AG Lüneburg gibt Energiepreispauschale nach § 765a ZPO aus dem Insolvenzbeschlag frei

Hier der Hinweis auf AG Lüneburg, Beschl. v. 15.9.2022 – 46 IK 75/18, der in der ZInsO 2022, 2494 nachlesbar ist.

Demnach stellt die Energiepreispauschale (EPP) nach § 112ff EStG ein Arbeitseinkommen dar, so dass die §§ § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 850a, 850f ZPO nicht anwendbar sind.

Auch eine Anwendung der § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 851 ZPO, § 399 BGB sei ausgeschlossen, da die EPP dem Berechtigten zur freien Verfügung überlassen bleib.

Allerdings wendet das Gericht dann via § 4 InsO den § 765a ZPO an und zwar wie folgt:

Insolvenzschuldner gehören aufgrund der Tatsache, dass ihnen ohnehin nur der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO monatlich unpfändbare Einkommensbetrag zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verbleibt, zum einkommensschwachen Bevölkerungsanteil.

Somit würde es für den Schuldner eine ganz besondere Härte darstellen, würde die ihm zustehende Energiepreispauschale in die Insolvenzmasse fallen.

AG Aschaffenburg und AG Osnabrück: EPP (§ 112ff EStG) ist pfändbar

Hier der Hinweis auf

  • AG Aschaffenburg, 07.11.2022 – 654 IK 298/21
  • AG Osnabrück, Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 27 IK 6/22

Nach beiden Entscheidungen ist die Energiepreispauschale (gemeint: die allgemeine nach § 112ff EStG) pfändbar.

Das AG Osnabrück ist sehr kurz. Zentrale Sätze:

Ziel der Energiepreispauschale ist es, die wirtschaftlichen Folgen der gestiegenen Energiepreise zu reduzieren. Die Auszahlung erfolgt pauschal und kompensiert Mehrausgaben, die der Schuldner ggf. schon hatte. Eine tatsächliche Überprüfung des Energiekosten-Mehraufwands erfolgt allerdings nicht, sodass die erforderliche Zweckbindung des § 851 ZPO nicht vorliegt. (Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665). Insoweit kommt hier eine Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale nicht in Betracht (…)

Das AG Aschaffenburg befasst sich länger mit dem Thema. Daraus:

Nach der Systematik des Gesetzes sind alle Vermögensgegenstände pfändbar, außer sie sind unpfändbar. Es gibt keine gesetzliche Regelung die ausdrücklich regelt, dass die Energiepreispauschale unpfändbar ist. Deshalb ist umstritten, ob die Energiepreispauschale pfändbar und somit Insolvenzmasse ist (ablehnend: Grote, InsbürO 2022, 337; bejahend: Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665; Ahrens, NJW-Spezial 2022, 341; AG Norderstedt, Beschluss vom 15. September 2022 – 66 IN 90/19 -, juris; AG Osnabrück, Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 27 IK 6/22 -, juris).

AG Hamburg: Energiepreispauschale ist nicht von der Abtretung nach § 287 InsO erfasst

Mit Beschluss vom 5.10.2022, 67g IN 106/20, hat das Amtsgericht Hamburg entschieden:

[Es] wird der Antrag des Schuldners vom 28.09.2022 auf Anordnung der Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale zurückgewiesen.

Gründe: Das Insolvenzhauptverfahren ist am 07.10.2021 aufgehoben worden. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Schuldner in der sog. Wohlverhaltensperiode.

Da es sich bei der Energiepreispauschale nicht um Arbeitslohn handelt, ist diese Zahlung nicht von der Abtretung nach § 287 InsO erfasst. Der Treuhänder hat keinen Anspruch auf Auszahlung dieser Prämie. Der Antrag des Schuldners geht somit ins Leere. 

Der Beschluss als Scan. Achtung: hierbei handelt es sich um die Energiepreispauschale nach §§ 112ff EStG (hierzu etwa AG Norderstedt), nicht um die Pauschale für Rentner:innen (RentEPPG).

OLG Koblenz zu Mahn-, Rücklastschrift- und Inkassokosten

In der SCHUFA-Entscheidung des OLG Koblenz (18.05.2022, 5 U 2141/21) macht das Gericht auch Ausführungen zu diversen Nebenkosten. Diese sind durchaus lesenswert:

  • Die Mahnkosten sind gleichermaßen nicht schlüssig vorgetragen. Wann welche Forderung in welcher Höhe angemahnt wurde, wird nicht dargelegt. Schon die Notwendigkeit der Mahnungen kann der Senat damit nicht feststellen. Der Höhe nach sind die Mahnkosten ersichtlich überzogen. Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind lediglich die sachlichen Kosten ersatzfähig (BGH, Urteil vom 26.06.2019, VIII ZR 95/18). Ob solche überhaupt angefallen sind oder etwa elektronisch gemahnt wurde, kann der Senat aufgrund des Vortrages nicht feststellen. Da zum 01.07.2019 gerichtsbekannt die Portokosten erhöht wurden, können auch die Portokosten bei einer postalischen Mahnung nicht ohne weiteres geschätzt werden (§ 287 ZPO), zumal der Klägerin als Großabnehmer Rabatte gewährt werden dürften.
  • Letztlich sind auch die Rücklastschriftkosten unbegründet.

OLG Koblenz zu Mahn-, Rücklastschrift- und Inkassokosten

In der SCHUFA-Entscheidung des OLG Koblenz (18.05.2022, 5 U 2141/21) macht das Gericht auch Ausführungen zu diversen Nebenkosten. Diese sind durchaus lesenswert:

  • Die Mahnkosten sind gleichermaßen nicht schlüssig vorgetragen. Wann welche Forderung in welcher Höhe angemahnt wurde, wird nicht dargelegt. Schon die Notwendigkeit der Mahnungen kann der Senat damit nicht feststellen. Der Höhe nach sind die Mahnkosten ersichtlich überzogen. Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind lediglich die sachlichen Kosten ersatzfähig (BGH, Urteil vom 26.06.2019, VIII ZR 95/18). Ob solche überhaupt angefallen sind oder etwa elektronisch gemahnt wurde, kann der Senat aufgrund des Vortrages nicht feststellen. Da zum 01.07.2019 gerichtsbekannt die Portokosten erhöht wurden, können auch die Portokosten bei einer postalischen Mahnung nicht ohne weiteres geschätzt werden (§ 287 ZPO), zumal der Klägerin als Großabnehmer Rabatte gewährt werden dürften.
  • Letztlich sind auch die Rücklastschriftkosten unbegründet.

OLG Koblenz zum Anspruch auf Schadensersatz bei unberechtigter Datenmitteilung an die SCHUFA

Der vzbv weist auf das Urteil des OLG Koblenz vom 18.05.2022 (5 U 2141/21) hin. Aus der Entscheidung:

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat „jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist“, (…) „Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter“.

 Zutreffend und von der Klägerin mangels eigenen Berufungsangriffs nicht angegriffen, hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin ihre sich aus Art. 5, 6 iVm Art. 4 Nr. 2 DSGVO ergebenden Pflichten schuldhaft verletzt hat, indem sie eine Datenmitteilung an die SCHUFA … vornahm, obwohl die Interessen der Beklagten an einer Nichtveröffentlichung ihrer Daten hinsichtlich der zwischen den Parteien noch in Streit stehenden Forderung das Interesse der Klägerin an einer Mitteilung überwog.

Die Forderung war streitig und noch nicht tituliert, so dass eine Einmeldung nicht hätte erfolgen dürfen. Die Beklagte hat urkundlich nachgewiesen, dass sie den Anspruchsgrund gegenüber der Klägerin bestritten hat. Dass der nachgewiesen bei der Klägerin eingegangene Widerspruch offensichtlich nicht zum Vorgang gelangt ist, ist der Beklagten nicht anzulasten und entlastet die Klägerin nicht. Eine hinreichende Exculpation von der gesetzlichen Verschuldensvermutung (vgl. hierzu Quaas, BeckOK Datenschutzrecht, 39. Ed., Stand 01.11.2021, Rn. 17 ff.) ist nicht zu sehen. (…)

Dies war für die Klägerin auch ohne Weiteres erkennbar, so dass eine zumindest fahrlässige und damit schuldhafte Einmeldung unstreitig gegeben ist. Auf die Streitfrage, ob ein Verschulden erforderlich ist, um den immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen, kommt es danach vorliegend nicht an. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht dies in seiner Vorlageentscheidung zum EuGH vom 26.08.2021 (8 AZR 253/20) in Zweifel zieht und von einer Gefährdungshaftung ausgeht (Rn. 39), spricht Art. 82 Abs. 3 DSGVO, der eine Haftung bei fehlendem Verschulden im Sinne einer Beweislastumkehr ausschließt, gegen eine solche Sichtweise.

OLG Koblenz zum Anspruch auf Schadensersatz bei unberechtigter Datenmitteilung an die SCHUFA

Der vzbv weist auf das Urteil des OLG Koblenz vom 18.05.2022 (5 U 2141/21) hin. Aus der Entscheidung:

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat „jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist“, (…) „Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter“.

 Zutreffend und von der Klägerin mangels eigenen Berufungsangriffs nicht angegriffen, hat das Landgericht festgestellt, dass die Klägerin ihre sich aus Art. 5, 6 iVm Art. 4 Nr. 2 DSGVO ergebenden Pflichten schuldhaft verletzt hat, indem sie eine Datenmitteilung an die SCHUFA … vornahm, obwohl die Interessen der Beklagten an einer Nichtveröffentlichung ihrer Daten hinsichtlich der zwischen den Parteien noch in Streit stehenden Forderung das Interesse der Klägerin an einer Mitteilung überwog.

Die Forderung war streitig und noch nicht tituliert, so dass eine Einmeldung nicht hätte erfolgen dürfen. Die Beklagte hat urkundlich nachgewiesen, dass sie den Anspruchsgrund gegenüber der Klägerin bestritten hat. Dass der nachgewiesen bei der Klägerin eingegangene Widerspruch offensichtlich nicht zum Vorgang gelangt ist, ist der Beklagten nicht anzulasten und entlastet die Klägerin nicht. Eine hinreichende Exculpation von der gesetzlichen Verschuldensvermutung (vgl. hierzu Quaas, BeckOK Datenschutzrecht, 39. Ed., Stand 01.11.2021, Rn. 17 ff.) ist nicht zu sehen. (…)

Dies war für die Klägerin auch ohne Weiteres erkennbar, so dass eine zumindest fahrlässige und damit schuldhafte Einmeldung unstreitig gegeben ist. Auf die Streitfrage, ob ein Verschulden erforderlich ist, um den immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen, kommt es danach vorliegend nicht an. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht dies in seiner Vorlageentscheidung zum EuGH vom 26.08.2021 (8 AZR 253/20) in Zweifel zieht und von einer Gefährdungshaftung ausgeht (Rn. 39), spricht Art. 82 Abs. 3 DSGVO, der eine Haftung bei fehlendem Verschulden im Sinne einer Beweislastumkehr ausschließt, gegen eine solche Sichtweise.

Bundessozialgericht: Fristversäumnis ist unverschuldet, wenn Deutsche Post für die Zustellung länger braucht als von ihr grundsätzlich zugesagt

Zu Beginn der Kontoauszüge-Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt wird die fristgerechte Einreichung der Beschwerde bejaht und dabei auf BSG, 09.05.2022 – B 5 R 11/22 BH hingewiesen. Aus der BSG-Entscheidung (Fettdruck von uns):

(Rn 10:) Ein Fristversäumnis ist unverschuldet, wenn der Beteiligte die ihm nach seinen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt beachtet, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls nach allgemeiner Verkehrsanschauung zur gewissenhaften Prozessführung vernünftigerweise erforderlich ist (BSG Beschluss vom 27.3.2017 – B 9 V 68/16 B – juris RdNr 10 mwN). Bedient sich ein Beteiligter der Deutschen Post AG, so darf er regelmäßig darauf vertrauen, dass diese die von ihr für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten einhält. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass bei der Deutschen Post AG im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen entsprechend ihrer amtlichen Verlautbarungen grundsätzlich am folgenden Werktag ausgeliefert werden 

LSG Sachsen-Anhalt zur Pflicht, dem Jobcenter ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen

Hier der Hinweis auf den Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 31.08.2022, Aktenzeichen: L 5 AS 463/22 B ER mit dem Leitsatz:

Der Pflicht, ungeschwärzte Kontoauszüge zur Prüfung des Leistungsanspruchs vorzulegen, können sich selbständig tätige Leistungsbezieher nicht durch eine Berufung auf den gegenüber ihren Kunden zu leistenden Datenschutz entziehen.

Aus der Entscheidung: “[Die Antragstellerin] hat ihre Hilfebedürftigkeit für den Zeitraum von Juni bis Oktober 2022 nicht nachgewiesen. Diesen Nachweis hätte sie durch Übergabe ungeschwärzter Kontoauszüge an den Antragsgegner nachkommen können und müssen. Insbesondere bei den Zahlungseingängen dürfen die Kundendaten und Verwendungszwecke nicht geschwärzt werden. Lediglich auf der Ausgabenseite dürfen in beschränktem Umfang Schwärzungen vorgenommen werden. (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 10/08 R [17], Juris). (…)

Das verpflichtet die Antragsteller grundsätzlich zur Vorlage der Kontoauszüge der letzten Zeit vor Antragstellung – hier drei Monate -, jedoch mit der Einschränkung, dass die Angaben zu Empfängern nicht leistungserheblicher Zahlungsausgänge auf den Kontoauszügen geschwärzt werden können (vgl. nur BSG, Urteil vom 14. Mai 2020, B 14 AS 7/19 R [21,22], Juris). (…)