AG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 06.11.2017, Az. 1 M 1131/17

Das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße hat dem Antrag eines Schuldners nach § 850 f Abs. 1 b ZPO auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages mit der Begründung stattgegeben, dass die Aufwendungen für die täglichen Fahrtkosten bereits ab 20km einfacher Wegstrecke als außergewöhnliche Belastung gewertet werden können.

Aus den Gründen:
Aufgrund der Dauer der Wegstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln von mind. 80 Minuten ohne erforderliche Wartezeiten im Vergleich zu einer Fahrtdauer von etwa 25 Minuten mit dem eigenen Pkw, ist eine Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs dem Schuldner nicht zuzumuten.
Nach dem Wortlaut der Norm ist eine Erhöhung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nur möglich, soweit die täglichen Fahrtkosten eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Damit sind Fahrtkosten nur insoweit zu berücksichtigen, als sie den üblichen Rahmen übersteigen.

Quelle und vollständiger Beschluss: www.infodienst-schuldnerberatung.de

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BGH, Beschluss vom 24.01.2018, Az. VII ZB 21/17

BGH zur Nachzahlung von Sozialleistungen

Leitsatz:
Werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch für zurückliegende Zeiträume nachgezahlt, sind bei der
Bemessung des pfändungsfreien Betrages gemäß § 850k Abs. 4 ZPO die nachgezahlten Beträge den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie gezahlt werden.

Aus den Gründen:
Zwar sehe § 850k ZPO eine Verteilung von Nachzahlungen für mehrere Monate, für die die Nachzahlung gedacht sei, nicht ausdrücklich vor. Die Notwendigkeit der Verteilung ergebe sich jedenfalls in Bezug auf die Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch aus dem Sinn und Zweck des § 850k Abs. 4 ZPO. Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Grundlage des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die steuerfinanzierte, bedarfsorientierte und bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistungen des Staates darstellten, sollten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20
Abs. 1 GG folgendes Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichern. Daraus sei zu folgern, dass entsprechende Nachzahlungen seitens der öffentlichen Hand dem Pfändungsschutz grundsätzlich unterfallen müssten. (...)
Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden, dass der sozialrechtliche Aktualitätsgrundsatz ("in praeteritum non vivitur") im Falle der Gewährung von Leistungen für zurückliegende Zeiträume nicht zu rechtfertigen vermag, den Leistungsempfänger als vermindert schutzwürdig anzusehen und ihm bezüglich der gewährten Leistungen Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto vorzuenthalten. Denn der fehlende Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto hätte zur Folge, dass die Leistungen im Ergebnis nicht dem Leistungsempfänger, sondern seinen Gläubigern zugutekämen. Das aber widerspräche dem Zweck der Leistungen. Lebensunterhaltsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, insbesondere Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, dienen der Sicherung des Existenzminimums und sollen daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben.

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