Fachinfo des Paritätischen zur geltenden Gesetzeslage, zu praktischen Erfahrungen und zur aktuellen Debatte um Arbeitspflicht bzw. Jobpflicht

Hier der Hinweis auf die Seite www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/aktive-arbeitsmarktpolitik-arbeitsgelegenheiten-und-arbeitspflicht/

Aus der Einleitung: „Im politischen Raum erlebt gerade die Debatte um Arbeitspflicht eine Konjunktur, da CDU und FDP im Wahlkampf eine allgemeine Arbeitspflicht bzw. Jobpflicht für Bürgergeld-Beziehende und Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fordern. Es sollen bspw. Arbeiten im öffentlichen Raum, auf Spielplätzen oder in Parks übernommen werden. Andernfalls soll es keine Sozialleistungen geben. Wie schon öfter in der Vergangenheit ist dies verbunden mit einer Stimmungsmache gegenüber Menschen, die auf Schutz und auf Sozialleistungen angewiesen sind. (…)“

Aus 4. Normative Bewertung der Forderung nach Arbeitspflicht: „Der Paritätische spricht sich aus inhaltlicher und normativer Überzeugung gegen eine Arbeitspflicht und für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus. (…)“

Mieterbund, DGB und Städtetag fordern gemeinsam: Rettet die Mietpreisbremse – Verlängerung jetzt!

Der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Deutsche Städtetag haben gemeinsam die amtierende Bundesregierung und die Fraktionen im Deutschen Bundestag aufgefordert, die Mietpreisbremse noch in dieser Legislaturperiode zu verlängern, wie es bislang geplant war. Passiert das nicht, laufen die Mietpreisbremsen in allen Bundesländern spätestens Ende 2025 aus. Vor dem Hintergrund der extrem angespannten Mietwohnungsmärkte in vielen Städten darf dieses Instrument gegen exzessive Mietsteigerungen aber nicht verlorengehen.

Quelle – siehe auch: https://www.dgb.de/politik/wirtschaft-und-transformation/wohnungspolitik/#c4181

Paritätischer legt Studie vor: Wohnen macht arm

Die Paritätische Forschungsstelle hat eine neue Berechnung zur Wohnarmut in Deutschland veröffentlicht. Aus der Pressemitteilung:

„Die Ergebnisse zeigen ein alarmierendes Bild: Deutlich mehr Menschen als bisher angenommen leben in Armut, wenn die Wohnkosten berücksichtigt werden. Die steigenden Mieten belasten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen überproportional. Viele Haushalte geben inzwischen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten aus – manche sogar mehr als die Hälfte.

Von Wohnarmut betroffen sind insgesamt 21,2 % der Bevölkerung (17,5 Millionen Menschen). Das sind 5,4 Millionen mehr Armutsbetroffene als nach konventioneller Berechnung. Besonders hohe Wohnarmut gibt es in Bremen (29,3 %), Sachsen-Anhalt (28,6 %) und Hamburg (26,8 %)

Massiv betroffene Gruppen sind:

  • Menschen ab 65 Jahren: 27,1% Armutsquote
  • Junge Erwachsene (18-25 Jahre): 31% Armutsquote
  • Alleinerziehende: 36 % Armutsquote
  • Alleinlebende: 37,6 % Armutsquote (im Rentenalter sogar 41,7 %)
  • Erwerbslose: 61,3 % Armutsquote

Referentenentwurf: Reform der Zwangsvollstreckung durch Konzentration auf Gerichtsvollzieher:innen

Das BMJ hat Ende September den Entwurf eines Gesetzes zur Zuständigkeitskonzentration der zivilrechtlichen Mobiliarvollstreckung bei den Gerichtsvollziehern vorgelegt.

Aus dem Referentenentwurf: „Im Zentrum der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Mobiliarvollstreckung)
nach der Zivilprozessordnung (ZPO) steht der Gerichtsvollzieher. (…)

Der Entwurf schlägt vor, die zahlenmäßig bedeutsamen Masseverfahren der Vollstreckungin Geldforderungen, die bisher nach § 828 ZPO den Vollstreckungsgerichten zugewiesen sind, auf die Gerichtsvollzieher zu übertragen und damit die durch die veränderte Vollstreckungswirklichkeit frei gewordenen Kapazitäten bei den Gerichtsvollziehern sinnvoll zu nutzen. Damit erhält nicht nur der Gerichtsvollzieher seine zentrale Rolle in der Zwangsvollstreckung zurück, sondern es sind auch Effizienzgewinne zu erwarten, da die Vollstreckung in Geldforderungen dann in einer Hand – der des Gerichtsvollziehers – liegen wird.“

Die AG SBV äußert sich in ihrer Stellungnahme dazu sehr kritisch. Daraus: „Die Verlagerung der Aufgaben der Vollstreckungsgerichte auf die örtlichen Gerichtsvollzieher wird in Gänze abgelehnt – insbesondere dort, wo es sich um Anträge in Bezug auf den Schuldnerschutz in der Zwangsvollstreckung bzw. Regelungen zu Umfang und Grenzen der Zwangsvollstreckung gegen Schuldner:innen handelt.

Es besteht die konkrete Gefahr, dass das Schutzniveau für Schuldner:innen deutlich sinkt und das gesetzlich fixierte, zeitnahe Existenzminimum für Familien stark gefährdet ist und zweckgebundene Leistungen – ob im Sozialhilfe- oder im pflegerischen Bereich – nicht den vorgesehenen Zweck erreichen.“

vzbv zur Finanzbildung: Werbung gehört nicht ins Klassenzimmer

PM des vzbv: „Unabhängige und werbefreie Finanzbildung an Schulen: Dafür spricht sich die deutliche Mehrheit der Verbraucher:innen aus. Das ergab eine repräsentative forsa-Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Erfahrungen des vzbv zeigen allerdings, dass nicht alle frei verfügbaren Unterrichtsmaterialien diese Anforderungen erfüllen. Die Bundesregierung muss daher mit der geplanten Finanzbildungsstrategie [Anm.: siehe dazu auch attac zum „Finanzbildungsstärkungsgesetz“: Finanzbildung mit parteipolitischer Agenda] verbindliche Standards für unabhängige und qualitativ hochwertige Bildung setzen, fordert der vzbv.  (…)

Schulen und Lehrkräfte sind bereits Zielgruppe unterschiedlicher Angebote aus der Wirtschaft. Bankmitarbeiter übernehmen etwa den Unterricht zu Finanzthemen, Finanzdienstleister entwickeln Unterrichtsmaterialien. 

Doch nicht alle Angebote sind empfehlenswert, zeigt eine Analyse des Materialkompasses, einer Datenbank für qualitätsgeprüfte Unterrichtsmaterialien des vzbv. Im August 2024 waren 130 Materialien zu Finanzthemen online, begutachtet und bewertet von unabhängigen Expert:innen. Bei den Angeboten aus der (Finanz-)Wirtschaft, war der Anteil der Materialien mit der Note befriedigend oder schlechter am höchsten (18 von 33). Die Gutachter:innen des Materialkompasses kritisierten unter anderem, dass die Materialien keine kritische Urteilsbildung zu Finanzthemen ermöglichen. 

Die Zeit ist reif: Superreiche gerecht besteuern.

Superreiche stärker und gerechter besteuern, um damit einen starken Sozialstaat, Investitionen in die öffentliche und soziale Infrastruktur und die Klimatransformation zu finanzieren – dafür sprechen sich 20 Organisationen gemeinsam aus.

„Die knappen öffentlichen Haushalte und der fortschreitende Verfall öffentlicher Infrastrukturen machen deutlich: Der Politik fehlen finanzielle Spielräume, um unseren Sozialstaat abzusichern, eine funktionierende und Geschlechtergerechtigkeit fördernde Daseinsvorsorge zu gewährleisten und Deutschland zukunftsfähig zu machen. Dabei drängt die Zeit. (…)

Um die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, reicht eine Reform der Schuldenbremse nicht aus. Jetzt ist der Moment, die Besteuerung großer Vermögen anzugehen. (…)

Seit 2001 sind die 100 größten deutschen Vermögen um 460 Milliarden Euro gewachsen. Währenddessen bleibt die Armut n Deutschland mit 16,6% auf einem inakzeptabel hohen Niveau, jedes fünfte Kind muss in Armut leben. Die wachsende Ungleichheit ist eine große Gefahr für die Demokratie. (…)

Die Zustimmung für die Besteuerung großer Vermögen in Deutschland ist groß. Auch international gibt es mit der brasilianischen G20-Initiative für die Besteuerung der Vermögen der reichsten Menschen Schwung bei dem Thema. Wir fordern gemeinsam die Besteuerung großer Vermögen in Form einer Vermögensteuer und einer Vermögensabgabe. (…)

Das ganze Statement: www.der-paritaetische.de/(…)/Statement_Superreiche-gerecht-besteuern.pdf. Siehe auch www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/appell-wachsenden-reichtum-gerecht-besteuern/

attac zum „Finanzbildungsstärkungsgesetz“: Finanzbildung mit parteipolitischer Agenda

Letzte Woche hatten wir über das „Finanzbildungsstärkungsgesetz“ berichtet (Referentenentwurf „Finanzbildungsstärkungsgesetz“). Hier nun der Beginn der Pressemitteilung von attac zur Initiative:

„Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 7. Oktober einen Referentenentwurf veröffentlicht, dem zu Folge die „Initiative Finanzielle Bildung“ gesetzlich verankert und mit neun Millionen Euro jährlich ausgestattet werden soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte diese Initiative im Frühjahr 2023 gemeinsam mit seiner Parteikollegin, Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ins Leben gerufen. Die Initiative sollte in Zusammenarbeit mit der OECD eine nationale Finanzbildungsstrategie entwickeln und Impulse zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland geben.

In Kooperation mit Attac Deutschland hat die Otto Brenner Stiftung den Erziehungswissenschaftler Professor Thomas Höhne (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) beauftragt, die Initiative der Bundesregierung zu untersuchen. Sein Fazit: Die Initiative wird dem Anspruch, unabhängige finanzielle Bildung zu fördern, nicht gerecht. Das eigentliche Anliegen der FDP-dominierten Initiative scheint vielmehr ein parteipolitisches zu sein – es geht darum, möglichst viele Menschen zum Investieren an den Finanzmärkten zu bewegen.

Im Zentrum der „Initiative Finanzielle Bildung“ steht die sogenannte „Finanzbildungsplattform“ mitgeldundverstand.de. Dort sollen bestehende Angebote aus dem Bereich der finanziellen Bildung gebündelt und ein leichterer Zugang zu diesen ermöglicht werden. Doch die Studie zeigt: Nur acht Prozent der insgesamt 449 zur Verfügung gestellten Angebote lassen sich als Bildungsmaterial qualifizieren. Hauptsächlich werden schon bestehende staatliche Informationsangebote ohne didaktisches Konzept präsentiert. Zudem werden zum Teil einseitige politische Positionen als Bildungsmaterial deklariert, wie die Analyse eines Videos zur Schuldenbremse zeigt.

Der Autor der Studie kommt zu dem zentralen Befund, dass die „Initiative Finanzielle Bildung“ eindeutig die parteipolitische Handschrift der FDP trägt.

Internationaler Tag zur Beseitigung der Armut: Wohnen sichern – Wohnkostenlücke in der Existenzsicherung schließen

Am Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut fordern die Verbände der Wohnungslosen- und Mieterhilfen, die Nationale Armutskonferenz und die im ‚Bündnis AufRecht bestehen‘ Engagierten ein Umdenken hinsichtlich der politischen Prioritäten. „Statt die Ursachen von Armut zu bekämpfen, werden arme Menschen stigmatisiert. Die drängende Wohnungsfrage bleibt unbeachtet, obwohl bezahlbares Wohnen der Schlüssel zur sozialen Integration ist“, so die Verbände. In einer Zeit, in der soziale Gerechtigkeit mehr denn je gefordert ist, muss die Politik endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Lebenssituation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Diakonie-Experte Michael David, Mitglied im Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz: „Stigmatisierung, Ächtung und Diffamierung; ‚Armen-Bashing‘ ist in Deutschland Teil der normalen Alltagssprache und der Politik geworden. Wieder werden plan- und wirkungslose Bürgergeld-Verschärfungen im Schnellverfahren umgesetzt. Dagegen sind wirksame Integrationshilfen für Langzeitarbeitslose und die Gewährleistung von Wohnraum nötig.“

Die Debatte um zu hohe Bürgergeldleistungen sei substanzlos. Die diesjährige Erhöhung des Regelsatzes habe die Preissteigerungen der Vorjahre nicht einmal ganz aufgefangen. Zudem könnten immer mehr Leistungsbeziehende ihre Wohnkosten nicht decken.

Referentenentwurf „Finanzbildungsstärkungsgesetz“

Das Bundesfinanzministerium meldet: „Mit dem Finanzbildungsstärkungsgesetz soll durch Einrichtung einer Stiftung „Finanzbildung, Geld und Währung“ die Grundlage für eine dauerhafte Verbesserung der finanziellen Bildung in Deutschland gelegt werden.

Die Stiftung soll künftig insbesondere die Umsetzung von bundesweiten Maßnahmen und Strategien zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland in enger Abstimmung mit den Stakeholdern der finanziellen Bildung koordinieren und darüber hinaus auch eigene Finanzbildungsinhalte entwickeln, von pädagogischen Ressourcen bis hin zu Sensibilisierungskampagnen. Mit der Einrichtung der Stiftung wird eine der zentralen Empfehlungen der OECD an Deutschland im Bereich der finanziellen Bildung umgesetzt.“

Seit dem 02.10.2024 gibt es einen Referentenentwurf. Schon jetzt gibt es das Gesetz über die Ausprägung einer 1-DM-Goldmünze und die Errichtung der Stiftung „Geld und Währung“. Siehe dort zur Stiftung die §§ 10ff. Insbesondere § 11 Stiftungszweck soll geändert werden.

Die AGSBV hat dazu eine Stellungnahme verfasst und muss freilich eintschränken: „Aufgrund der sehr kurzen Frist zur Stellungnahme können wir im Folgenden nur kursorisch auf ausgewählte Punkte des Entwurfs eingehen.“

LINKE-SKA: Bedrängen Inkasso-Stellen der Jobcenter Minderjährige?

Unter Drs. 22/16277 ist eine lesenswerte SKA der Linken und die Anwort des Senats zu finden: „Bedrängen Inkasso-Stellen der Jobcenter Minderjährige?“

Thematisch knüpft dies an FR-Online: Inkasso-Stellen bedrängen Minderjährige an. Auch in den aktuellen BAG-SB-Informationen 2024, 154 widmet sich Martin Staiger unter dem Titel „Der Staat im Kinderzimmer – Vollstreckung der Bundesagentur für Arbeit bei Minderjährigen“ dem Thema. Dort wird u.a. auf die fachlichen Weisungen zu § 40 SGB II verwiesen; www.arbeitsagentur.de/datei/anwendung-der-bagatellgrenze-nach-paragraf-40-absatz-1-und-paragraf-41a-absatz-6_ba042634.pdf (Rn. 40.20).

Der Hamburger Senat antwortet u.a.: „Durch die Einführung des § 40 Absatz 9 SGB II zum 1. Januar 2023 erfolgte jedoch eine Verbesserung der Situation minderjähriger Schuldnerinnen und Schuldner. Diese müssen mit Erreichen der Volljährigkeit nunmehr nicht mehr mit dem gesamten bei Volljährigkeit vorhandenen Vermögen einstehen, sondern sie haben einen Freibetrag in Höhe von 15.000 Euro.“

Das ist dann nicht korrekt, wenn schon vor dem Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt wird. In diesem Fall ist durch den § 40 Abs. 9 die Situation der Minderjährigen nicht verbessert, sondern diese Norm wird de facto durch die vorherige Vollstreckung unterlaufen.

Das ist ein Misstand, der behoben werden muss.

Siehe auch den Thread „Vollstreckungsankündigungen gegen Minderjährige“ in unserem Austauschforum. Dort heißt es u.a. mit Blick auf die 15T-Euro-Grenze: „Wenn bei den 18-jährigen nichts mehr zu holen ist, versucht man es halt bei den Minderjährigen, weil für die diese Grenze nicht gilt … und da wird sicher der eine oder die andere ein kleines Sparbuch von der Oma, mühsam angespartes Geld aus einem Nebenjob etc. haben. Damit wir der § 40 Abs. 9 SGB II ad absurdum geführt und es ist schlimmer, als es vorher war.“ (Post 12.6.2024, 9:55).