezeichnet wird (siehe nur unsere Meldung vom 31.3.2021).

Mit Schreiben vom 9.6.2021 an die Landesjustizverwaltungen versuchte das BMJV die Veröffentlichung der “Webseitenversion” zu erläutern: “Mit der Aktualisierung der Fassungsangabe wird darauf reagiert, dass es im Gesetzgebungsverfahren versehentlich unterlassen worden ist, die Angabe „Amtliche Fassung 7/2014“ auf die Angabe „Amtliche Fassung 1/2021” umzustellen.”

Weiter führt das BMJV u.a. aus: “Zwischenzeitlich (mehr …)

AG Ahaus: Die vom vollstreckbaren Tabellenauszug erfassten Forderungen können aus dem früheren Vollstreckungstitel nicht mehr vollstreckt werden

Das AG Ahaus hat am 25.1.2021, 6 M 1988/20, zu § 766 Abs. 2 ZPO; § 201 InsO entschieden: Die vom vollstreckbaren Tabellenauszug erfassten Forderungen können aus dem früheren Vollstreckungstitel nicht mehr vollstreckt werden.

Aus der Entscheidung: “st eine Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt, erfolgt die Vollstreckung nur noch mittels einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Insolvenztabelle. Insoweit werden bereits bestehende Titel durch die Feststellung zur Tabelle aufgezehrt (mehr …)

LG Bielefeld zur Unverhältnismäßigkeit der Versagung der Restschuldbefreiung

Hier der Hinweis auf Landgericht Bielefeld, 23 T 622/20, Beschluss 13.1.2021. Das LG hat die Versagung der Restschuldbefreiung geändert und die Restschuldbefreiung erteilt. Aus dem Beschluss:

“Zwar ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner für die Zeiträume vom 01.02. – 14.04.2019 sowie vom 18.06. – 30.06.2019 trotz mehrfacher Aufforderung … zunächst keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen gemacht hat und dadurch seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 Abs. 1 InsO zumindest grob fahrlässig verletzt hat. (…)

Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durfte jedoch die harte Sanktion der Versagung der Restschuldbefreiung nicht verhängt werden, da (mehr …)

SOZIALRECHT JUSTAMENT Juni (SGB II Schulden im Insolvenzverfahren)

Hinweis auf Sozialrecht Justament mit Aufsatz zur Thematik "SGB-II-Schulden im und nach dem Insolvenzverfahren" plus Arbeitshilfe der BA "Zusammenarbeit gemeinsamer Einrichtungen Inkasso"