EuGH: Missbräuchliche Klausel in einem durch die Familienwohnung gesicherten Verbrauchervertrag

PM des EuGH zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-598/21 | Všeobecná úverová banka: “In der Slowakei gewährte die Bank Všeobecná úverová banka zwei Kunden einen über einen Zeitraum von 20 Jahren zu tilgenden Verbraucherkredit. Die Kunden stellten ihr Familienhaus als Sicherheit. Wegen eines im ersten Jahr der Laufzeit des Vertrags eingetretenen Zahlungsverzugs bei drei Monatsraten über einen Betrag von etwa 1 000 Euro nahm die Bank eine Klausel über die vorzeitige Fälligstellung in Anspruch. Aufgrund dieser Klausel konnte sie die vorzeitige Rückzahlung des gesamten noch ausstehenden Betrags verlangen und die außergerichtliche Versteigerung der Familienwohnung veranlassen. Die Kunden haben bei einem slowakischen Gericht beantragt, diese Versteigerung auszusetzen, die ihrer Ansicht nach ihre Verbraucherrechte verletzt.

Das slowakische Recht gestattet die Anwendung einer solchen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung, wenn der Kreditnehmer bei drei Monatsraten in Zahlungsverzug ist und der Kreditgeber eine zusätzliche Benachrichtigungsfrist von 15 Tagen eingehalten hat. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob diese Klausel in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Pflichtverletzungen des Verbrauchers im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits steht. Das slowakische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche gerichtliche Kontrolle mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

EuGH zum Recht, ein im Fernabsatz abgeschlossenes Abonnement, das anfangs kostenlos ist und sich automatisch verlängert, zu widerrufen

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-565/22 | Sofatutor

Aus der PM des Gerichts: Das Unternehmen Sofatutor betreibt Internet-Lernplattformen für Schüler. Beim erstmaligen Abschluss eines Abonnements kann dieses 30 Tage lang kostenlos getestet und während dieser Zeit jederzeit fristlos gekündigt werden. Das Abonnement wird erst nach Ablauf dieser 30 Tage kostenpflichtig. Wenn der kostenpflichtige Abonnementzeitraum abläuft, ohne dass eine Kündigung erfolgt ist, verlängert sich das Abonnement automatisch um einen bestimmten Zeitraum.

Bei einem Vertragsschluss im Fernabsatz informiert Sofatutor die Verbraucher über das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht). Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist aber der Ansicht, dass dem Verbraucher ein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) nicht nur aufgrund des Abschlusses eines 30-tägigen kostenlosen Testabonnements, sondern auch aufgrund der Umwandlung dieses Abonnements in ein kostenpflichtiges Abonnement und dessen Verlängerung zustehe.

Der Oberste Gerichtshof (Österreich), der mit dem Rechtsstreit befasst ist, hat den Gerichtshof dazu um Auslegung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher ersucht.

Der Gerichtshof antwortet, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Abonnementvertrag, der anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht und sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch verlängert, grundsätzlich nur ein einziges Mal zukommt.

Wurde der Verbraucher bei Abschluss des Abonnements nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert, dass dieses Abonnement nach einem kostenlosen Anfangszeitraum kostenpflichtig wird, muss er jedoch über ein neuerliches Widerrufsrecht verfügen.

Versicherungsvermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen

vzbv-Meldung: “Wer eine Versicherung oder eine Finanzanlage abschließen möchte, wendet sich häufig an Vermittler. Werben diese mit unabhängiger Beratung, kann bei Verbraucher:innen der irrtümliche Eindruck entstehen, sie hätten es mit einem Honorarberater zu tun, der auch ohne Provisionen arbeitet.

Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen bestätigen die Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), dass Vermittler ihre Beratung nicht als unabhängig darstellen und auch nicht als reine Berater auftreten dürfen, wenn sie Provisionen von Versicherern oder Finanzinstituten erhalten.

Datum der Urteilsverkündung: 15.06.2023
Aktenzeichen: 33 O 15/23 – nicht rechtskräftig
Gericht: Landgericht Köln

Datum der Urteilsverkündung: 11.07.2023
Aktenzeichen: 9 O 1081/22 – nicht rechtskräftig
Gericht: Landgericht Bremen

Marktcheck: Unzulässige Kündigungsklauseln bei jedem siebten Unternehmen

Seit März 2022 gelten verbraucherfreundlichere Regelungen zu verkürzten Kündigungsfristen und Laufzeitregelungen. In einer gemeinsamen Aktion haben die Verbraucherverbände jetzt über 800 Unternehmen überprüft. Jedes siebte hält sich in seinen AGB nicht an die neuen gesetzlichen Vorgaben.

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes für faire Verbraucherverträge [siehe hier einen Überblick und Bundestagsseite] im März 2022 sind Verbraucher:innen nicht mehr so lange an Verträge gebunden. Sie können Verträge, etwa mit dem Handyanbieter, Energieversorger oder einem Fitnessstudio, nach Ablauf der Mindestvertragszeit nun mit einer Frist von einem Monat kündigen.

In ihrem Marktcheck stellten die Verbraucherzentralen fest, dass viele AGB nicht der aktuellen Rechtslage entsprachen – sowohl, was die verkürzten Kündigungsfristen betrifft als auch Vertragsverlängerungen. So stand in manchen AGB, dass sich ein Vertrag stillschweigend um einen bestimmten Zeitraum verlängert. In anderen AGB betrug die Kündigungsfrist mehr als einen Monat. Beides ist unzulässig. – Quelle und mehr: www.verbraucherzentrale.de

Was tun? Zum Beispiel folgende Hinweisseiten der Verbraucherzentralen lesen:

Erstmals Aufruf zur neuen Sammelklage: “Rechtswidrige Mahnkosten bei Zalando”

Aus der PM der Verbraucherzentrale Sachsen vom 16.10.2023: “Wer bei Zalando bestellt und nicht fristgemäß zahlt, bekommt mit der zweiten Mahnung 5,30 Euro Mahngebühren per E-Mail aufs Auge gedrückt. Viele zahlen diesen Betrag, schließlich haben sie die Zahlungsfrist versäumt und vertrauen darauf, dass sich einer der größten europäischen Versandhändler an geltendes Recht hält.

Rechtswidrige Mahngebühren

„Wir halten diese Gebühren für unzulässig“, sagt Michael Hummel, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Sachsen. „Zum einen gibt es keine Regelungen in den AGB von Zalando, zum anderen dürfen nach der Rechtsprechung nur tatsächlich anfallende Kosten geltend gemacht werden. Und die sind bei E-Mail-Mahnungen verschwindend gering.“

Aufruf zur gemeinsamen Klage

Deshalb nutzt die Verbraucherzentrale Sachsen die am Freitag in Kraft getretene neue Sammelklage, um die unzulässigen Mahngebühren von Zalando zurück zu holen. Wer sich der Klage direkt in der ersten Phase anschließen möchte, muss lediglich nachweisen, dass die Mahngebühren erhoben und gezahlt wurden. Das geht unkompliziert per PDF-Datei über ein Online-Formular der Verbraucherzentrale Sachsen. In der zweiten Phase, nach Einreichung der Klage, können sich alle Interessierten anschließen. Die Beteiligung an der neuen Sammelklage ist für alle Betroffenen kostenfrei, weil Risiko und Kosten die Verbraucherzentrale Sachsen übernimmt.

Verbraucherzentralen: Probleme bei Postbank und DSL Bank? Das können Sie als Kund:innen tun

Kontoprobleme, schlechte Erreichbarkeit des Kundenservice oder ausbleibende Bearbeitung von Anliegen: Zahlreiche Kund:innen berichten den Verbraucherzentralen von teils katastrophalen Problemen bei Postbank und DSL Bank. Hier erfahren Sie, welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben.

Siehe www.verbraucherzentrale.de/wissen/vertraege-reklamation/probleme-bei-postbank-und-dsl-bank-das-koennen-sie-als-kundinnen-tun-88651

vzbv klagt erfolgreich gegen clever fit

Wer ein clever-fit-Fitnessstudio betritt, darf mit dem Passieren eines Drehkreuzes nicht automatisch einer Preiserhöhung zustimmen. Das hat das Landgericht Augsburg am 6. Oktober 2023, 081 O 11161/23, bestätigt. Zuvor hatte das Gericht auf Bestreben des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen verhängt.

„Bisher war die clever fit GmbH nicht bereit, die vorläufige Entscheidung des Gerichts anzuerkennen. Das Urteil ist wichtig, damit sich ein solches rechtswidriges Vorgehen der Fitnessstudio-Kette nicht wiederholt. Die Mitglieder müssen sicher sein, dass sie allein durch das Betreten der Studios keinen Vertragsänderungen zustimmen“, sagt Ramona Pop, Vorständin beim vzbv.

Quelle und mehr: www.vzbv.de/urteile/vzbv-klagt-erfolgreich-gegen-clever-fit

Verbändebündnis fordert neue Regeln für Inkasso

Das Inkassorecht muss dringend überarbeitet werden, fordert ein Bündnis aus Verbraucherzentralen, vzbv und weiteren Verbraucherverbänden. [Anmerkung: hier direkt zum sehr lesenswerten Positionspapier mit den Forderungen] Die aktuellen gesetzlichen Regelungen haben Schlupflöcher, die von Inkassounternehmen ausgenutzt werden und Verbraucher:innen in Deutschland finanziell belasten.

„Tausende Verbraucher:innen beschweren sich jedes Jahr bei den Verbraucherzentralen über Inkassodienstleister. Überhöhte Inkassokosten können besonders für einkommensschwache und überschuldete Menschen zu einer echten Bedrohung werden“, sagt Ramona Pop, Vorständin des vzbv. „Die Inkasso-Reform vor zwei Jahren war halbherzig, Kernprobleme wurden nicht angegangen. Der Bundesjustizminister sollte gründlich nachbessern – besonders in der aktuellen Preiskrise wäre das eine deutliche Erleichterung für viele Verbraucher:innen.“ (…)

Das Dreiecksverhältnis zwischen Gläubiger, Inkassodienstleister und Schuldner ist kompliziert und oft kaum verständlich. Verbraucher:innen werden mit Inkassokosten konfrontiert und können nicht prüfen, welche Vergütung zwischen Gläubiger und Inkassodienstleister vereinbart und gezahlt wurde.

Die Verbraucherschützer fordern, dass Inkassodienstleister beim Erheben von Inkassokosten den konkreten Schaden nachweisen müssen, also die vom Gläubiger an den Inkassodienstleister geleistete Zahlung. Damit soll eine Weitergabe fiktiver Inkassokosten verhindert werden.

vzbv: Verbraucher:innen können Verträge mit nowenergy, primastrom und voxenergie vorzeitig beenden

vzbv-Meldung: “Sie wurden von nowenergy, primastrom oder voxenergie (alles Töchter der primaholding GmbH) angerufen? Ihnen wurde bei dem Telefonat ein Strom- oder Gaslieferungsvertrag zu unerwartet hohen Preisen aufgeschwatzt? Dann haben Sie nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gute Chancen, diesen Vertrag vorzeitig zu beenden. Eventuell können Sie bereits gezahlte Abschläge sogar vollständig zurückverlangen. Selbst wenn Sie bereits Strom- oder Gas bezogen haben.

Der vzbv hilft Ihnen, wenn Sie den Vertrag kündigen oder widerrufen wollen. Dafür prüft er eine Sammelklage, um die Unternehmen notfalls gerichtlich zu zwingen, dass sie die Forderungen der betroffenen Verbraucher:innen erfüllen. 

Hier erhalten Sie auch einen Musterbrief, um Ihre Kündigung oder Ihren Widerruf zu erklären bzw. Ihre sonstigen Ansprüche (z.B. wegen unzulässiger Preiserhöhung) geltend zu machen.”

Und hier: “Die Unternehmen der primaholding-Gruppe belehren in Verträgen für Strom und Gas nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) unzureichend über das Widerrufsrecht. Der vzbv prüft daher eine Sammelklage gegen die primaholding GmbH und bittet Betroffene, sich online unter www.sammelklagen.de/primaholding zu melden.”

Kostenfreie Schuldnerberatung ist ein Gebot der Stunde! EU-Parlament verabschiedet Richtlinie mit deutlichen Verbesserungen

PM der BAG-SB vom 12.09.2023: Mit der gestern vom EU-Parlament verabschiedeten EU-Verbraucherkreditrichtlinie [vgl. www.europarl.europa.eu] wird erstmals in der Geschichte die Voraussetzung für ein Recht auf unabhängige und kostenfreie Schuldnerberatung geschaffen. „Das ist ein Meilenstein, der hilft, dass überschuldete Menschen schnell Rat bekommen und nicht länger von unseriösen Anbietern abgezockt werden”, sagte Ines Moers, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB). „Wir begrüßen die Entscheidung des EU-Parlaments ausdrücklich, denn mit dieser Richtlinie kann in Deutschland endlich ein Recht auf Schuldnerberatung umgesetzt werden. Die unsägliche Situation, mit der je nach Wohnort der Zugang unterschiedlich geregelt ist, hat somit bald hoffentlich endlich ein Ende”.

Seriöse Schuldenberatungen nutzen der gesamten Gesellschaft, betonte der Fachverband. „Dieser Nutzen kommt aber nur dann so wie gewünscht zum Tragen, wenn das Angebot allen Ratsuchenden unentgeltlich zur Verfügung steht. Insbesondere die vergangenen Jahre mit den Folgen der Pandemie und den Energiepreissteigerungen haben gezeigt, wie schnell Personen in finanzielle Schwierigkeiten geraten können”, schilderte Ines Moers die aktuelle Situation. Zudem habe sich gezeigt, dass Ratsuchende in finanzieller Not nur in seltensten Fällen über Mittel für kostenpflichtige Angebote verfügten. Im Gegenteil: Erfahrungsgemäß spitzt sich die Lage durch hohe Inkasso-Gebühren und zusätzliche Kosten zu und eine gütliche Einigung wird immer schwerer, je später die Menschen in die Beratung kommen. „Ein unentgeltlicher Zugang für alle bedeutet daher auch einen Schutz vor weiterer Überschuldung und vor unseriösen Anbietern”, so das Fazit des Verbandes.