BGH: keine Sperrfrist bei Aufhebung der Kostenstundung im Erstverfahren wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten

Pflichtlektüre! – Der BGH hat am 4. Mai 2017 – IX ZB 92/16 – beschlossen – Leitsätze des Gerichts:

  1. Der Schuldner kann ohne Einhaltung einer Sperrfrist einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, wenn in einem vorausgegangenen Insolvenzverfahren die Kostenstundung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten aufgehoben und das Insolvenzverfahren sodann mangels Masse eingestellt worden ist.
  2. Der Schuldner handelt nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er nach Aufhebung der Kostenstundung und Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ohne Einhaltung einer Sperrfrist erneut einen Antrag auf Kostenstundung für ein neues Insolvenzverfahren stellt, auch wenn die Aufhebung der Kostenstundung darauf beruht, dass er seine Mitwirkungspflichten verletzt hat.

Vorinstanzen: AG Stralsund, Entscheidung vom 31.05.2016 – 92 IK 102/16 – LG Stralsund, Entscheidung vom 15.08.2016 – 8 T 114/16

ZDFinfo Doku: „In der Schuldenfalle – Zwischen Kontopfändung und Gerichtsvollzieher“

Auch dieser Beitrag ist sehenswert: Die Dokumentation „In der Schuldenfalle – Zwischen Kontopfändung und Gerichtsvollzieher“ erzählt die ganz unterschiedlichen Geschichten der Gerichtsvollzieher Lux und Peller, der Schuldnerin Mandy Ramm und des Schuldners Christian Lemke u.a. und erläutert dabei die Zusammenhänge eines komplexen Systems rund um das Thema der Überschuldung in Deutschland.

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/in-der-schuldenfalle-zwischen-kontopfaendung-und-gerichtsvollzieher-102.html

„Der Nullplan – Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, oder: ernstzunehmende Bemühung um außergerichtliche Schuldenbereinigung?“

An dieser Stelle der Hinweis auf einen Artikel von RA Eckehard Ludwig in der ZInsO 2017, 863: „Der Nullplan – Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, oder: ernstzunehmende Bemühung um außergerichtliche Schuldenbereinigung?“.

Ludwig ist der Ansicht, dass ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch nicht zur Entlastung der Insolvenzgerichte beiträgt. Insolvenzverfahren würden durch Nullpläne oder Fast-Nullpläne nicht verhindert werden. Es wäre daher nach wie vor sinnvoll, die Aufnahme der Möglichkeit einer Aussichtslosigkeitsbescheinigung, wie es im Entwurf der Bundesregierung v. 31.10.2012 (BT-Drucksache 17/11268; Seite 33, zu Nr. 35) vorgesehen war, Gesetz werden zu lassen. Es wäre sogar angezeigt, einen Schritt weiter zu gehen und den Zwang, eine außergerichtliche Einigung erfolglos versucht zu haben, abzuschaffen.

AG Köln zur Forderungsanmeldung als „Delikt“

Das Amtsgericht Köln hat mit Beschluss vom 7.4.2017, 71 IK 175/15, eine spannende Entscheidung gefällt – Leitsätze:

  1. Stützt ein Gläubiger seine Forderungsanmeldung auf verschiedene Anspruchsgrundlagen – hier auf eine vertragliche und auf eine deliktische – , so sind die Anmeldevoraussetzungen in Ansehung beider Anspruchsgrundlagen zu erfüllen.
  2. Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich einer der reklamierten Anspruchsgrundlagen (hier: Deliktseigenschaft beruhend auf Beförderungserschleichung gemäß § 265a StGB) nicht einmal die Mindestanforderungen, die an eine Forderungsanmeldung zu stellen sind, so ist die nicht ordnungsgemäße Anmeldung vom Insolvenzgericht insoweit zurückzuweisen. Die Forderung ist dann ohne das Deliktsattribut in die Tabelle aufzunehmen.

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Landgericht Nürnberg-Fürth: Keine sog. Vorwirkung von Versagungsgründen bei § 287a InsO

Hier der Hinweis auf Landgericht Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20.4.2016, 11 T 2794/16:

  1. Wird auf einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag die Feststellung, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangen kann, abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Versagung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorliegen, ist dagegen die sofortige Beschwerde nach § 6 InsO i.V.m. § 287a Abs. 1 Satz 2 InsO analog zulässig.
  2. Eine Prüfung, ob bereits Versagungsgründe vorliegen könnten, findet im Rahmen der Feststellung nach § 287a Abs. 1 Satz 1 InsO nicht statt.

Leitsätze von RA Matthias Butenob. Die Entscheidung als pdf(mehr …)

„Stephan-Kommission“ nun mit eigener Webseite

2011 wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, „die die Bedingungen für eine Stärkung und Optimierung der außergerichtlichen Verhandlungen einschließlich des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens und des Zustimmungsersetzungsverfahrens untersuchen und mögliche Verbesserungsvorschläge erarbeiten und unterbreiten sollte“, die sog. Stephan-Kommission. Diese hat nun eine eigene Webseite: www.stephan-kommission.de

Amtsgericht Aachen bejaht Stundungs-Sperrfrist wegen fehlender Mitwirkung im Erstverfahren

Hier der Hinweis auf AG Aachen, 04.07.2016 – 91 IK 78/16. Daraus:

„Zwar scheitert eine Verfahrenskostenstundung nicht daran, dass der Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig wäre. Denn der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 287 a Abs. 2 InsO mit Geltung ab dem 01.07.2014 die Unzulässigkeitsgründe abschließend normiert. (…)

Entgegen der Auffassung der Schuldnerin sind die Umstände des Vorverfahrens allerdings im Rahmen der Entscheidung über die Verfahrenskostenstundung im Zweitverfahren zu berücksichtigen. (mehr …)

Bundesverfassungsgericht zur Reichweite des § 295 Absatz 2 InsO

RA Kai Henning weist in seinem aktuellen Newsletter 1/17 auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7.12.2016 -2 BvR 1602/16- hin. Demnach ist der Schuldner nicht verpflichtet, dem Insolvenzverwalter Auskunft über den mit seiner gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen Selbstständigkeit erzielten Gewinn zu erteilen.

Anmerkung RA Henning:

Die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO stellt die Praxis hinsichtlich des zu ermittelnden „fiktiven Einkommens“ häufig vor Probleme. Diese Entscheidung des BVerfG offenbart zusätzlich ein immer wieder auftretendes Akzeptanzproblem der Vorschrift. (mehr …)

AG Dortmund bejaht Möglichkeit einer Sperrfrist bei Rücknahme des RSB-Antrages im Erstverfahren

AG Dortmund, Beschl. v. 18.04.2016 – 255 IN 102/15 – Rz 9 f: „Auch unter Berücksichtigung der seit dem 1.7.2014 geltenden Rechtslage (Anm.: InsO-Reform) ist es einem Schuldner verwehrt, unter Rücknahme des RSB-Antrags im Erstverfahren sogleich einen Folgeantrag zu stellen, etwa vor dem Hintergrund eines im Erstverfahren gläubigerseits gestellten aussichtsreichen Versagungsantrags.

Das erkennende Gericht ist der Auffassung, daß die jetzt gesetzlich geregelten Fälle, in denen eine Sperrfrist für einen erneuten RSB-Antrag normiert ist, nicht abschließend sind, sondern jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt eine planwidrige Gesetzeslücke besteht, die durch entsprechende Anwendung der Sperrfristregelung des § 290 Abs.1 Ziff. 3 InsO zu schließen ist.“