Unwirksamkeit von Entgeltklauseln einer Sparkasse

Der BGH hat entschieden, dass mehrere vorformulierte Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam sind und deshalb gegenüber Verbrauchern nicht verwendet werden dürfen.

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die Unwirksamkeit verschiedener Klauseln geltend, die die beklagte Sparkasse in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenwärtig verwendet bzw. verwendet hat. Im Einzelnen beanstandet der Kläger folgende Regelungen:

- Klausel 1: eine Klausel, mit der die Beklagte für die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Lastschrift ein Entgelt i.H.v. 5 Euro erhebt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Basis-Lastschrift bei Postversand 5,00 Euro");
- Klauseln 2 und 3: zwei Klauseln, mit denen an zwei unterschiedlichen Stellen im Preis- und Leistungsverzeichnis die jeweils inhaltsgleiche Regelung getroffen wird, dass für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift bei fehlender Deckung ein Entgelt i.H.v. 5 Euro anfällt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift mangels Deckung 5.00 Euro");
- Klausel 4: eine Klausel, mit der die Beklagte bei Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Währungen eines Staates außerhalb des EWR (Drittstaatenwährung) sowie bei Überweisungen in Staaten außerhalb des EWR (Drittstaaten) für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrages bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 Euro berechnet ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) ? eines Überweisungsauftrages mangels Deckung 5,00 Euro");
- Klausel 5: eine mit der Klausel 4 wortgleiche Regelung betreffend Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Euro oder in anderen EWR-Währungen;
- Klausel 6: eine Klausel, mit der die Beklagte unter anderem für die Aussetzung und die Löschung eines Dauerauftrages bis zum 01.07.2013 auch von Verbrauchern ein Entgelt i.H.v. 2 Euro erhoben hat ("Dauerauftrag: Einrichtung/Änderung/Aussetzung/Löschung 2 Euro");
- Klausel 7: eine von der Beklagten bis zum 13.12.2012 verwendete Klausel, wonach für die Führung eines Pfändungsschutzkontos ein monatliches Entgelt i.H.v. 7 Euro anfiel ("Pfändungsschutzkonto: Privat-/Geschäftsgirokonto; Privatgirokonto: Grundpreis je angefangenen Monat 7 Euro");
- Klausel 8: eine Klausel, mit der die Beklagte für die Änderung oder Streichung einer Wertpapierorder ein Entgelt i.H.v. 5 Euro in Rechnung stellt ("Änderung, Streichung einer Order 5 Euro").

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klauseln 1 bis 5 und 7 insgesamt, die Klausel 6 hinsichtlich der Varianten "Aussetzung" und "Löschung" sowie die Klausel 8 bezüglich der Alternative "Streichung einer Order" gegen § 307 BGB verstoßen, und nimmt die Beklagte insoweit darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Die angegriffenen Klauseln halten der Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen werde, nicht zu vereinbaren seien (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und die Kunden der Beklagten entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 140/2017 v. 12.09.2017

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Keine Google-Links mehr zu Insolvenzdaten auf unzulässigen gewerblichen Internetangeboten

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) hat in den letzten Monaten zahlreiche Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern erhalten, die sich über die Auffindbarkeit ihrer Insolvenzdaten über die Google-Suchmaschine beschwert haben. Der HmbBfDI konnte nun durchsetzen, dass die Google Inc. mehrere Internetangebote, auf denen personenbezogene Daten aus Insolvenzverfahren unzulässig veröffentlicht werden, generell nicht mehr als Suchergebnisse verlinkt. – Quelle und mehr: PM des HmbBfDI

OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017, Az. 2 Wx 109/17

Die Erbschaft eines überschuldeten Nachlasses kann unter bestimmten Umständen angefochten werden.

Der für Nachlasssachen zuständige 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hatte über die Erbfolge einer im Alter von 47 Jahren verstorbenen Kölnerin zu entscheiden. Da die Erblasserin kein Testament verfasst hatte, waren der Ehemann und die beiden Geschwister der Verstorbenen als gesetzliche Erben berufen. Während die Schwester die Erbschaft direkt ausgeschlagen hatte, ließ der Bruder die sechswöchige Frist zur Ausschlagung der Erbschaft zunächst verstreichen. Damit galt die Erbschaft für ihn als angenommen, § 1943 BGB. Danach erklärte der Bruder die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums. Er habe nicht gewusst, dass der Nachlass überschuldet sei.

Der 2. Zivilsenat hat entschieden, dass der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses zur Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB berechtigte, weil er auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses beruht habe. Der Erbe habe gewusst, dass die Erblasserin ein Jahr vor ihrem Tod eine Abfindung in Höhe von rund 100.000 Euro erhalten habe und dass ein Kontoauszug einige Monate vor dem Tod einen Kontoguthaben von ca. 60.000 Euro ausgewiesen habe. Angesichts dieser konkreten Anhaltspunkte habe er erwarten dürfen, dass der Nachlass werthaltig sei. Diese Erwartung habe sich nicht erfüllt. Sein Bemühen, von dem Ehemann Auskünfte über den Verbleib der Abfindungssumme zu erhalten, sei erfolglos gewesen. Mangels Informationen zum Verbleib der Abfindung und angesichts einer an ihn adressierten Krankenhausrechnung über die Behandlung der Erblasserin habe der Bruder die Annahme der Erbschaft anfechten können.

Quelle: Pressemitteilung Justiz NRW vom 04.09.2017

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PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

Parteiencheck zur Finanzmarktregulierung: Große Uneinigkeit über Reformbedarf zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise
Ein Netzwerk von sieben Nichtregierungsorganisationen veröffentlicht die Antworten der Parteien auf seinen Fragenkatalog „Reformbedarf der Finanzmärkte 10 Jahre nach der Krise“ im Vorfeld der Bundestagswahl

Hamburg, den 8. September 2017 – Das Finanzsystem soll der Wirtschaft und Gesellschaft dienen, nicht schaden. Nach der letzten Finanzkrise haben Politiker eine weitreichende Reformierung des Finanzwesens versprochen – und doch ist das Finanzsystem zehn Jahre später fast so fragil wie zuvor. Immer noch fließt zu viel Geld in spekulative Aktivitäten anstatt sinnvolle und nachhaltige Projekte in der Wirtschaft zu finanzieren, immer noch lässt sich der Staat von der Finanzwirtschaft erpressen und rettet Banken, Bausparkassen und Versicherungen auf Kosten der Steuerzahler und Verbraucher. Es müssen effektivere Reformen ergriffen werden, will man eine Neuauflage der Krise vermeiden und ein nachhaltiges Finanzsystem schaffen.

Doch wie bewerten die Parteien, die sich bei der Bundestagswahl am 24. September zur Wahl stellen, den Reformbedarf des Finanzsystems? Und welche Maßnahmen wollen sie ergreifen? Sieben Organisationen, die sich aus zivilgesellschaftlicher Perspektive seit vielen Jahren kritisch mit dem Finanzsystem und seinen Folgen beschäftigen, haben sechs Parteien gebeten zu ihren Fragenkatalog Stellung zu nehmen und von allen Antworten erhalten: CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.

Allgemein lassen sich folgende Tendenzen feststellen: 

  • CDU/CSU schätzt die von ihnen unterstützten Gesetze für weitestgehend ausreichend ein. Den Hauptreformbedarf sehen sie in einer erhöhten Proportionalität der Regulierung und fordern daher Ausnahmen für kleine Banken („Small Banking Box“).
  • Die SPD scheint grundsätzlich mit den mitgetragenen Reformen zufrieden. Sie will allerdings den gefährlichen Hochfrequenzhandel eindämmen und wirbt offensiv für eine Finanztransaktionssteuer.
  • Die Linke spricht sich für eine radikale Veränderung der Finanzmarktarchitektur aus, zum Beispiel für eine Vergesellschaftung der privaten Banken, mit starker Betonung der Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Zusätzlich strebt die Partei die Einführung eines „Finanz-TÜV“ an, d.h. es werden nur Finanzprodukte zugelassen, die nachweislich keine negativen Auswirkungen auf Gesellschaft oder Verbraucherrechte haben.
  • Bündnis 90/Die Grünen fordern deutlich einfachere, aber härtere Regeln für die Finanzindustrie, damit große Banken weniger Schlupflöcher nutzen können und kleine Banken mit den bürokratischen Anforderungen zurechtkommen. Ein Beispiel ist eine deutlich höhere Eigenkapitalquote, die nicht durch interne Risikomodelle kleingerechnet werden kann, sowie die Offenlegung von Klimarisiken.
  • Die FDP setzt tendenziell eher auf die disziplinierende Kraft des Marktes und will daher Aktionäre und Gläubiger konsequenter in die Haftung nehmen, wenn Banken in Schieflage geraten.
  • Die AfD äußert sich systemkritisch, bleibt aber in ihrer Analyse sehr pauschal und bietet kaum Lösungsvorschläge.

Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance, kritisiert:

„Solange die Bundesregierung den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe ihrer Politik bezeichnet, darf sie den Finanzsektor nicht ausklammern. Insbesondere die Abschaffung der vorvertraglichen Informationspflicht über die Beachtung ökologischer und sozialer Standards bei der staatlich geförderten Altersvorsorge erhöht aber die Intransparenz – vielmehr sollte die staatliche Förderung von Altersvorsorgeprodukten endlich verbindlich an soziale und ökologische Mindeststandards gekoppelt werden.“ 

Markus Duscha, Gründer des Fair Finance Institutes in Heidelberg, hebt hervor:

„Es gibt weiterhin einen viel zu hohen spekulativen Anteil von Transaktionen im Finanzwesen. Dieses ´Lotteriespiel´ auf Kosten wirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvoller Aktivitäten muss eingedämmt werden. Die weiterhin ausstehende Einschränkung des Hochfrequenzhandels, die seit langer Zeit geplante Finanztransaktionssteuer und ggfs. eine Zulassungspflicht neuer Finanzprodukte sind hier von besonderer Bedeutung.“

Rainer Lenz, Vorstand der in Brüssel ansässigen NGO Finance Watch, appelliert an die Parteien: 

„Trotz einiger Fortschritte bietet auch die heutige Finanzmarktregulierung keinen ausreichenden Schutz für die deutschen Steuerzahler, deutsche Banken sind mit 5,3 Prozent Eigenkapitalquote im Durchschnitt nach wie vor unterkapitalisiert.  Viele Gesetze, wie das deutsche Trennbankengesetz etwa, greifen viel zu kurz und ändern in der Praxis kaum etwas. 

Deutschland hat zur Wiederherstellung der Stabilität des Finanzsektors 392 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln  aufgewendet. Dazu darf es nie wieder kommen. Deshalb können und dürfen wir uns auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen und dazu brauchen wir vor allem politischen Willen, die Reformen des Finanzsektors weiter voranzutreiben, z.B. eine höhere Eigenkapitalquote und ein effektives Trennbankensystem.“ 

Dirk Ulbricht, Direktor des institut für finanzdienstleistungen (iff), ergänzt: 

„Die Komplexität der Regulierung erzeugt regelmäßig Schlupflöcher, so¬dass Regulierung oft ins Leere läuft. Das Ergebnis ist eine Scheinsicherheit, verbunden mit hohem bürokratischem Aufwand. Die Rettung der venezianischen Banken hat gezeigt, dass die Gesellschaft nach wie vor für die Risiken der Banken haften muss. Daher darf es zu keinem Nachlassen der Regulierungsbemühungen kommen. 

Vielmehr brauchen wir zum Beispiel deutliche härtere Vorgaben in der Fusionskontrolle für Finanzinstitute und konsequente und ausnahmslose Anwendung der Bankenregulierung für alle Finanzinstitute, die bankähnliche Geschäfte betreiben (sogenannte „Schattenbanken“), also z.B. auch für Versicherungen und Geldmarktfonds.“

Lino Zeddies, 2. Vorsitzender der gemeinnützigen Geldreformbewegung Monetative, fügt hinzu:

„Über 90% des Geldes wird nach wie vor nicht von der staatlichen Zentralbank geschaffen, sondern von gewinnorientierten privaten Geschäftsbanken durch Kreditvergabe. Solange an diesem Systemfehler nichts geändert wird, hängt die Gesellschaft am Kredittropf der Banken und sitzt das Finanzsystem am längeren Hebel. Die Folge sind Überschuldung, exzessive Spekulation, Finanzkrisen, Bankenrettungen, Wachstumszwang und damit der voranschrei-tende Zusammenbruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts und demokratischer Werte.

Eine überfällige Reformmaßnahme ist daher die Vollgeldreform, deren Kern es ist, die gesamte Geldschöpfung allein an eine öffentliche Gewalt zu überführen und damit das Geld- und Finanzsystem in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.“

Kathrin Latsch, Geschäftsführerin MONNETA, meint:

„Das Finanzsystem ist weder nachhaltig noch alternativlos. Um es zu reformieren sollten unsere politischen Vertreter sowohl grundsätzliche Fragen beantworten als auch entsprechende Reformmaßnahmen anstreben.“

Doch nicht nur die Stabilität des Finanzwesens und der Schutz vor weiteren Krisen sollte erhöht werden, auch braucht es deutlich mehr Verbraucherschutz im Finanzwesen sowie Mechanismen, um Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, die der Gesamtgesellschaft nützen, der Natur nicht schaden und nicht neue Spekulationsblasen fördern. So sollte die Regulierung beispielsweise auch Mindeststandards für Nachhaltigkeit im Sinne der „sustainable development goals“ (SDG) der Vereinten Nationen, gewährleisten. 

Martina Schaub, Geschäftsführerin SÜDWIND-Institut, betont: 

„Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob damit unethische oder ökologisch nicht nachhaltige Investitionen getätigt werden. Das ist mit der heutigen Gesetzgebung nicht ausreichend möglich.“

ENDE

Für weitere Informationen oder Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an:

PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

Parteiencheck zur Finanzmarktregulierung: Große Uneinigkeit über Reformbedarf zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise 
Ein Netzwerk von sieben Nichtregierungsorganisationen veröffentlicht die Antworten der Parteien auf seinen Fragenkatalog „Reformbedarf der Finanzmärkte 10 Jahre nach der Krise” im Vorfeld der Bundestagswahl

Hamburg, den 8. September 2017 – Das Finanzsystem soll der Wirtschaft und Gesellschaft dienen, nicht schaden. Nach der letzten Finanzkrise haben Politiker eine weitreichende Reformierung des Finanzwesens versprochen – und doch ist das Finanzsystem zehn Jahre später fast so fragil wie zuvor. Immer noch fließt zu viel Geld in spekulative Aktivitäten anstatt sinnvolle und nachhaltige Projekte in der Wirtschaft zu finanzieren, immer noch lässt sich der Staat von der Finanzwirtschaft erpressen und rettet Banken, Bausparkassen und Versicherungen auf Kosten der Steuerzahler und Verbraucher. Es müssen effektivere Reformen ergriffen werden, will man eine Neuauflage der Krise vermeiden und ein nachhaltiges Finanzsystem schaffen.

Doch wie bewerten die Parteien, die sich bei der Bundestagswahl am 24. September zur Wahl stellen, den Reformbedarf des Finanzsystems? Und welche Maßnahmen wollen sie ergreifen? Sieben Organisationen, die sich aus zivilgesellschaftlicher Perspektive seit vielen Jahren kritisch mit dem Finanzsystem und seinen Folgen beschäftigen, haben sechs Parteien gebeten zu ihren Fragenkatalog Stellung zu nehmen und von allen Antworten erhalten: CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.

Allgemein lassen sich folgende Tendenzen feststellen: 

  • CDU/CSU schätzt die von ihnen unterstützten Gesetze für weitestgehend ausreichend ein. Den Hauptreformbedarf sehen sie in einer erhöhten Proportionalität der Regulierung und fordern daher Ausnahmen für kleine Banken („Small Banking Box”). 
  • Die SPD scheint grundsätzlich mit den mitgetragenen Reformen zufrieden. Sie will allerdings den gefährlichen Hochfrequenzhandel eindämmen und wirbt offensiv für eine Finanztransaktionssteuer.
  • Die Linke spricht sich für eine radikale Veränderung der Finanzmarktarchitektur aus, zum Beispiel für eine Vergesellschaftung der privaten Banken, mit starker Betonung der Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Zusätzlich strebt die Partei die Einführung eines „Finanz-TÜV” an, d.h. es werden nur Finanzprodukte zugelassen, die nachweislich keine negativen Auswirkungen auf Gesellschaft oder Verbraucherrechte haben.
  • Bündnis 90/Die Grünen fordern deutlich einfachere, aber härtere Regeln für die Finanzindustrie, damit große Banken weniger Schlupflöcher nutzen können und kleine Banken mit den bürokratischen Anforderungen zurechtkommen. Ein Beispiel ist eine deutlich höhere Eigenkapitalquote, die nicht durch interne Risikomodelle kleingerechnet werden kann, sowie die Offenlegung von Klimarisiken.
  • Die FDP setzt tendenziell eher auf die disziplinierende Kraft des Marktes und will daher Aktionäre und Gläubiger konsequenter in die Haftung nehmen, wenn Banken in Schieflage geraten. 
  • Die AfD äußert sich systemkritisch, bleibt aber in ihrer Analyse sehr pauschal und bietet kaum Lösungsvorschläge.


Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance, kritisiert:

„Solange die Bundesregierung den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe ihrer Politik bezeichnet, darf sie den Finanzsektor nicht ausklammern. Insbesondere die Abschaffung der vorvertraglichen Informationspflicht über die Beachtung ökologischer und sozialer Standards bei der staatlich geförderten Altersvorsorge erhöht aber die Intransparenz – vielmehr sollte die staatliche Förderung von Altersvorsorgeprodukten endlich verbindlich an soziale und ökologische Mindeststandards gekoppelt werden.“ 

Markus Duscha, Gründer des Fair Finance Institutes in Heidelberg, hebt hervor:

„Es gibt weiterhin einen viel zu hohen spekulativen Anteil von Transaktionen im Finanzwesen. Dieses ´Lotteriespiel´ auf Kosten wirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvoller Aktivitäten muss eingedämmt werden. Die weiterhin ausstehende Einschränkung des Hochfrequenzhandels, die seit langer Zeit geplante Finanztransaktionssteuer und ggfs. eine Zulassungspflicht neuer Finanzprodukte sind hier von besonderer Bedeutung.”

Rainer Lenz, Vorstand der in Brüssel ansässigen NGO Finance Watch, appelliert an die Parteien: 

„Trotz einiger Fortschritte bietet auch die heutige Finanzmarktregulierung keinen ausreichenden Schutz für die deutschen Steuerzahler, deutsche Banken sind mit 5,3 Prozent Eigenkapitalquote im Durchschnitt nach wie vor unterkapitalisiert.  Viele Gesetze, wie das deutsche Trennbankengesetz etwa, greifen viel zu kurz und ändern in der Praxis kaum etwas. 

Deutschland hat zur Wiederherstellung der Stabilität des Finanzsektors 392 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln  aufgewendet. Dazu darf es nie wieder kommen. Deshalb können und dürfen wir uns auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen und dazu brauchen wir vor allem politischen Willen, die Reformen des Finanzsektors weiter voranzutreiben, z.B. eine höhere Eigenkapitalquote und ein effektives Trennbankensystem.” 

Dirk Ulbricht, Direktor des institut für finanzdienstleistungen (iff), ergänzt: 

„Die Komplexität der Regulierung erzeugt regelmäßig Schlupflöcher, so¬dass Regulierung oft ins Leere läuft. Das Ergebnis ist eine Scheinsicherheit, verbunden mit hohem bürokratischem Aufwand. Die Rettung der venezianischen Banken hat gezeigt, dass die Gesellschaft nach wie vor für die Risiken der Banken haften muss. Daher darf es zu keinem Nachlassen der Regulierungsbemühungen kommen. 

Vielmehr brauchen wir zum Beispiel deutliche härtere Vorgaben in der Fusionskontrolle für Finanzinstitute und konsequente und ausnahmslose Anwendung der Bankenregulierung für alle Finanzinstitute, die bankähnliche Geschäfte betreiben (sogenannte „Schattenbanken”), also z.B. auch für Versicherungen und Geldmarktfonds.”

Lino Zeddies, 2. Vorsitzender der gemeinnützigen Geldreformbewegung Monetative, fügt hinzu:

„Über 90% des Geldes wird nach wie vor nicht von der staatlichen Zentralbank geschaffen, sondern von gewinnorientierten privaten Geschäftsbanken durch Kreditvergabe. Solange an diesem Systemfehler nichts geändert wird, hängt die Gesellschaft am Kredittropf der Banken und sitzt das Finanzsystem am längeren Hebel. Die Folge sind Überschuldung, exzessive Spekulation, Finanzkrisen, Bankenrettungen, Wachstumszwang und damit der voranschrei-tende Zusammenbruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts und demokratischer Werte.

Eine überfällige Reformmaßnahme ist daher die Vollgeldreform, deren Kern es ist, die gesamte Geldschöpfung allein an eine öffentliche Gewalt zu überführen und damit das Geld- und Finanzsystem in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.“

Kathrin Latsch, Geschäftsführerin MONNETA, meint:

„Das Finanzsystem ist weder nachhaltig noch alternativlos. Um es zu reformieren sollten unsere politischen Vertreter sowohl grundsätzliche Fragen beantworten als auch entsprechende Reformmaßnahmen anstreben.”

Doch nicht nur die Stabilität des Finanzwesens und der Schutz vor weiteren Krisen sollte erhöht werden, auch braucht es deutlich mehr Verbraucherschutz im Finanzwesen sowie Mechanismen, um Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, die der Gesamtgesellschaft nützen, der Natur nicht schaden und nicht neue Spekulationsblasen fördern. So sollte die Regulierung beispielsweise auch Mindeststandards für Nachhaltigkeit im Sinne der „sustainable development goals“ (SDG) der Vereinten Nationen, gewährleisten. 

Martina Schaub, Geschäftsführerin SÜDWIND-Institut, betont: 

„Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob damit unethische oder ökologisch nicht nachhaltige Investitionen getätigt werden. Das ist mit der heutigen Gesetzgebung nicht ausreichend möglich.”


ENDE


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Höhere Regelbedarfe in der Grundsicherung und Sozialhilfe

Die "Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018" (RBSFV 2018) hat am Mittwoch das Kabinett passiert. Mit der Verordnung werden die Regelbedarfsstufen im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1. Januar 2018 angepasst. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben erfolgt diese Fortschreibung in Jahren, in denen die Regelsätze nicht auf Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe neu festgesetzt werden, auf Basis eines Mischindexes aus regelbedarfsrelevanten Preisen (70 %) und der Nettolohn- und -gehaltsentwicklung je Arbeitnehmer (30 %). Berechnet wird diese Entwicklung auf Basis der Indexwerte für den Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 im Vergleich zu den Indexwerten für den Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2016. Die Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise beträgt +1,3 %. Die entsprechende Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer beläuft sich auf +2,40 %. Die Veränderungsrate für die Fortschreibung der Regelbedarfe beträgt demnach +1,63 %. ((0,7 * 1,3 %) + (0,3 * 2,40 %) = 0,91 % + 0,72 % = 1,63 %)
Der Bundesrat muss der Verordnung noch zustimmen. Die Befassung durch den Bundesrat wird voraussichtlich Anfang November erfolgen.

Quelle: Pressemitteilung des BMAS vom 06.09.2017

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LG Duisburg, Beschluss vom 05.07.2017, Az. 69 Qs 22/17

Die Anordnung der Erzwingungshaft war im vorliegenden Verfahren unzulässig, weil sie während der Dauer des Insolvenzverfahrens erfolgte. Dies ergibt sich aus §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO, wonach Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig sind. (...) Die Anordnung der Erzwingungshaft nach § 96 OWiG ist ferner eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO. Sie ist ein Beugemittel, mit dem die Zahlung der Geldbuße gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen erzwungen werden soll. Die Vorschrift gehört entsprechend zum neunten Abschnitt des OWiG "Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen". Die Gegenansicht, dass die Anordnung der Erzwingungshaft keine Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO sei, da sie nur ein Beugemittel sei, dass nicht der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf die Geldbuße diene, sondern der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf Mitwirkung des Betroffenen, überzeugt nicht. Ziel der Anordnung der Erzwingungshaft ist die Zahlung der Geldbuße. Abzulehnen ist auch die Ansicht, § 89 InsO erfasse nur Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der ZPO.

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Diakonie Deutschland: Neuer Hartz-IV-Regelsatz nicht realistisch

Das Bundeskabinett hat gestern die Anpassung der Regelsätze zum 1. Januar 2018 beschlossen. Dazu sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die Anpassung der Regelsätze an die Lohn- und Preisentwicklung schreibt bestehenden Mangel fort. Mit dem Regelbedarfsermittlungsgesetz von 2016 ist die Chance vertan worden, das Existenzminimum auf Grundlage realistischer Annahmen und sauberer Methoden zu errechnen. Das wird mit der neueren Anpassung nicht korrigiert. Die Diakonie hat schon im vergangenen Jahr ein statistisches Rechenmodell vorgestellt, mit dem sauber und transparent ein existenzsichernder Bedarf gerechnet werden kann. Der Abstand zur gesellschaftlichen Mitte muss fair festgelegt, nicht ausgetrickst werden. Dabei muss eins klar sein: Das unbedingt zum Leben Notwendige darf nicht zur Disposition gestellt werden.“ – Quelle und mehr