LG Hildesheim zur EStG-Energiepreispauschale nach neuem Recht

Hier der Hinweis auf LG Hildesheim, Beschluss vom 30.12.2022, 6 T 63/22; hier als PDF. Orientierungssätze von Matthias Butenob:

  1. Ist streitig, ob ein bestimmter Gegenstand gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 InsO der Zwangsvollstreckung unterliegt, entscheidet hierüber auf Antrag das Insolvenzgericht.
  2. Dies gilt aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 S. 2 auf § 850ff. ZPO auch für den Antrag des Schuldners, ihm einen Teil seines nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d, 850i ZPO pfändbaren Einkommens zu belassen (BGH NZI 2003, 389).
  3. Der Anspruch auf die EStG-Energiepreispauschale ist – nach „Nachbesserung” durch den Gesetzgeber – nunmehr ausdrücklich unpfändbar (§ 122 Satz 2 EStG), so dass er nicht Gegenstand der Insolvenzmasse ist und sich der Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto dementsprechend in Höhe der – steuerbereinigten – Energiepreispauschale erhöht.
  4. Der gesetzliche Freibetrag von 1.340,00 € war damit für den Monat September 2022 um die an den Schuldner ausgezahlte (steuerbereinigte) Energiepreispauschale auf 1.572,42 € zu erhöhen.

Nicht problematisiert wurde, dass der Antrag des Schuldners schon vom 1.9.2022 und die aufgehobene erstinstanzliche Entscheidung vom 4.11.2022 datierte.

Offenbar ging das Landgericht – unausgesprochen – von folgendem aus (zitiert nach BGH 10.08.2022 – VII ZB 5/22; Fett hier):

Änderung der Verbraucherinsolvenzformularverordnung tritt morgen in Kraft

Vor gut drei Wochen hatten wir auf eine anstehende Änderung der VbrInsFV hingewiesen (Verbraucherinsolvenzformularverordnung: Änderung der Fußzeile mit der Fassungsangabe).

Nun ist es soweit: die Änderung wurde heute als Artikel 3 der “Verordnung zur Ablösung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung und zur Änderung der Beratungshilfeformularverordnung und der Verbraucherinsolvenzformularverordnung sowie zur Aufhebung der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung” im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 52, Seite 2368 bzw. 2410) verkündet.

Damit tritt die Änderung nach Artikel 4 Abs. 1 der Verordnung morgen in Kraft.

Was ist mit den Anträgen, die vielleicht noch die alte Fußzeile enthalten?

LG Berlin zur Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bei Auskunftspflichtverletzung des Schuldners

Das LG Berlin hat am 11.2021 unter 84 T 99/21 eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen – Orientierungssatz:

Es reicht für eine Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4c Nr. 1 Halbsatz 2 InsO nicht aus, wenn der Schuldner seine allgemeine Mitwirkungspflicht durch Nichterteilung einer Auskunft verletzt.

Aus der Entscheidung: “Vorliegend hat das Amtsgericht den Schuldner mit der Verfügung vom 07.12.2020 ausdrücklich lediglich dazu aufgefordert, dem Treuhänder — und nur diesem — lückenlose Einkommensnachweise für die Zeit seit Februar 2020 vorzulegen. Darauf hat der Schuldner nicht reagiert. In einer derartigen unterlassenen Mitwirkung kann eine Obliegenheitsverletzung liegen, die unter Umständen bis zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann; sie rechtfertigt aber nicht unmittelbar die Aufhebung der Stundung nach § 4c Nummer 1 Halbsatz 2 InsO. Die Aufhebungsgründe nach § 4c InsO sind grundsätzlich eng auszulegen. Andernfalls würde mit der Aufhebung der Stundung im Ergebnis bereits der Entscheidung über die Restschuldbefreiung vorgegriffen; denn in zahlreichen Fällen wird der Schuldner die dann fälligen Verfahrenskosten nicht aufbringen können und damit Gefahr laufen, dass das Insolvenzverfahren nach § 207 Absatz 1 InsO eingestellt oder die Restschuldbefreiung nach § 298 InsO versagt wird.”

Siehe dazu auch den lesenswerten Beitrag von Franziska Hackenberg unter NZI 2022, 545.

Verbraucherinsolvenzformularverordnung: Änderung der Fußzeile mit der Fassungsangabe

Laut Tagesordnung wird sich der Bundesrat am 16.12.2022 unter Top 46 auch mit der Verbraucherinsolvenzformularverordnung (VbrInsFV) befassen. Das BMJ hat unter Artikel 3 folgende Änderung vorgeschlagen (Seite 45, Druckseite 51):

In der Anlage der Verbraucherinsolvenzformularverordnung vom 17. Februar 2002 (BGBl. I S. 703), die zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3328) geändert worden ist, werden jeweils in der Fußzeile die Wörter „Amtliche Fassung 7/2014“ durch die Wörter „Amtliche Fassung 1/2021“ ersetzt.

Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat (auch) diesen Artikel gebilligt und die Zustimmung des Bundesrates empfohlen[1], so dass davon auszugehen ist, dass das Plenum des Bundesrats der Änderung der VbrInsFV am 16.12.2022 zustimmen wird. Der Artikel 3 soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten[2].

Vor diesem Hintergrund sollten alle Beratungsstellen, die noch – richtigerweise, siehe nur unsere Meldung zuletzt vom 16.7.2021 und Butenob, ZInsO 2021, 831 – die Angabe “Amtliche Fassung 7/2014” nutzen, diese Angabe durch “Amtliche Fassung 1/2021” ersetzen.

Dies ist nach der Verordnungsbegründung (Seite 81, Druckseite 87: “Zur besseren Erkennbarkeit der geänderten Fassung wurde in der Praxis unter Heranziehung des § 2 Nummer 1 dieser Verordnung auch bereits die Fassungsangabe in der Fußzeile jedes Formularblattes aktualisiert.”) ab sofort möglich.


[1]    BR-Drucksache 561/1/22

[2]    Artikel 4 der Verordnung.

BGH zur Abführungspflicht des selbständig tätigen Insolvenzschuldners

BGH, Beschluss vom 29. September 2022 – IX ZB 48/21 – Leitsatz

Hat der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners freigegeben und erzielt der Schuldner zusätzlich Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung, kann das Insolvenzgericht nicht anordnen, dass der unpfändbare Betrag in erster Linie den Einkünften des Schuldners aus seiner selbständigen Tätigkeit oder den fiktiven Einkünften aus dem angemessenen Dienstverhältnis zu entnehmen ist.

§ 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO a.F.

Entwurf eines Gesetzes (…) zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes

Für die “Verbraucher:innen-Schuldnerberatung” nicht relevant, aber der Vollständigkeit halber: Das Kabinett hat heute den von dem Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann vorgelegten Entwurf einer Formulierungshilfe der Koalitionsfraktionen zur Umsetzung der insolvenzrechtlichen Vorgaben aus dem 3. Entlastungspaket beschlossen.

  • Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung wird verkürzt
  • Die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen werden verkürzt
  • Die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung wird erhöht

Quelle: PM BMJ

BGH zum Erstattungsanspruch eines Fluggastes bei insolventem Luftfahrtunternehmen

BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – IX ZR 140/21 zur Fluggastrechte-VO Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 8 Abs. 1 lit. a – Leitsatz:

Wird ein Flug nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Luftfahrtunternehmens annulliert, stellt der Erstattungsanspruch eines Fluggastes, der den Flug vor der Eröffnung gebucht und vollständig bezahlt hatte, grundsätzlich eine Insolvenzforderung dar.

OLG Schleswig bestätigt seine Rechtsprechung, nach welcher die Schufa die Daten eines Insolvenzschuldners nicht länger verarbeiten darf als sie im „Insolvenzbekanntmachungsportal“ veröffentlicht werden dürfen

Aus einer PM des OLG Schleswig: “Der 17. Zivilsenat hält daran fest, dass dem Insolvenzschuldner regelmäßig ein Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG zusteht, wenn diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet als in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen. Auch bei der Berechnung eines Score-Wertes darf die Schufa die Daten zum Insolvenzverfahren danach nicht mehr berücksichtigen. (mehr …)