Bündnis gegen Wucher gegründet

In Leipzig wurde am Donnerstag ein bundesweites Bündnis gegen Wucher gegründet. Mit dabei sind nicht nur die Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg, sondern auch das Institut für Finanzdienstleistungen (IFF) und der Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Udo Reifner. Wir sind dem Bündnis beigetreten. Darum geht es:


Für mehr soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft

Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Überhöhte Zinsen, Gebühren, „Entschädigungen“ und Prämien bei Kredit, Sparen und Versicherungen sind Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Prinzips, wonach man Gewinn auch auf Kosten anderer erzielen darf. Die Macht, die Eigentum, Vermögen und Status verleihen, darf danach auch zum Schaden anderer genutzt werden. Der Kapitalismus kann und will auf dies Anreizsystem nicht verzichten.

Doch es gibt Grenzen. Seit Jahrtausenden gilt das Wucherverbot des § 291 Strafgesetzbuch, wonach es niemandem erlaubt sein soll, dass er

„die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten 1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen, 2. für die Gewährung eines Kredits, 3. für eine sonstige Leistung oder 4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen“ und „in besonders schweren Fällen … 1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt, 2. die Tat gewerbsmäßig begeht,  …“

Dies Recht wird nicht angewandt, weil der Wucher zum System geworden ist. Verbraucher werden nicht mehr „ausgebeutet“. Vielmehr verfangen sie sich in wucherischen Systemen, die als solche nicht strafbar sind. Dazu gehören Kombinationsverträge, Inkassogebühren, Zinsen für totes Kapital, Familienmithaftung, Kettenverträge, Umschuldungen und „risikoadjustierte Preissysteme“.

Es gibt im Zivilrecht bereits einen Ansatz gegen den „systemischen Wucher“. Der Bundesgerichthof hat ein sittenwidriges wucherähnliches Geschäft einer Bank schon dann angenommen, wenn sie sich

„leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich der Darlehensnehmer nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehensbedingungen einlässt“ (Bundesgerichtshof Urt. v. 12.3.1981)

Der Satz ist bei Juristen in Vergessenheit geraten. Gleichwohl erklären Banken, Investmentfonds und Versicherer Armut und Not zu einem persönlichen Merkmal, das als Risiko wucherische Preise rechtfertige.  Inkassobranche und Zwangsvollstreckungsorgane treiben es ein.

Die Gesellschaft wird dadurch immer mehr zerrissen. Ihr unteres Drittel und deren Kinder werden abgekoppelt. Die Politik kuriert die Symptome und verspricht umzuverteilen. Gleichzeitig aber entzieht sie Prozesse der Kontrolle, die systematische Verarmung befördert und Wucherforderungen staatlich eintreiben. Man schöpft Wasser ab statt die Überflutung zu dämmen.

Wir wollen, dass das Wucherverbot ernst genommen, dass die Prozesse der Verarmung transparent gemacht und rechtlicher Kontrolle unterzogen werden. Wo der Wettbewerb versagt, muss das Recht Grenzen setzen. Solidarität beginnt im Prozess der Verarmung – nicht erst danach.


Quelle und mehr: PM Webseite VZ Sachsen und Bündnispapier als pdf

Bundestag verabschiedet Gesetz zum Versicherungsvertrieb (dabei: Restschuldversicherungen)

Der Bundestag hat vor einer Woche (29.6.2017) das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes“ verabschiedet – siehe HIB-Meldung und BT-Mediathek.

Dirk Ulbricht vom iff ist ungehalten: unter der Überschrift „Restschuldversicherung: Schnellschuss hilft den Hauptleidtragenden nicht“ findet er deutliche ablehnende Worte.

Auch der vzbv meint: „Gesetz zum Versicherungsvertrieb greift zu kurz“

Ergebnisse der Marktuntersuchung der BaFin zu Restschuldversicherungen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Mittwoch die „Ergebnisse der Marktuntersuchung der BaFin zu Restschuldversicherungen“ vorgelegt (pdf).

Hierzu kritisch der Verbraucherzentrale Bundesverband: „Wildwuchs beim Verkauf von Restschuldversicherungen“ sowie das Institut für Finanzdienstleistungen (iff): „Die BaFin zieht falsche Schlüsse“.

Aus letzterem: „Die BaFin stellt einen wichtigen Punkt klar: Restschuldversicherungen werden vollkommen überteuert verkauft. Ebenso wird aber leider ein weiterer wichtiger Punkt kleingeredet, nämlich der, dass das Produkt den Kunden häufig aufgedrängt wird. Restschuldversicherungen sind nicht selten sogar die Bedingung dafür, um überhaupt einen Kredit abschließen zu können.“

„SCHUFA Kredit-Kompass: Rückzahlungsquote mit 97,8 Prozent auf höchstem Niveau seit zehn Jahren“

„Verbraucher in Deutschland haben ihre Finanzen im Griff. Dies ist das Fazit des aktuellen SCHUFA Kredit-Kompass 2017, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums der SCHUFA fasst der aktuelle Kredit-Kompass neben der ausführlichen Analyse des Kreditverhaltens deutscher Verbraucher im Jahr 2016 auch die Entwicklung relevanter Indikatoren der vergangenen zehn Jahre zusammen.“ – Quelle und mehr: PM der Schufa

Europäische Kommission – Factsheet: Aktionsplan Finanzdienstleistungen für Verbraucher

Hier der Hinweis auf http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-670_de.htm. Daraus:

„Zur Absteckung noch bestehender Hindernisse und der Schaffung eines stärker integrierten EU-Marktes für Verbraucherfinanzdienstleistungen lancierte die Kommission im Dezember 2015 die Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden-Konsultation. Im Rahmen der Konsultation gingen Reaktionen eines breiten Spektrums interessierter Kreise, einschließlich von Verbrauchern, Verbraucherschutzorganisationen, Vertretern der Industrie und der Behörden ein. Die 428 bei der Kommission eingegangenen Beiträge bestätigten, dass Finanzdienstleistungen für Verbraucher in der EU noch nicht so weit integriert sind, wie sie es sein könnten. (mehr …)

vzbv fordert, Restschuldversicherung von Kreditvergaben zu entkoppeln

„Wer zahlt im Todesfall oder bei Jobverlust den Kredit ab? Abhilfe sollen Restschuldversicherungen schaffen. Deren Vermittlungspraxis ist jedoch umstritten. Mehr Klarheit soll die EU-Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (Englisch: Insurance Distribution Directive, IDD) bringen, die Regeln für Versicherungsvermittler ergänzt und ändert. Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht berät der Deutsche Bundestag am 30. März 2017 in erster Lesung [Anmerkung: als TOP 33 um 04.15 Uhr nachts zu BT-Drucksache 18/11627]. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht Nachbesserungsbedarf beim Gesetzentwurf.

Restschuldversicherung: Beratung mangelhaft (mehr …)