Dass sich die Regelsätze zum Jahreswechsel änderten, dürfte sich rumgesprochen haben. Interessant sind darüber hinaus auch weitere Änderungen durch das „Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“, welches am 28.12.2016 im BGBl. I S. 3159 veröffentlich wurde. Vgl. die Übersicht von Widerspruch e.V. aus Bielefeld unter tacheles-sozialhilfe.de/(…)/Liste-AEnderungen_SGB_XII_2017_WD_12-2016.pdf
Sozialrecht
LSG Celle: Jugendamt darf von Arbeitslosengeld II-Empfänger keine Unterhaltszahlungen verlangen
Das Landessozialgericht Niedersachsen – Bremen (LSG) hat entschieden, dass ein Arbeitslosengeld II- Empfänger aus seinen Grundsicherungsleistungen keinen Unterhalt an seine Kinder zahlen muss. Dies gilt auch dann, wenn er eigenes Einkommen hat und nur ergänzend Arbeitslosengeld II erhält. Zwar steht ihm dann ein Erwerbstätigen-Freibetrag zu. In Höhe des Freibetrages wird sein Einkommen nicht auf die ergänzenden Grundsicherungsleistungen angerechnet, so dass er mehr Geld zur Verfügung hat, als wenn er nicht arbeiten würde. Aber auch diesen Freibetrag muss er nicht an seine Kinder als Unterhalt abgeben. (mehr …)
Verrechnung und Aufrechnung gem. §§ 51 und 52 SGB I mit unter der Pfändungsgrenze liegendem Sozialleistungsbezug sind auch im Insolvenzverfahren zulässig
SG Mainz zum Berliner Testament und Pflichtteilsanspruch eines SGB II-Empfängers
„Das Sozialgericht Mainz hat mit Urteil vom 23.08.2016 (Az.: S 4 AS 921/15) entschieden, dass ein Jobcenter einem Leistungsbezieher Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) zurecht nur noch in Form eines Darlehens bewilligt hat, weil er aufgrund eines Anspruchs auf einen Pflichterbteil über ausreichend Vermögen verfüge.
(…) Die Richter wiesen [zwar] darauf hin, dass das Jobcenter im Falle eines Berliner Testaments von einem Leistungsempfänger grundsätzlich nicht verlangen könne, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Das sei nicht zumutbar, weil damit der ausdrücklich vereinbarte Wille der Eltern unterlaufen würde. Eine Ausnahme gelte jedoch, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden sei, um den ausgeschlossenen Erben auszuzahlen, ohne dass z.B. ein Grundstück verkauft oder beliehen werden müsse. (mehr …)
Thomé: „Nahles stellt sich mit dem „EU-Bürger Ausschlussgesetz“ gegen Verfassungsrecht“
Aus dem aktuellen Thomé-Newsletter: „Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass jede Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht hat, welches deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht. Insofern müsse ein Leistungsanspruch eingeräumt werden (Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10,1 BvL 2/1). (mehr …)
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Berücksichtigung von Einkommen eines Familienangehörigen bei der Gewährung von Grundsicherung
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Juli 2016, 1 BvR 371/11:
„Wenn von Familienangehörigen, die in familiärer Gemeinschaft zusammen leben, zumutbar erwartet werden kann, dass sie „aus einem Topf“ wirtschaften, darf bei der Ermittlung der Bedürftigkeit für die Gewährung existenzsichernder Leistungen unabhängig von einem Unterhaltsanspruch das Einkommen und Vermögen eines anderen Familienangehörigen berücksichtigt werden. Allerdings kann nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden, wer tatsächlich nicht unterstützt wird.“ – zur ganzen Pressemitteilung Nr. 60/2016 des Bundesverfassungsgericht vom 7. September 2016
Siehe dazu auch Kommentar von Gernot Kramper auf stern.de („Jetzt wird Armut ansteckend“)
Bundessozialgericht: Elterngeld ist Einkommen
Hier der Vollständigkeit halber der Hinweis auf zwei Entscheidungen des BSG, die in unserer Urlaubspause fielen: Das BSG ist der Ansicht, dass Elterngeld sowohl im SGB II (B 4 AS 25/15 R) als auch beim Kinderzuschlag (B 4 KG 2/14 R) als Einkommen angerechnet werden kann.
FAZ: Hartz IV und Elterngeld
SG Karlsruhe: Keine Anrechnung von Trinkgeld auf Hartz IV-Leistungen
Das Sozialgericht Karlsruhe hat entschieden, dass Trinkgeldeinnahmen von Hartz IV-Leistungsbeziehern grundsätzlich nicht anzurechnen sind. Es konnte daher offengelassen werden, ob das Jobcenter überhaupt berechtigt war, eine Schätzung von Trinkgeldeinnahmen vorzunehmen. Das Geben von Trinkgeld beruht nicht auf einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung, sondern stellt eine freiwillige Leistung dar, die eine besonders gelungene Dienstleistung honorieren und dem Dienstleistenden selbst zukommen soll. Wüsste der Kunde, dass das Trinkgeld im Ergebnis die Situation des Dienstleistenden nicht verbessert, weil sich im selben Umfang die Leistungen des Jobcenters vermindern, würde kaum noch Trinkgeld an die Betroffenen gezahlt werden. Dies wäre nicht nur ungerecht im Vergleich zu den Kollegen, die mehr verdienen und zusätzlich ihr Trinkgeld behalten dürfen, sondern auch schädlich für die Motivation der betroffenen SGB II-Leistungsbezieher und ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Wegen Vorliegens einer unzumutbaren Härte hat daher die Anrechnung zu unterbleiben, sofern das Trinkgeld ca. 10 % der gewährten Hartz IV-Leistungen oder einen monatlichen Betrag von 60 € nicht übersteigt.
SG Karlsruhe Urteil vom 30.3.2016, S 4 AS 2297/15 (nicht rechtskräftig)