PRESSEMITTEILUNG VON FACING FINANCE, FAIR FINANCE INSTITUTE, FINANCE WATCH, IFF, MONNETA, MONETATIVE, SÜDWIND-INSTITUT

Parteiencheck zur Finanzmarktregulierung: Große Uneinigkeit über Reformbedarf zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise 
Ein Netzwerk von sieben Nichtregierungsorganisationen veröffentlicht die Antworten der Parteien auf seinen Fragenkatalog „Reformbedarf der Finanzmärkte 10 Jahre nach der Krise” im Vorfeld der Bundestagswahl

Hamburg, den 8. September 2017 – Das Finanzsystem soll der Wirtschaft und Gesellschaft dienen, nicht schaden. Nach der letzten Finanzkrise haben Politiker eine weitreichende Reformierung des Finanzwesens versprochen – und doch ist das Finanzsystem zehn Jahre später fast so fragil wie zuvor. Immer noch fließt zu viel Geld in spekulative Aktivitäten anstatt sinnvolle und nachhaltige Projekte in der Wirtschaft zu finanzieren, immer noch lässt sich der Staat von der Finanzwirtschaft erpressen und rettet Banken, Bausparkassen und Versicherungen auf Kosten der Steuerzahler und Verbraucher. Es müssen effektivere Reformen ergriffen werden, will man eine Neuauflage der Krise vermeiden und ein nachhaltiges Finanzsystem schaffen.

Doch wie bewerten die Parteien, die sich bei der Bundestagswahl am 24. September zur Wahl stellen, den Reformbedarf des Finanzsystems? Und welche Maßnahmen wollen sie ergreifen? Sieben Organisationen, die sich aus zivilgesellschaftlicher Perspektive seit vielen Jahren kritisch mit dem Finanzsystem und seinen Folgen beschäftigen, haben sechs Parteien gebeten zu ihren Fragenkatalog Stellung zu nehmen und von allen Antworten erhalten: CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.

Allgemein lassen sich folgende Tendenzen feststellen: 

  • CDU/CSU schätzt die von ihnen unterstützten Gesetze für weitestgehend ausreichend ein. Den Hauptreformbedarf sehen sie in einer erhöhten Proportionalität der Regulierung und fordern daher Ausnahmen für kleine Banken („Small Banking Box”). 
  • Die SPD scheint grundsätzlich mit den mitgetragenen Reformen zufrieden. Sie will allerdings den gefährlichen Hochfrequenzhandel eindämmen und wirbt offensiv für eine Finanztransaktionssteuer.
  • Die Linke spricht sich für eine radikale Veränderung der Finanzmarktarchitektur aus, zum Beispiel für eine Vergesellschaftung der privaten Banken, mit starker Betonung der Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Zusätzlich strebt die Partei die Einführung eines „Finanz-TÜV” an, d.h. es werden nur Finanzprodukte zugelassen, die nachweislich keine negativen Auswirkungen auf Gesellschaft oder Verbraucherrechte haben.
  • Bündnis 90/Die Grünen fordern deutlich einfachere, aber härtere Regeln für die Finanzindustrie, damit große Banken weniger Schlupflöcher nutzen können und kleine Banken mit den bürokratischen Anforderungen zurechtkommen. Ein Beispiel ist eine deutlich höhere Eigenkapitalquote, die nicht durch interne Risikomodelle kleingerechnet werden kann, sowie die Offenlegung von Klimarisiken.
  • Die FDP setzt tendenziell eher auf die disziplinierende Kraft des Marktes und will daher Aktionäre und Gläubiger konsequenter in die Haftung nehmen, wenn Banken in Schieflage geraten. 
  • Die AfD äußert sich systemkritisch, bleibt aber in ihrer Analyse sehr pauschal und bietet kaum Lösungsvorschläge.


Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance, kritisiert:

„Solange die Bundesregierung den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte als Querschnittsaufgabe ihrer Politik bezeichnet, darf sie den Finanzsektor nicht ausklammern. Insbesondere die Abschaffung der vorvertraglichen Informationspflicht über die Beachtung ökologischer und sozialer Standards bei der staatlich geförderten Altersvorsorge erhöht aber die Intransparenz – vielmehr sollte die staatliche Förderung von Altersvorsorgeprodukten endlich verbindlich an soziale und ökologische Mindeststandards gekoppelt werden.“ 

Markus Duscha, Gründer des Fair Finance Institutes in Heidelberg, hebt hervor:

„Es gibt weiterhin einen viel zu hohen spekulativen Anteil von Transaktionen im Finanzwesen. Dieses ´Lotteriespiel´ auf Kosten wirtschaftlich und gesellschaftlich sinnvoller Aktivitäten muss eingedämmt werden. Die weiterhin ausstehende Einschränkung des Hochfrequenzhandels, die seit langer Zeit geplante Finanztransaktionssteuer und ggfs. eine Zulassungspflicht neuer Finanzprodukte sind hier von besonderer Bedeutung.”

Rainer Lenz, Vorstand der in Brüssel ansässigen NGO Finance Watch, appelliert an die Parteien: 

„Trotz einiger Fortschritte bietet auch die heutige Finanzmarktregulierung keinen ausreichenden Schutz für die deutschen Steuerzahler, deutsche Banken sind mit 5,3 Prozent Eigenkapitalquote im Durchschnitt nach wie vor unterkapitalisiert.  Viele Gesetze, wie das deutsche Trennbankengesetz etwa, greifen viel zu kurz und ändern in der Praxis kaum etwas. 

Deutschland hat zur Wiederherstellung der Stabilität des Finanzsektors 392 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln  aufgewendet. Dazu darf es nie wieder kommen. Deshalb können und dürfen wir uns auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen und dazu brauchen wir vor allem politischen Willen, die Reformen des Finanzsektors weiter voranzutreiben, z.B. eine höhere Eigenkapitalquote und ein effektives Trennbankensystem.” 

Dirk Ulbricht, Direktor des institut für finanzdienstleistungen (iff), ergänzt: 

„Die Komplexität der Regulierung erzeugt regelmäßig Schlupflöcher, so¬dass Regulierung oft ins Leere läuft. Das Ergebnis ist eine Scheinsicherheit, verbunden mit hohem bürokratischem Aufwand. Die Rettung der venezianischen Banken hat gezeigt, dass die Gesellschaft nach wie vor für die Risiken der Banken haften muss. Daher darf es zu keinem Nachlassen der Regulierungsbemühungen kommen. 

Vielmehr brauchen wir zum Beispiel deutliche härtere Vorgaben in der Fusionskontrolle für Finanzinstitute und konsequente und ausnahmslose Anwendung der Bankenregulierung für alle Finanzinstitute, die bankähnliche Geschäfte betreiben (sogenannte „Schattenbanken”), also z.B. auch für Versicherungen und Geldmarktfonds.”

Lino Zeddies, 2. Vorsitzender der gemeinnützigen Geldreformbewegung Monetative, fügt hinzu:

„Über 90% des Geldes wird nach wie vor nicht von der staatlichen Zentralbank geschaffen, sondern von gewinnorientierten privaten Geschäftsbanken durch Kreditvergabe. Solange an diesem Systemfehler nichts geändert wird, hängt die Gesellschaft am Kredittropf der Banken und sitzt das Finanzsystem am längeren Hebel. Die Folge sind Überschuldung, exzessive Spekulation, Finanzkrisen, Bankenrettungen, Wachstumszwang und damit der voranschrei-tende Zusammenbruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts und demokratischer Werte.

Eine überfällige Reformmaßnahme ist daher die Vollgeldreform, deren Kern es ist, die gesamte Geldschöpfung allein an eine öffentliche Gewalt zu überführen und damit das Geld- und Finanzsystem in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.“

Kathrin Latsch, Geschäftsführerin MONNETA, meint:

„Das Finanzsystem ist weder nachhaltig noch alternativlos. Um es zu reformieren sollten unsere politischen Vertreter sowohl grundsätzliche Fragen beantworten als auch entsprechende Reformmaßnahmen anstreben.”

Doch nicht nur die Stabilität des Finanzwesens und der Schutz vor weiteren Krisen sollte erhöht werden, auch braucht es deutlich mehr Verbraucherschutz im Finanzwesen sowie Mechanismen, um Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, die der Gesamtgesellschaft nützen, der Natur nicht schaden und nicht neue Spekulationsblasen fördern. So sollte die Regulierung beispielsweise auch Mindeststandards für Nachhaltigkeit im Sinne der „sustainable development goals“ (SDG) der Vereinten Nationen, gewährleisten. 

Martina Schaub, Geschäftsführerin SÜDWIND-Institut, betont: 

„Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob damit unethische oder ökologisch nicht nachhaltige Investitionen getätigt werden. Das ist mit der heutigen Gesetzgebung nicht ausreichend möglich.”


ENDE


Für weitere Informationen oder Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an:

 

 

Höhere Regelbedarfe in der Grundsicherung und Sozialhilfe

Die "Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018" (RBSFV 2018) hat am Mittwoch das Kabinett passiert. Mit der Verordnung werden die Regelbedarfsstufen im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1. Januar 2018 angepasst. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben erfolgt diese Fortschreibung in Jahren, in denen die Regelsätze nicht auf Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe neu festgesetzt werden, auf Basis eines Mischindexes aus regelbedarfsrelevanten Preisen (70 %) und der Nettolohn- und -gehaltsentwicklung je Arbeitnehmer (30 %). Berechnet wird diese Entwicklung auf Basis der Indexwerte für den Zeitraum Juli 2016 bis Juni 2017 im Vergleich zu den Indexwerten für den Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2016. Die Entwicklung der regelbedarfsrelevanten Preise beträgt +1,3 %. Die entsprechende Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer beläuft sich auf +2,40 %. Die Veränderungsrate für die Fortschreibung der Regelbedarfe beträgt demnach +1,63 %. ((0,7 * 1,3 %) + (0,3 * 2,40 %) = 0,91 % + 0,72 % = 1,63 %)
Der Bundesrat muss der Verordnung noch zustimmen. Die Befassung durch den Bundesrat wird voraussichtlich Anfang November erfolgen.

Quelle: Pressemitteilung des BMAS vom 06.09.2017

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LG Duisburg, Beschluss vom 05.07.2017, Az. 69 Qs 22/17

Die Anordnung der Erzwingungshaft war im vorliegenden Verfahren unzulässig, weil sie während der Dauer des Insolvenzverfahrens erfolgte. Dies ergibt sich aus §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO, wonach Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig sind. (...) Die Anordnung der Erzwingungshaft nach § 96 OWiG ist ferner eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO. Sie ist ein Beugemittel, mit dem die Zahlung der Geldbuße gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen erzwungen werden soll. Die Vorschrift gehört entsprechend zum neunten Abschnitt des OWiG "Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen". Die Gegenansicht, dass die Anordnung der Erzwingungshaft keine Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO sei, da sie nur ein Beugemittel sei, dass nicht der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf die Geldbuße diene, sondern der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf Mitwirkung des Betroffenen, überzeugt nicht. Ziel der Anordnung der Erzwingungshaft ist die Zahlung der Geldbuße. Abzulehnen ist auch die Ansicht, § 89 InsO erfasse nur Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der ZPO.

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Diakonie Deutschland: Neuer Hartz-IV-Regelsatz nicht realistisch

Das Bundeskabinett hat gestern die Anpassung der Regelsätze zum 1. Januar 2018 beschlossen. Dazu sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland:

„Die Anpassung der Regelsätze an die Lohn- und Preisentwicklung schreibt bestehenden Mangel fort. Mit dem Regelbedarfsermittlungsgesetz von 2016 ist die Chance vertan worden, das Existenzminimum auf Grundlage realistischer Annahmen und sauberer Methoden zu errechnen. Das wird mit der neueren Anpassung nicht korrigiert. Die Diakonie hat schon im vergangenen Jahr ein statistisches Rechenmodell vorgestellt, mit dem sauber und transparent ein existenzsichernder Bedarf gerechnet werden kann. Der Abstand zur gesellschaftlichen Mitte muss fair festgelegt, nicht ausgetrickst werden. Dabei muss eins klar sein: Das unbedingt zum Leben Notwendige darf nicht zur Disposition gestellt werden.“ – Quelle und mehr

Altersarmut bekämpfen: Paritätischer fordert Reform der Alterssicherung

„Einen grundlegenden Kurswechsel in der Alterssicherungspolitik fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband von der nächsten Bundesregierung. In einem 11-Punkte-Programm legt der Verband ein umfassendes Reformkonzept zur Sicherung der Renten und der Verhinderung von Altersarmut vor. Die mit großer Dynamik wachsende Altersarmut sei auch eine Konsequenz der Rentenpolitik seit der Jahrtausendwende. In seiner Analyse zeigt der Verband auf, dass die Wahrscheinlichkeit, im Alter bedürftig zu sein, mit jedem Rentenjahrgang steigt.

Der Verband weist daraufhin, dass die Armut seit 2005 bei keiner anderen Gruppe so stark zugenommen habe wie bei Rentnern und Pensionären. Mit 15,9 Prozent seien sie mittlerweile überdurchschnittlich von Armut betroffen. „Altersarmut ist kein Schatten am fernen Horizont, sondern bereits heute Realität. (mehr …)

Faktenblatt zur Altersvorsorge

Damit das Geld im Ruhestand nicht knapp wird, sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher auf eine private Altersvorsorge angewiesen. Aber: Hohe Gebühren der privaten Anbieter schmälern das tatsächlich verwaltete Kapital und damit die spätere Rente. Es fehlt ein nichtkommerzielles, kostengünstiges Basisprodukt.

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