BGH zur Prüfpflicht des Insolvenzverwalters bezüglich Schuldnerkonten

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21 – Leitsätze:

  1. Der Insolvenzverwalter hat die ihm bekannten Konten der Hausbank des Schuldners innerhalb eines angemessenen Zeitraums darauf zu überprüfen, ob ihm die Kontounterlagen vollständig vorliegen und die Kontounterlagen Anhaltspunkte für anfechtungsrelevante Vorgänge enthalten.
  2. Grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter seine Ermittlungspflichten in besonders schwerer, auch subjektiv vorwerfbarer Weise vernachlässigt hat.
  3. Hinsichtlich eines in den Drei-Monats-Zeitraums der Deckungsanfechtung fallenden Anfechtungstatbestandes liegt regelmäßig grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Insolvenzverwalter die Überprüfung der ihm bekannten von der Hausbank des Schuldners geführten Konten für mehr als drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlässt und sich ihm aufgrund der aus den Kontounterlagen erkennbaren Zahlungsvorgänge und der ihm bekannten sonstigen Tatsachen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

BGH zur Insolvenzanfechtung

BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – IX ZR 148/19

  1. Wird die Verbindlichkeit, welche die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners trägt, erfüllt oder gestundet, und will der Verwalter die Vermutung der Fortdauer der Zahlungseinstellung für sich in Anspruch nehmen, kann er unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast gehalten sein, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen, insbesondere zu weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten des Schuldners vorzutragen.
  2. Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
  3. Einem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, fehlt in der Regel der für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.

BGH zur Vorsatzanfechtung

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 06.05.2021, Aktenzeichen: IX ZR 72/20. Die Leitsätze:

1. Die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist.

2. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners setzt im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit zusätzlich voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen. (mehr …)

BGH zur Insolvenzanfechtung bei Zahlungen des Schuldners von einem einfachen, nicht geschützten Konto

RA Kai Henning weist in seinem aktuellen Inso-Newsletter auf BGH, Urteil 12.9.19, IX ZR 264/18 hin.

1. Zahlungen des Schuldners von einem einfachen, nicht geschützten Konto sind grundsätzlich gläubigerbenachteiligend und damit anfechtbar. Nur Zahlungen des Schuldners aus dem geschützten Bereich eines Pfändungsschutzkontos, von einem Konto, zu dem vor dem 1.7.2010 ein Vollstreckungsschutzantrag gem. § 850k a.F. ZPO gestellt wurde, oder aus gem. § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO geschütztem Guthaben sind nicht gläubigerbenachteiligend und damit auch nicht anfechtbar.

2. Unterhaltszahlungen des Schuldners von einem einfachen, nicht geschützten Konto sind nicht anfechtbar, wenn der Schuldner nach den Umständen des Einzelfalls ohne den erforderlichen Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat.

Anmerkung von RA Henning: (mehr …)

BGH zur Insolvenzanfechtung bei Zahlung vom Konto eines Dritten

BGH, Urteil vom 12. April 2018 – IX ZR 88/17- Leitsatz:

Weiß das Finanzamt, dass ein Dritter, welcher sich für die Steuerverbindlichkeiten des Schuldners verbürgt hat, auf Weisung und unter Verrechnung mit einer Kaufpreisforderung des Schuldners die Steuerschulden tilgt, hat es Kenntnis von der gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners

Zahlung einer Geldbuße kann nicht angefochten werden, wenn sie aus dem unpfändbaren Einkommen des Insolvenzschuldners geleistet wurde

AG Kassel, Urt. v. 14.11.2017 – 435 C 1558/17 – Leitsatz:

Eine Zahlung auf eine Geldbuße unterliegt dann nicht der Insolvenzanfechtung, wenn sie unstreitig aus dem unpfändbaren Einkommen des Insolvenzschuldners geleistet wurde.

vgl. auch unsere Meldung BGH zur Insolvenzanfechtung: Zahlungen vom P-Konto anfechtungsfest?

BGH zur Insolvenzanfechtung bei monatelangem Schweigen des Schuldners

BGH, Urteil vom 18. Januar 2018, IX ZR 144/16:

Schweigt der Schuldner einer erheblichen, seit mehr als neun Monaten fälligen Forderung nach anwaltlicher Mahnung und Androhung gerichtlicher Maßnahmen bis zum Erlass eines Vollstreckungsbescheids und bietet er erst nach dessen Rechtskraft die Begleichung der Forderung in nicht näher bestimmten Teilbeträgen aus seinem laufenden Geschäftsbetrieb an, hat der Gläubiger die Zahlungseinstellung des Schuldners erkannt.

BAG zur Insolvenzanfechtung bei Ratenzahlungsvereinbarung mit Gerichtsvollzieher

BAG, Urt. v. 20.09.2017 – 6 AZR 58/16 – Leitsatz des Gerichts:

Teilzahlungen, die der Schuldner auf eine nach § 802b ZPO (bis 31. 12. 2012 § 806b ZPO) mit dem Gerichtsvollzieher geschlossene Zahlungsvereinbarung erbringt, sind selbstständig anfechtbar. Ob diese Zahlungen inkongruente Deckung bewirken, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem sie die Befriedigung des Gläubigers bewirken. Das ist der Zeitpunkt, in dem der Gerichtsvollzieher den an ihn gezahlten Teilbetrag an den Gläubiger auskehrt.

vorgehend ArbG Aachen, 21. Oktober 2014, Az: 3 Ca 1622/14 h, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 27. August 2015, Az: 7 Sa 342/15, Urteil