BGH zur Aufhebung der Verstrickung (Kontopfändung) in der Wohlverhaltensphase

BGH, 02.12.2021, IX ZB 10/21 – Leitsatz

Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während des Restschuldbefreiungsverfahrens dadurch beseitigt werden, dass das Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (Fortführung von BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – IX ZB 14/20)

vgl. https://www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/?s=verstrickung

LG Baden-Baden zur Pfändbarkeit eines PKW: Erforderlich im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aF bedeutet nicht unentbehrlich; es ist ausreichend, wenn der Gegenstand zur Erreichung des Normzwecks nötig ist

Hier der Hinweis auf Landgericht Baden-Baden, Beschluss vom 19.09.2021 – 3 T 28/21.

Es ging um ein PKW und ob dieser im konrekten Fall unter § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aF fällt. Eine lesenswerte Entscheidung. Die Ausgangslage war nämlich wie folgt: “Zwar ist dem Amtsgericht zuzugeben, dass der PKW zum bloßen Erreichen der Arbeitsstätte des Ehemannes nicht erforderlich erscheint. Da dieser über ein Fahrrad verfügt, kann er seine Arbeitsstelle mit dem Rad aufsuchen ….”

Warum das Landgericht dennoch im Ergebnis von einer Unpfändbarkeit ausging, kann hier und hier nachgelesen werden. Selbstredend ist das eine Einzelfallentscheidung, ist aber ggf. dennoch hilfreich.

Der damalige § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist heute in § 811 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO geregelt – vgl. die Synopse (buzer.de).

Dazu in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27636), S. 29: (mehr …)

BGH zur Insolvenzanfechtung

BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – IX ZR 148/19

  1. Wird die Verbindlichkeit, welche die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners trägt, erfüllt oder gestundet, und will der Verwalter die Vermutung der Fortdauer der Zahlungseinstellung für sich in Anspruch nehmen, kann er unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast gehalten sein, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen, insbesondere zu weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten des Schuldners vorzutragen.
  2. Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
  3. Einem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, fehlt in der Regel der für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.

Bundesverfassungsgericht: ein den sozialrechtlichen Regelleistungen entsprechendes oder sogar noch unterschreitendes Einkommen muss nicht zur Begleichung von Rundfunkbeiträgen eingesetzt werden

Hier der Hinweis auf eine bedeutsame Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.01.2022, 1 BvR 1089/18 zur Rundfunkbefreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (Härtefall).

Geklagt hatte eine alleinerziehende Studentin, die ihren Lebensunterhalt und den ihres minderjährigen Sohnes aus einem Studienkredit der Darlehenskasse der Studentenwerke im Land Nordrhein-Westfalen e.V. und durch Wohngeld finanzierte. Für ihren minderjährigen Sohn erhielt sie Unterhaltsleistungen. Während dieser Zeit blieb sie trotz Bemühens um eine Befreiung von der Rundfunkbeitragsplicht zur Beitragszahlung verpflichtet, obschon ihr Einkommen abzüglich Wohn- und Krankenversicherungskosten nach eigenen Angaben und ausweislich eines vorgelegten Wohngeldbescheids unterhalb der Höhe der sozialrechtlichen Regelsätze lag. 

Streitgegenständlich war letztlich die Rundfunkbeitragspflicht der Studentin für die Dauer von circa zwei Jahren, in denen sie ihren Lebensunterhalt aus dem Studienkredit bestritt. Das Bundesverfassungsgericht gab der Studentin recht (mehr …)

LG Mainz zum Schadensersatz wegen einer SCHUFA-Eintragung

Der vzbv weist auf ein Urteil des LG Mainz vom 12.11.2021 (3 O 12/12) hin.

Es besteht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Persönlichkeitsverletzung, wenn eine Einmeldung an die SCHUFA erfolgt, ohne dass auf eine mögliche Einmeldung hingewiesen wurde und dem Kläger keine angemessene Karenzfrist gesetzt wurde. – Mehr auf www.vzbv.de/urteile/zum-schadensersatz-wegen-einer-schufa-eintragung

SG Oldenburg meint: Hartz IV Sätze trotz Inflation weiter verfassungsgemäß

Aus einer PM des SG Oldenburg: Das Sozialgericht Oldenburg hat am 17.01.2022 (Aktenzeichen S 43 AS 1/22 ER) entschieden, dass trotz der stark gestiegenen Inflation in der 2. Jahreshälfte des Jahres 2021 die Regelsätze nach dem SGB II (Hartz IV) weiterhin als verfassungsgemäß angesehen werden können. (…)

Nach den Ausführungen des Gerichtes seien die Regelsätze nach dem SGB II auch zum 01.01.2022 unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Vorschriften ordnungsgemäß angepasst worden. (mehr …)

LSG Thüringen: Nach Erteilung der Restschuldbefreiung ist eine Aufrechnung / Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I grundsätzlich nicht mehr möglich

Thüringer Landessozialgericht, 08.06.2021, L 12 R 331/18. Aus der Entscheidung:

“(Rn. 34): Im Zeitpunkt des Erlasses des vorliegend angefochtenen Verrechnungsbescheids vom 9. Juni 2015 fehlte es an einer Verrechnungslage analog § 387 BGB. Infolge der mit Beschluss des AG G. vom 10. Oktober 2012 – 8 IN 517/017 erteilten Restschuldbefreiung hat sich die Beitragsforderung der Beigeladenen in eine Naturalobligation, d. h. in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 KR 19/14 R und BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 5/11 R). Die Forderung ist weiterhin erfüllbar, eine Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden bzw. rechtlich durchgesetzt werden. Eine unvollkommene Verbindlichkeit ist tauglicher Rechtsgrund, die Erfüllung einer Forderung zu behalten, sie ist aber nicht geeignet Erfüllung verlangen zu können. Eine solche Verbindlichkeit begründet keine Verrechnungslage analog § 387 BGB. Ob die Restschuldbefreiung von Amts wegen oder nur auf Einrede – wie bei der Verjährung – zu beachten ist, kann vorliegend dahinstehen. Der Kläger hat schon im Anhörungsverfahren darauf hingewiesen, dass die erteilte Restschuldbefreiung einer Verrechnung entgegenstehe. (mehr …)

Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Urteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21.- Pressemitteilung des Gerichts

BGH: Vorschüsse, die der Schuldner aus seinem insolvenzfreien Vermögen leistet, bleiben entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 5 Fall 1 InsVV für die Berechnungsgrundlage außer Betracht

BGH, Beschluss vom 11. November 2021 – IX ZB 38/20 – gerichtlicher Leitsatz:

Leistet ein Schuldner, dem die Verfahrenskosten bei Eröffnung gestundet worden sind, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus seinem insolvenzfreien Vermögen Zahlungen mit dem Zweck, Vorschüsse auf die Verfahrenskosten zu erbringen, bleiben diese bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht.

Aus dern Entscheidung: “Einhellig nimmt die Kommentarliteratur zu § 26 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 InsO an, dass auch ein von dem Schuldner geleisteter Vorschuss mit der Bestimmung der Verfahrenskostendeckung Sondervermögen ist, sofern die Mittel eindeutig massefrei sind (mehr …)