Bundestag entscheidet morgen über 100%-Bürgergeld-Regelsatz-Sanktion

Morgen stimmt der Bundestag auch über den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für ein zweites Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 (20/9999) ab. – Quelle und mehr

In diesem Gesetz versteckt ist die neue Regelung, welche die totale Streichung des Regelsatzes im SGB II vorsieht, “wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte, deren Bürgergeld wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 3 oder Absatz 2 Nummer 4 innerhalb des letzten Jahres gemindert war, eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen.” (Artikel 5 des Gesetzes)

Die Neue Richtervereinigung macht diesbezüglich auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die beabsichtigte Einführung einer den gesamten Regelbedarf umfassenden Leistungsminderung (vormals: Sanktion) und die drohende Zweckverfehlung des Vorschlages aufmerksam. Sie sieht eine Gefahr, “denn auflaufende Stromschulden und Zahlungsprobleme bei Ausgaben für Kommunikation, Verkehr und Gesundheitskosten (Zuzahlungen und verschreibungsfreie Medikamente) werden regelmäßig entstehen und nach dem Vorschlag nicht durch Sachleistungen aufgefangen. Sie belasten die Betroffenen nicht nur in besonderer Weise, sondern behindern sie in der Wahrnehmung von Aktivitäten zur Arbeitsaufnahme.”

Die Richtervereinigung weist darauf hin, dass das BVerfG betont hat, dass auch Personen, denen “unwürdiges” Verhalten oder sogar schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind, den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht verlieren (Urteil vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16, Rn 120). Vor diesem Hintergrund bedürfen – so die Vereinigung weiter – “die gesetzgeberischen Entscheidungen einer besonders sorgfältigen Abwägung, die nicht in einem gesetzgeberischen Schnellverfahren mit fehlerhafter Zweckausrichtung, nämlich zur Realisierung fiskalischer Interessen statt der Ausrichtung auf die teilhabeorientierte Mitwirkung, getroffen werden sollten.”

Kreditzweitmarktförderungsgesetz in Kraft

Das “Kreditzweitmarktförderungsgesetz” ist in Kraft, siehe www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/411/VO.html und www.gesetze-im-internet.de/krzwmg/index.html

Siehe hierzu die Gemeinsame Stellungnahme des Arbeitskreises InkassoWatch, der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V.,
des Verbraucherzentrale Bundesverbands und weitere VZs zum Referentenentwurf. Diese trägt den Titel “ZENTRALE INKASSOAUFSICHT ERHALTEN”

Es sieht so aus, dass die Warnungen erfolglos waren und nun eine Zersplitterung der Inkassoaufsicht droht, die ja nun gerade an sich zentralisiert werden sollte ab 2025; mehr hier.

Siehe § 1 Abs. 3 KrZwMG (” Teil 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes findet vorbehaltlich § 15 Absatz 4, § 28 Absatz 2, § 30 Absatz 2 und § 46 Absatz 1 Satz 2 auf Kreditdienstleister, soweit sie Kreditdienstleistungen erbringen, die diesem Gesetz unterfallen, keine Anwendung.” –> also vor allem nicht § 13h RDG!) und § 3 Abs. 5 KrZwMG (“Die Bundesanstalt und das Bundesamt für Justiz wirken zusammen auf eine widerspruchsfreie Aufsichtspraxis über Kreditdienstleistungen und Inkassodienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz hin, soweit für diese Tätigkeiten vergleichbare gesetzliche Anforderungen gelten.”)

Zu den geplanten Verschärfungen im SGB II – Sanktionsrecht: Tacheles Pressemitteilung und Einschätzung von Prof. Stefan Sell

Zu den geplanten Verschärfungen im Sanktionsrecht hatte Tacheles den Vorreferentenentwurf der Gesetzesänderung und weiteres Material dazu veröffentlicht.

Ebenso gibt es eine Presseerklärung vom 3.1.2024. Daraus zusammengefasst: Für den Erwerbslosenverein Tacheles e.V. ist die gesetzliche Maßnahme der Bundesregierung mit einer Zielsetzung konkreter Haushaltseinsparungen weder geeignet noch verfassungskonform. Sie bedient vielmehr Ressentiments und Vorurteile, die aktuell in weiten Teilen unserer Parteienlandschaft in einer sozialpolitischen Debatte hochgehalten werden, die mit Sachlichkeit und Fachkunde nichts mehr gemein haben und zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen.

Prof. Sell fordert Zahlen und spricht in seinem Beitrag zu den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II von potemkinschen „Einsparungen“. Sein Beitrag „Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche „Einsparungen“ mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II“ ist lesenswert.

Entlastung: Deutlich geringere Krankenkassenbeiträge für Kleinselbstständige

Freiwillig versicherte Selbstständige können aufatmen, so die Meldung des vzbv: Freiwillig Versicherte haben nun mehr Zeit, ihre Steuerunterlagen bei ihrer Krankenkasse einzureichen. Der Gesetzgeber hat zudem ermöglicht, dass Krankenkassen die Beiträge rückwirkend senken müssen, auch wenn aufgrund säumiger Steuerunterlagen bereits der Höchstsatz von monatlich 800 Euro festgesetzt war. Am 24. November hat auch der Bundesrat der Neuregelung zugestimmt.

[Anmerkung: es geht offenbar um Artikel 8j des Pflegestudiumstärkungsgesetzes – PflStudStG, in dem als “Weitere Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch” die §§ 240, 423 SGB V geändert werden. Vgl. BR-Drucksache 540/23 und die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 20/8901.]

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt das. „Die hohen Beitragsforderungen der Krankenkassen drohten, viele kleinere Selbstständige in ihrer Existenz zu gefährden. Zum Beispiel für Friseure oder Betreiber eines kleinen Kiosks sind Buchhaltung und ein Steuerberater teure Dienstleistungen, die erst einmal mitverdient werden müssen. Daher ist es richtig, dass der Gesetzgeber nun entschieden hat, dass Krankenkassen die Einkommensnachweise ihrer Versicherten auch dann berücksichtigen müssen, wenn die Frist bereits verstrichen ist“, sagt Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege im vzbv.

Seit 2018 werden Beiträge von freiwillig versicherten Selbstständigen generell vorläufig aufgrund des Einkommenssteuerbescheides des Vorjahres festgesetzt. Weist das Mitglied nicht innerhalb von drei Jahren das Einkommen auf Verlangen der Krankenkasse nach, so gilt zunächst der Höchstbeitrag. Hierbei wird fiktiv ein Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze angenommen, die aktuell bei knapp 5.000 Euro pro Monat liegt.

Neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie in Kraft

Letzte Woche ist die neue Verbraucherkreditrichtlinie – genauer: Richtlinie (EU) 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/48/EG – in Kraft getreten.

Die Richtlinie muss noch von den Mitgliedsländern umgesetzt werden. Artikel 48 regelt dies wie folgt: Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 20. November 2025 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie wenden diese Vorschriften ab dem 20. November 2026 an.

Siehe zum Einstieg in das Thema die Webseite des BMUV Verbraucherkreditrichtlinie von EU-Staaten aktualisiert und unsere Meldungen /?s=verbraucherkreditrichtlinie.

Der Text der Richtlinie ist unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:L_202302225 nachlesbar.

Zur Richtlinie gibt es eine Zusammenfassung des vzbv sowie auch dessen Forderungspapier “Verantwortliche Kreditvergabe gesetzlich fördern – Zehn Anforderungen an die nationale Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie

Neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie in Kraft

Letzte Woche ist die neue Verbraucherkreditrichtlinie – genauer: Richtlinie (EU) 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/48/EG – in Kraft getreten.

Die Richtlinie muss noch von den Mitgliedsländern umgesetzt werden. Artikel 48 regelt dies wie folgt: Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 20. November 2025 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie wenden diese Vorschriften ab dem 20. November 2026 an.

Siehe zum Einstieg in das Thema die Webseite des BMUV Verbraucherkreditrichtlinie von EU-Staaten aktualisiert und unsere Meldungen /?s=verbraucherkreditrichtlinie.

Der Text der Richtlinie ist unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=OJ:L_202302225 nachlesbar.

Zur Richtlinie gibt es eine Zusammenfassung des vzbv sowie auch dessen Forderungspapier “Verantwortliche Kreditvergabe gesetzlich fördern – Zehn Anforderungen an die nationale Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie

Regelsätze für 2024: Bundesrat stimmt zu

Letzten Freitag hat der Bundesrat den neuen Regelsätzen zugestimmt; genauer der – Achtung Wortungeheuer: – Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2024; siehe BR-Drs. 454/23.

Alleinstehende Erwachsene erhalten ab Januar 2024 monatlich 563 Euro – 61 Euro mehr als bisher. Übersicht:

Regelbedarfsstufe 1 (alleinlebende Erwachsene)563 Euro
Regelbedarfsstufe 2 (Erwachsene Partner*innen)506 Euro
Regelbedarfsstufe 3 (Erwachsene; § 27b SGB XII)451 Euro
Regelbedarfsstufe 4 (Jugendliche 14 bis 17 Jahre)471 Euro
Regelbedarfsstufe 5 (Kind 6 bis 13 Jahre)390 Euro
Regelbedarfsstufe 6 (Kind bis 6 Jahre)357 Euro

Auch die Beträge für den persönlichen Schulbedarf erhöhen sich um etwa zwölf Prozent: im ersten Schulhalbjahr von 116 Euro auf 130 Euro und im zweiten Schulhalbjahr von 58 Euro auf 65 Euro. Zum Schulbedarf zählen zum Beispiel Schreibutensilien, Taschenrechner oder Bastelmaterial.

Siehe für weitere Informationen und eine Einordnung die Seite des Paritätischen. Daraus: “In der politischen Debatte wird verschiedentlich wieder einmal auf ein Lohnabstandsgebot verwiesen: Erwerbsarbeit lohne sich nicht oder nur zu wenig, weil die Grundsicherungsleistungen zu stark stiegen. Dazu prinzipiell: die rechtliche Norm eines Lohnabstandes wurde vom Bundesverfassungsgericht 2010 kritisiert und findet sich seitdem nicht mehr im Gesetz. Für die Ermittlung des Existenzminimum sind die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt rechtlich nicht relevant. Gleichwohl ist es eine gesellschaftlich geteilte Norm, dass Erwerbstätige mehr Geld zur Verfügung haben sollen als Nicht-Erwerbstätige. Dies ist mit den geltenden Regeln auch gewährleistet, da [wird ausgeführt]”

Regierungsentwurf: Inflationsausgleich für rechtliche Betreuerinnen und Betreuer

Rechtliche Betreuerinnen und Betreuer sollen eine Sonderzahlung erhalten, um die finanzielle Mehrbelastung abzufedern, die ihnen infolge der Inflation entstanden ist. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den die Bundesregierung gestern auf Vorschlag des Bundesministers der Justiz beschlossen hat. Von der Sonderzahlung sollen Betreuungsvereine, selbständige berufliche Betreuerinnen und Betreuer und auch ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer profitieren. Der Gesetzentwurf sieht daneben eine Änderung des Betreuungsorganisationsgesetzes vor, um ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer bei der Prüfung ihrer persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit zu entlasten.

Quelle und mehr: Pressemitteilung des BMJ

Kabinett beschließt Kindergrundsicherung

Vorgestern hat das Bundeskabinett die Einführung einer Kindergrundsicherung beschlossen. Dazu: