Kritik an Änderungen im Inkassorecht von mehreren Seiten

Um Verbesserungen im Inkassorecht ging es bei der gestrigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz unter Leitung von Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU). Während Verbraucherschützer und Schuldnerberater in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/20348) keine Verbesserung der aktuellen Situation für Verbraucher sehen, hält ihn die Inkasso-Branche für unausgewogen. Kritik kam auch vonseiten der Rechtsanwälte. – Bericht auf bundestag.de.

Siehe auch unsere Meldung vom 15.09.2020 mit Links zu den schriftlichen Stellungnahmen.

Bundesrat: Ausschussempfehlungen zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Der Bundesrat wird sich nächste Woche mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (19/21981) befassen. Dazu liegt eine sehr lesenswerte Ausschussempfehlung vor (BR-Drucksache 439/1/20).

Demnach hat der Bundesrat u.a. zu beschließen über

  • Änderung der Übergangsfristen!

Ansonsten stunde zu befürchten, “dass durch die jetzige Regelung nicht nur das Vertrauen der Betroffenen in die Gesetzgebung, sondern auch in die Beratungskräfte erschüttert wird.”

Schuldnerberatungsstellen der Diakonie schlagen Alarm: überschuldete Menschen dürfen nicht auf der Strecke bleiben

PM der Diakonie Deutschland vom 4.9.2020: Schuldnerberatungsstellen der Diakonie schlagen Alarm! Die Corona-Krise führt zu deutlich höheren Beratungsanfragen. Je länger die Corona-Krise anhält, umso mehr Menschen geraten in finanzielle Schwierigkeiten.

Je länger die Corona-Krise anhält, umso mehr Menschen geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Betroffen sind nicht nur bereits zuvor überschuldungsgefährdete Menschen, sondern zunehmend auch Menschen mit mittleren Einkommen. (mehr …)

Tacheles e.V.: „Schulcomputer als Mehrbedarf beantragen und Leistungsanspruch durchsetzen. So geht’s!“

Hier der Hinweis auf den Beitrag „Schulcomputer als Mehrbedarf beantragen und Leistungsanspruch durchsetzen. So geht’s!“ von Tacheles e.V. mit Musterschreiben und wichtigen Hinweisen.

“Die Schule hat in den meisten Bundesländern wieder begonnen, es ist zu erwarten, dass es coronabedingt immer wieder  zu teilweisen Schulschließungen kommen wird, zudem wird immer mehr auf digitales Lernen gesetzt. Im Rahmen des DigitalPakts Schule werden den Schulen irgendwann, vielleicht zum Jahresende, digitale Endgeräte zur Verfügung stehen.

Die SchülerInnen und Schüler brauchen aber jetzt digitale Endgeräte und solange diese nicht durch das DigitalPakts zur Verfügung gestellt werden, sind sie sozialrechtlicher Bedarf.”

Ines Moers in Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung: “Private Verschuldung in der Corona-Krise – Wie kann die Schuldner- und Insolvenzberatung gestärkt werden?”

In der Reihe WISO-direkt hat der Arbeitsbereich Verbraucherpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) jüngst die Publikation Private Verschuldung in der Corona-Krise: Wie kann die Schuldner- und Insolvenzberatung gestärkt werden? veröffentlicht. BAG-SB Geschäftsführerin Ines Moers skizziert darin aktuelle Herausforderungen des Fachgebiets und leitet anschließend klare politische Handlungsempfehlungen ab. – Direkt zum Papier

Diakonie: Kabinettsbeschluss für neue Hartz IV-Regelsätze schreibt Armut fort

Die Bundesregierung meldet: “Regelsätze steigen zum 1. Januar 2021. Wer auf staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen ist, bekommt ab Januar 2021 mehr Geld. Alleinstehende erhalten dann 439 Euro im Monat – sieben Euro mehr als bisher. Das hat das Bundeskabinett beschlossen.

Dazu meldet die Diakonie (mehr …)

Stellungnahme der AG SBV zum Restschuldbefreiungs-Verkürzungsgesetz

Die AG SBV nimmt zum Regierungsentwurf des “Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens” Stellung.

Unter anderem: Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt ausdrücklich, dass entsprechend der Empfehlung im Erwägungsgrund 21 der EU-Richtlinie die Entschuldungsfrist von drei Jahren für alle natürlichen Personen gelten soll. Dagegen lehnt die AG SBV ab, dass diese Regelung zunächst nur befristet bis 2025 eingeführt werden soll. Es sind aus Sicht der sozialen Schuldnerberatung keine Gründe ersichtlich, die eine Befristung der Regelung zur Verkürzung in irgendeiner Weise rechtfertigen würden.

Stellungnahmen zum Regierungsentwurf “Inkassogesetz”

Im April hat die Bundesregierung den “Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften” beschlossen (vgl. unsere Meldung).

Nach der Bundestagsdebatte vom 1.7.2020 liegen nun zwei Stellungnahmen vor:

Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung im DAV empfiehlt: Insolvenzantrag erst ab Oktober 2020 stellen

Hier der Hinweis auf die PM der Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) zum RegE-Verkürzungsgesetz.

“Die Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im DAV begrüßt die Regelung nachdrücklich, insbesondere vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Corona-Krise. (…)

Wir bedauern allerdings, dass Auskunfteien Einträge über die Erteilung der Restschuldbefreiung auch weiterhin drei Jahre speichern können“, so Henning (mehr …)

MdB Manuela Rottmann (B90/Grüne): “Der dümmste aller denkbaren Kompromisse: Regierungsentwurf zur Verkürzung der Frist bis zur Restschuldbefreiung nach Insolvenz untauglich”

Manuela Rottmann, Obfrau der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, erklärt [Klammerlinks von uns]:

“Selbständige und Verbraucher hätten noch vor der Sommerpause Sicherheit gebraucht, dass es auch nach einer Insolvenz in Folge des wirtschaftlichen Einbruchs der letzten Monate für sie weiter geht. Deshalb haben die Grünen schon zu Beginn dieser Einschränkungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie die sofortige Verkürzung der Frist zur Restschuldbefreiung von bislang sechs auf nur noch drei Jahre gefordert [vgl.]. Der Verband der Insolvenzverwalter hat sich der Forderung der Grünen angeschlossen [vgl.]. Verbote gewerblicher Betätigung sollten zudem nicht mehr allein auf die Insolvenz gegründet werden können. Um einen Neustart zu erleichtern, muss außerdem die Speicherung der Insolvenz durch Schuldnerauskunfteien auf ein Jahr nach Abschluss des Insolvenzverfahrens begrenzt werden. Darüber hinaus lässt sich keine Rechtfertigung für eine Speicherung mehr begründen. Wegen der Dringlichkeit hat die Grüne Bundestagsfraktion dazu bereits im April einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht (BT-Drs. 19/18681).
Nach langem Zögern kündigte die Bundesregierung im Rahmen ihres sogenannten Konjunkturpakets zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie an, die Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre zu verkürzen.

Der heute vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf [hier] ist allerdings eine große Enttäuschung: Er kommt viel zu spät, er setzt Fehlanreize, er hilft gerade denen nicht, die durch die Pandemiebekämpfung unverschuldet ihre Forderungen nicht mehr bedienen können.

Durch das lange Zuwarten der Justizministerin kann der Bundestag die Restschuldbefreiung erst nach der parlamentarischen Sommerpause vom Bundestag beschließen. Dabei brauchen die Menschen jetzt eine verlässliche Grundlage für die Entscheidung über ihre Zukunft.

Noch schlimmer: Für alle Insolvenzanträge, die vor dem 1. Oktober 2020 gestellt werden, verkürzt sich die Frist zur Restschuldbefreiung nur allmählich [vgl.]. Wer am 30.9.2020 einen Insolvenzantrag stellt, weil er wegen Kurzarbeit oder Einschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigung seine Forderungen absehbar nicht mehr bedienen kann, muss nach dem Regierungsentwurf vier Jahre und zehn Monate auf eine Restschuldbefreiung warten. Wer den Antrag einen Tag später am 1.10.2020 stellt, kann damit in drei Jahren rechnen. Das ist der dümmste aller denkbaren Kompromisse. Mit dem Regierungsentwurf werden so starke Anreize gesetzt, dass ein Schuldner, auch wenn er weiß, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist, den Antrag bis zum 1.10.2020 hinauszögert. Es wird also genau das zusätzliche Risiko für Gläubiger geschaffen, das die Koalition angeblich vermeiden will. Eine sofortige Verkürzung der Frist gerade angesichts der zahlreichen zu erwartenden unverschuldeten Insolvenzen wäre für den Markt viel sicherer gewesen und hätte solch taktisches Verhalten ausgeschlossen.

Falsch ist es auch, dass die Koalition die jahrelange Speicherung der Informationen über das Insolvenzverfahren bei Auskunfteien beibehalten will. Hier wurde der Lobby derjenigen nachgegeben, die mit solchen Informationen ihr Geld verdienen. Gerade Menschen, die jetzt unverschuldet zahlungsunfähig geworden sind, hängt man damit einen Mühlstein um den Hals, der einen Neuanfang, etwa den Abschluss von Miet- oder Darlehensverträgen, deutlich erschwert.

Schließlich wird die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre für Verbraucherinnen und Verbraucher befristet. Auch das ist Unsinn. Die Evaluation der bisherigen Insolvenzrechtsreformen hat gezeigt, dass Insolvenzen im Verbraucherbereich weit überwiegend auf Ereignisse wie Scheidung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit zurück zu führen sind [vgl.] und dass lange Fristen die Schuldner bei der Überwindung ihrer Krisen behindern, den Gläubigern aber keine nennenswerte zusätzliche Befriedigung ihrer Forderungen bringen.

Im drastischsten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der Bundesrepublik hätten die Menschen ein Signal des Vertrauens in ihren Neuanfang gebraucht. Von der Bundesregierung schlägt ihnen aber nur Misstrauen und Gängelei entgegen.”