SG Köln erkennt Bedarf an digitalen Endgeräten in Höhe von 450 € für Laptop und Drucker zur notwendigen Teilhabe am Schulunterricht an

Das SG Köln hat mit Urteil vom 11. August 2020 – S 15 AS 456/19 [Scan] einen Bedarf für einen Laptop und Drucker im Rahmen des § 21 Abs. 6 SGB II auf Zuschussbasis anerkannt. Somit bewilligt die dritte Kammer des SG Köln nunmehr digitale Endgeräte.

Das SG erklärt dazu, dass nach § 21 Abs. 6 SGB II, in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG, ein Anspruch auf Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums für unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige Bedarfe besteht, insofern sie nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt sind.

Dazu gehören digitale Endgeräte in Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts oder für diesen selbst. Diese digitalen Endgeräte seien nicht im Regelbedarf berücksichtigt. (mehr …)

Anspruch auf SGB-II-Leistungen für Unionsbürger*innen: Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte unverheirateter Paare mit gemeinsamen Kindern

Das Bundesverfassungsgericht hat am 8. Juli 2020 (1 BvR 1094/20) eine sehr wichtige Entscheidung zur Frage des SGB-II-Leistungsausschlusses von nicht-verheirateten unionsangehörigen Elternteilen mit gemeinsamen Kindern getroffen: Es hat eine ablehnende Eil-Entscheidung des LSG Hessen kassiert und mit deutlichen Hinweisen an das Gericht zurückverwiesen. In einem Verfahren zur Verweigerung von Prozesskostenhilfe durch das LSG Hessen hatte das BVerfG in einem Beschluss vom 4. Oktober 2019 (1 BvR 1710/18) bereits mit ganz ähnlicher Begründung positiv entschieden.
Im Ergebnis heißt das wohl: In derartigen „Patchwork-Konstellationen“ müssen künftig Leistungen auch an die*den nicht-erwerbstätigen Partner*in erbracht werden, ein Leistungsausschluss ist unterm Strich nicht mehr zulässig.

Quelle und mehr: GGUA Flüchtlingshilfe Münster

FG Münster sieht keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 AO

Das Finanzgericht Münster hat am 29.05.2020, 12 V 901/20 AO, beschlossen (Rn 30ff):

“Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 240 AO [1]. Nach Auffassung des Senats hat sich dies auch nicht deswegen geändert, weil inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen [2].

Aufgrund des vorrangigen Zwecks der Säumniszuschläge als Druckmittel zur pünktlichen Entrichtung der Steuerschuld (mehr …)

BGH zur Versagung einer Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO

Im Beschluss vom 16.7.2020 – IX ZB 77/18 – hat der BGH eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO aF i.V.m. §§ 20, 97 InsO bestätigt. Der objektive Tatbestand der Vorschrift sei verwirklicht worden, indem der Schuldner Ansprüche aus fünf Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von über 64.000 Euro im (Regelinsolvenz-) Verfahren nicht vollständig angegeben habe.

Die Entscheidung ist nicht umwälzend, gibt aber Gelegenheit, sich mit der Versagung und vor allem mit der groben Fahrlässigkeit zu befassen.

BGH zur vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 InsO

Hier der Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 28.5.2020, IX ZB 50/18 zur vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 InsO.

Der BGH bekräftigt, dass die vorzeitige Restschuldbefreiung nicht mehr erteilt werden kann, wenn die vorgesehene Mindestbefriedigungsquote erst nach Ablauf von drei Jahren erreicht wird. Der in § 300 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 InsO geregelte Zeitraum stellt eine Ausschlussfrist dar (vgl. schon BGH, 19.09.2019, IX ZB 23/19, Leitsatz 4: Die Mindestbefriedigungsquote muss innerhalb von drei Jahren nach Insolvenzeröffnung an den Insolvenzverwalter gezahlt worden sein.)

Des Weiteren lässt der BGH weiterhin ausdrücklich offen, ob die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend auf die Ausschlussfrist des § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO anzuwenden sind. Wenn dies der Fall wäre, müsste aber die § 234 ZPO zu entnehmende Antragsfrist gewahrt sein und innerhalb dieser Frist der zur Erreichung der Mindestbefriedigungsquote erforderliche Betrag nachgeschossen werden (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO). Das war im konkreten Fall nicht der Fall gewesen.

BGH: Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens nach einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann abgetreten und gepfändet werden

BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 – IX ZB 11/19

Der Anspruch auf Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens nach einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann abgetreten und gepfändet werden. Er fällt daher in die Insolvenzmasse.

OLG Bremen: Die zehnjährige Hemmung der Verjährung nach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB ist auch auf Darlehensrückzahlungsansprüche aus gekündigten Darlehensverträgen anzuwenden

Hiermit weisen wir ungern auf eine für Schuldner nachteilige Entscheidung des OLG Bremen zur umstrittenen Frage (vgl. unsere Meldungen) der Anwendung der Verjährungshemmung bei gekündigten Verbraucherdarlehen hin: Hinweisbeschluss vom 27.04.2020, 1 U 60/19.

Daraus: “Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die zehnjährige Hemmung der Verjährung nach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB auch auf Darlehensrückzahlungsansprüche aus gekündigten Darlehensverträgen anzuwenden ist. Zwar ist in der jüngeren Rechtsprechung diese Frage zuletzt kontrovers diskutiert worden. (mehr …)

AG Hannover zur Unterschrift (nur) des Betreuers im Insolvenzantrag

Hier der Hinweis auf AG Hannover, Beschluss vom 24. März 2020 – 904 IK 109/20 – 4 (= ZVI 2020, 185). Daraus:

“Da der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betreuten (§ 1902 BGB) nach ganz herrschender Meinung für die Stellung eines Insolvenzantrags der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nicht bedarf (vgl. Pollmächer InsBüro 2019, 28, 29; Brzoza ZinsO 2018, 1087), kann er auch die in den amtlichen Formularen vorgesehenen Verfahrens- und Wissenserklärungen – wie hier erfolgt – wirksam abgeben.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob als Zulässigkeitsvoraussetzung der Betreute selbst die vorgesehenen Wissenserklärungen abgeben, d.h. die amtlichen Formulare an den entsprechenden Stellen neben dem Betreuer unterschreiben muss. (mehr …)

Praktischer Fall (8): drohende Hilfebedürftigkeit nach Lohnpfändung

Ein Schuldner verdient 1.390 Euro netto und seine Lebenspartnerin 160 Euro netto. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft beträgt 1.546 Euro.

Der Bedarf wird also – ohne Pfändung – um 4 Euro überschritten. Nun wird der Lohn des Schuldners gepfändet. Wie wird der der pfändungsfreie Betrag berechnet und was ist zu tun?

Gerne zunächst selbst denken und dann hier zum Lösungsvorschlag

BGH: Pflichten des Anwalts bei Auftrag zur zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung

BGH, Urteil vom 19.9.2019 – IX ZR 22/17- Leitsätze:

  1. Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben, soweit pfändbares Vermögen bekannt ist oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, ermittelt werden kann (Bestätigung von BGH, Urt. vom 7. September 2017 – IX ZR 71/16, WM 2017, 1938 Rn. 11).
  2. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine Verzögerung der Zwangsvollstreckung zum Ausfall des Mandanten führen würde, muss der beauftragte Rechtsanwalt die Zwangsvollstreckung mit besonderer Beschleunigung betreiben. Er muss dann unter den verfügbaren Vollstreckungsmöglichkeiten diejenige auswählen, die am schnellsten zu einem Ergebnis führt.