Hier der Hinweis auf das lesenswerte Editorial von Frank Lackmann in der aktuellen Ausgabe der ZVI, welches frei zugänglich ist: www.zvi-online.de/heft-10-2023/zvi-2023-385-nach-der-reform-ist-vor-der-reform/
Insolvenzverfahren
BGH zur Prüfpflicht des Insolvenzverwalters bezüglich Schuldnerkonten
Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 27.07.2023 – IX ZR 138/21 – Leitsätze:
- Der Insolvenzverwalter hat die ihm bekannten Konten der Hausbank des Schuldners innerhalb eines angemessenen Zeitraums darauf zu überprüfen, ob ihm die Kontounterlagen vollständig vorliegen und die Kontounterlagen Anhaltspunkte für anfechtungsrelevante Vorgänge enthalten.
- Grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzanfechtungsanspruchs setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter seine Ermittlungspflichten in besonders schwerer, auch subjektiv vorwerfbarer Weise vernachlässigt hat.
- Hinsichtlich eines in den Drei-Monats-Zeitraums der Deckungsanfechtung fallenden Anfechtungstatbestandes liegt regelmäßig grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Insolvenzverwalter die Überprüfung der ihm bekannten von der Hausbank des Schuldners geführten Konten für mehr als drei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterlässt und sich ihm aufgrund der aus den Kontounterlagen erkennbaren Zahlungsvorgänge und der ihm bekannten sonstigen Tatsachen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.
LG Kassel zur Kündigungsabfindung im Insolvenzverfahren
Hier der Hinweis auf die Entscheidung des LG Kassel, 12.06.2023 – 3 T 276/22. Daraus:
“Zu der Vorschrift des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass die einmalige Abfindung anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis von der Abtretung der „Bezüge aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis“ erfasst wird, weil ansonsten die während der Wohlverhaltensphase vorgesehene Bedienung der Gläubiger aus den pfändbaren Arbeitseinkünften des Schuldners leicht zu umgehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09). Die Vorschriften der §§ 850 ff ZPO finden daher Anwendung; konkret unterfällt die verfahrensgegenständliche Kündigungsabfindung dem Anwendungsbereich des § 850 i Abs. 1 ZPO.
Nach § 850 i Abs. 1 ZPO ist dem Schuldner während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als im verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Zweck des § 850 i ZPO ist die Gleichbehandlung aller Einkunftsarten des Schuldners. Zu belassen ist ihm daher so viel, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts bei einem Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn verbleiben würde, was sich nach den §§ 850 ff. ZPO, d. h. unter anderem bei der Vollstreckung von gewöhnlichen Geldforderungen nach § 850 c ZPO bestimmt (LG Wuppertal, Beschluss vom 15.01.2019 – 16 T 235/17; LG Bochum, Beschluss vom 18.08.2010 – I-7 T 433/0 9,7 T 433/09).
Es kommt vorliegend, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht darauf an, wofür die Abfindungszahlung geleistet worden ist; es ist also nicht entscheidend, ob die Abfindungszahlung die lange Betriebszugehörigkeit des Beschwerdeführers widerspiegeln soll. Davon abgesehen gehört eine Kündigungsabfindung – wie die vorliegende – zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, weil sie gerade wegen seiner Beendigung vom Arbeitgeber gezahlt wird; sie dient – wie sonstige Geldleistungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis – der Sicherung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers und seiner Familie (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.1991 – 4 AZR 39/91) und soll regelmäßig ein Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und des verlorenen sozialen Besitzstandes sein (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2010 – IX ZR 139/09).
BGH zur Haftung des Treuhänders
Hier der Hinweis auf BGH, 16.03.2023 – IX ZR 150/22 mit den Leitsätzen:
- Wird dem Schuldner rechtskräftig vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt, steht das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung erwirbt, ihm auch dann zu, wenn das Insolvenzverfahren vor Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben worden ist; diesen Neuerwerb hat der Treuhänder bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Schuldners weiter einzuziehen, für die Masse zu sichern und nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben (Fortführung von BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 ff).
- Kehrt der Treuhänder den von ihm nach Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen für die vorzeitige Restschuldbefreiung eingezogenen Neuerwerb an die Gläubiger aus statt ihn nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung an den Schuldner herauszugeben, so hat er insoweit persönlich dem Schuldner Schadensersatz zu leisten.
Dabei geht es zum einen um
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung schlägt Fonds zur Vermeidung von Privatinsolvenzverfahren vor
Umdenken bei Privatinsolvenzen als win:win für Gläubiger, Staat und Schuldner
In Deutschland könnten mit mehr außergerichtlichen Einigungen viele Insolvenzverfahren vermieden werden. Dies würde einerseits die Justiz erheblich entlasten und andererseits psychische, physische und finanzielle Auswirkungen der Überschuldung abmildern. „Während aus wirtschaftlicher Sicht viele Gläubiger ohnehin zum größten Teil auf ihre Forderungen verzichten, können die Kosten des Verfahrens für die Justiz bestehen bleiben. Eine außergerichtliche Einigung kann hier helfen“, betonte die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB) zum Auftakt ihrer Jahrestagung in Freiburg. Die Tagung mit 520 Teilnehmenden ist die größte Veranstaltung, die es zur Sozialen Schuldnerberatung in Deutschland bisher gab.
Bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung entstehen hohe Kosten für das Bundesland – etwa 2.500 Euro pro Verfahren. Die BAG-SB plädierte nun für die Einrichtung eines Fonds, mit dem außergerichtliche Einigungen sowohl für die Gläubiger wie auch für den Staatshaushalt deutlich attraktiver werden.
Konkret schlägt der Verband vor,
Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück
Das kommt wahrlich nicht oft in der Sozialen Schuldnerberatung vor. Aber dem BGH war es eine Pressemitteilung wert:
Der unter anderem für Rechtsbeschwerden in Grundbuchsachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungsberechtigen Grundstückseigentümers von dem Insolvenzverwalter gelöscht werden kann. – BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21
Quelle: PM des BGH
Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts
Es gibt einen “Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM(2022) 702 final)” (= BR-Drs. 25/13). Artikel 1 sieht vor:
Diese Richtlinie enthält gemeinsame Vorschriften über
- Anfechtungsklagen;
- die Aufspürung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerten;
- Pre-pack-Verfahren;
- die Pflicht der Unternehmensleitung, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen;
- vereinfachte Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen;
Verfahrenskostenstundung in der Verbraucherinsolvenz
Im infodienst-schuldnerberatung.de wird die Verfahrenskostenstundung in der Verbraucherinsolvenz dargestellt.
OLG Zweibrücken zu Ansprüchen von Straftatverletzten und Insolvenz des Täters
Hier der Hinweis auf OLG Zweibrücken, 02.11.2022 – 1 Ws 77/22. Leitsätze:
1. Wird vor Abschluss des Entschädigungsverfahrens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einziehungsadressaten beschlossen, können die Antragsteller, die die Auskehrung des Verwertungserlöses begehren, gemäß § 459h Abs. 2 Satz 2, § 111i StPO Entschädigung ausschließlich im Insolvenzverfahren erlangen.
2. Die Frage, ob den Antragstellern wegen eines gegen den Einziehungsadressaten erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Absonderungsrecht gemäß § 50 InsO zusteht, ist eine originär insolvenzrechtliche und daher nicht von den Strafgerichten zu klären.
UVG-Handlungsleitfaden für die Bearbeiter*innen in den Unterhaltsvorschuss-Stellen zum Verbraucherinsolvenzverfahren
Hier der Hinweis auf die Anfrage unter fragdenstaat.de/anfrage/handlungsleitfadens-zum-verbraucherinsolvenzverfahren/. Verlangt wurde die Herausgabe folgender amtlicher Informationen: “Aktuelle Fassung des Handlungsleitfadens zum Verbraucherinsolvenzverfahren auf den unter dem Punkt 7.10.6. Insolvenz des barunterhaltspflichtigen Elternteils der Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG-RL) in der ab 1. Januar 2023 geltenden Fassung verwiesen wird.”
Dem Antrag wurde stattgegeben. Das Ministerium schreibt dazu: “Er [der Leitfaden] wurde zuletzt 2021 aktualisiert. Es handelt sich dabei um einen Handlungsleitfaden für die Bearbeitung von Fällen im Insolvenzverfahren im Bund-Länder-Kreis. Die Handlungsempfehlungen wurden mit Unterstützung des Bundesamtes für Justiz erstellt. Es sind ausschließlich Handlungsempfehlungen für die Bearbeiter*innen in den Unterhaltsvorschuss-Stellen.”
Direkt zum Leitfaden.
Dank an die fragestellende Person und auch an Harald Thomé, der in seinem aktuellen Newsletter darauf hingewiesen und zuvor auch die in der Anfrage genannten Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes veröffentlicht hat.