Zur Glaubhaftmachung einer Steuerforderung für Insolvenzantrag des Finanzamtes

AG Köln, Beschl. v. 02.05.2017 – 72 IN 344/16 – Leitsätze des Gerichts

  1. Bezieht sich das antragstellende Finanzamt zur Glaubhaftmachung seiner Forderungen nach § 14 Abs. 1 S. 1 InsO auf einen vollziehbaren Steuerbescheid, so reicht es zur Gegenglaubhaftmachung nicht aus, wenn die Schuldnerin vorträgt, der Steuerbescheid sei zu Unrecht ergangen, weil er auf willkürlicher Schätzung beruhe.
  2. Wird der zulässige Eröffnungsantrag des Finanzamtes nach Zahlung der Steuerrückstände übereinstimmend für erledigt erklärt, sind die Kosten des Verfahrens gem. § 4 InsO i.V.m. § 91a ZPO der Schuldnerin unabhängig vom Ausgang eines finanzgerichtlichen Verfahrens jedenfalls dann aufzuerlegen, wenn die Schuldnerin bis zur Zahlung des Steuerrückstandes im finanzbehördlichen Verfahren unterlegen ist und sie vor dem Finanzgericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit des antragsgegenständlichen Steuerbescheides gestellt hat.

LG Münster zum Eigengeld des inhaftierten Schuldners

Das Landgericht Münster hat mit Beschluss vom 29.11.2016 (5 T 758/16) entschieden:

„Nach den allgemeinen Vorschriften ist das Eigengeld des Schuldners nicht diesem zu belassen, sondern pfänd- und damit abtretbar. Die Vorschriften über den Pfändungsschutz finden auf das Eigengeld – auch in der Insolvenz – keine Anwendung (BGH, Beschluss vom 16.07.2004, IX ZB 287/03; BGH, Beschluss vom 20.06.2013, IX ZB 50/12; BGH, Beschluss vom 01.07.2015, XII ZB 240/14). Das Eigengeld ist weder Arbeitseinkommen i. S. d. § 850c ZPO noch unterliegt es dem Pfändungsschutz des § 850k ZPO*. Da es sich nicht um Arbeitsentgelt handelt, kann der Schuldner auch nicht die Freigabe wegen besonderer Bedürfnisse gemäß § 850f ZPO verlangen.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 765a ZPO i. V. m. § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet (mehr …)

Klage gegen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

Das Verhältnis zwischen Verwaltungsrecht und Insolvenzrecht ist immer wieder spannend – siehe etwa: SG München: Behörde darf Insolvenzforderung nicht per Verwaltungsakt geltend machen. Nun hat das Hamburgisches Oberverwaltungsgericht am 07.06.2017 unter dem AZ 3 Bf 96/15 beschlossen:

Wird ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid angefochtenen, so wird das Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 240 Satz 1 ZPO insoweit unterbrochen, als es die Anfechtung der Rückforderung zum Gegenstand hat. Auf die Anfechtung der Aufhebung von Verwaltungsakten erstreckt sich die Unterbrechung demgegenüber nicht.

Online-Banking: Nicht jede SMS-TAN darf etwas kosten

BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – XI ZR 260/15 – Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die vorformulierte Klausel „Jede smsTAN kostet 0,10 € (unabhängig vom Kontomodell)“ in Bezug auf Verträge über Zahlungsdienste zwischen einem Kreditinstitut und Verbrauchern unwirksam ist.

PM des BGH – PM der vzbv: Online-Banking: Nicht jede SMS-TAN darf etwas kosten – Tipps: http://www.verbraucherzentrale.de/urteil-sms-tan

DB Vertrieb GmbH darf Bezahlung per „Sofortüberweisung“ nicht als einziges unentgeltliches Zahlungsmittel anbieten

Die DB Vertrieb GmbH darf bei Flugreisebuchungen über die Reiseplattform start.de die „Sofortüberweisung“ nicht als einzige kostenlose Bezahlmethode anbieten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18.07.2017, KZR 39/16 entschieden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gegen diese Praxis geklagt. (mehr …)

BGH zur Insolvenzanfechtung bei zwangsweisen Durchsetzung der Forderung

BGH, Urteil vom 22. Juni 2017, IX ZR 111/14  Leitsatz des Gericht:

Setzt ein Gläubiger eine unbestrittene Forderung erfolgreich zwangsweise durch, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung kannte, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt. – InsO § 133 Abs. 1 Satz 2

Daraus: „(Rz 10:) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung dann anfechtbar sein, wenn (mehr …)

BGH zur vom Anfechtungsgegner durch Zwangsvollstreckung bewirkten Vermögensverlagerung

BGH, Urt. v. 01.06.2017 – IX ZR 48/15 – Leitsätze des Gerichts:

  1. Eine vom Anfechtungsgegner durch Zwangsvollstreckung bewirkte Vermögensverlagerung kann nur dann auch als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden, wenn der Schuldner einen Beitrag zum Erfolg der Zwangsvollstreckung geleistet hat, der ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers vergleichbares Gewicht hat.
  2. 2. Die vom Anfechtungsgegner durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte Vermögensverlagerung gilt nicht zugleich als Rechtshandlung des Schuldners, wenn sich der Schuldner angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten berechtigten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält als ohne die Vollstreckung und sich damit darauf beschränkt, die Vollstreckung des Gläubigers hinzunehmen.

LSG Hamburg zur Darlehensgewährung für Mietkaution: „Fachanweisung der BASFI greift zu kurz“

Das Landessozialgericht Hamburg hat im Urteil vom 23.2.2017 (L 4 AS 135/15) zur Fachanweisung zu § 22 Abs. 6 und 8 SGB II Gewährung und Rückforderung kommunaler Darlehen vom 14.09.2011 (Gz.: SI 233/111.10-3-8-1) ausgeführt:

„Der Darlehensbescheid vom 17. September ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Entscheidung über die Form der Kautionsgewährung kein Ermessen ausgeübt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Gemäß § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der hier anwendbaren Fassung vom 13. Mai 2011 soll eine Mietkaution als Darlehen erbracht werden. Damit ist die Mietkaution im Regelfall als Darlehen zu gewähren, in atypischen Fällen hat der Leistungsträger hingegen ein Ermessen hinsichtlich der Form der Gewährung der Kaution. Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass hier ein atypischer Fall vorgelegen hat, der dem Beklagten ein Ermessen eröffnete. (mehr …)

OLG Köln erschwert unerwünschte Werbeanrufe nach Vertragsende

Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln) hat mit Urteil vom 02.06.2017, Az.: 6 U 182/16, nicht rechtskräftig, eine Einwilligungserklärung über die Nutzung von Vertragsdaten für Werbenachrichten oder -anrufe zur „individuellen Kundenberatung“ nach Vertragsende untersagt. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Telekom Deutschland GmbH.

„Verbraucherinnen und Verbraucher müssen es nicht hinnehmen, dass Telefonanbieter sie nach einer längst beendeten Vertragsbeziehung zu Werbezwecken zu Hause anrufen dürfen“, sagt Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv. – Quelle und mehr: PM der vzbv

BSG: Betriebskostenübernahme auch für ehemalige Wohnung

RA Helge Hildebrandt weist auf der vorzüglichen Seite der https://sozialberatung-kiel.de auf BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 14 AS 13/16 R hin.

Aus dem Terminsbericht des BSG: „Grundsätzlich sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur die angemessenen, tatsächlichen Aufwendungen für die aktuell bewohnte Wohnung zu übernehmen, weil nur dies der Sicherung der Unterkunft dient. Nicht bezahlte Aufwendungen für frühere Wohnungen sind Schulden; diese werden nur ausnahmsweise übernommen (§ 22 Abs 8 SGB II).

Vorliegend ist jedoch eine Ausnahme zu machen, weil (mehr …)