LG Gera, Beschluss vom 02.06.2020, Az. 5 T 176/20

Das LG Gera hat im vorliegenden Fall entschieden, dass die Stundung der Verfahrenskosten im Einzelfall auch dann zu gewähren ist, wenn 49% auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen.

Aus den Gründen:

(...) Das erkennende Gericht vertritt die Auffassung, dass es für die Frage, ob mit der Restschuldbefreiung das Ziel eines wirtschaftlichen Neustarts ermöglicht wird, nicht vordergründig darauf ankommt, welchen prozentualen Anteil die von der Restschuldbefreiung ausgenommen Foderungen an der Gesamtheit der FOrderungen haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob zu erwrten ist, dass der Schuldner die von der Restschuldbefreiung nicht umfassten Forderungen noch zu Lebzeiten so abbezahlen kann, dass ihm dennoch ein wirtschaftlicher Spielraum verbleibt. (...)

-- Delivered by Feed43 service

LG Gera: Stundung der Verfahrenskosten auch bei Deliktsforderungen in Höhe von 45.000 Euro möglich

Das Landgericht Gera hat mit Beschluss vom 2.6.2020, 5 T 176/20, hier als Scan, eine wichtige Entscheidung gefällt, die eine Pflichtlektüre sein dürfte:

  1. Eine Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO setzt voraus, dass die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs gegeben ist. Daher ist die Stundung zu versagen, wenn für einen wesentlichen Teil der Gläubigerforderungen Restschuldbefreiung nicht erlangt werden kann.
  2. Für die Frage, ob mit der Restschuldbefreiung das Ziel eines wirtschaftlichen Neustarts ermöglicht wird, kommt es nicht darauf an, welchen prozentualen Anteil die von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen an der Gesamtheit der Forderungen haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob zu erwarten ist, dass der Schuldner die von der Restschuldbefreiung nicht umfassten Forderungen noch zu Lebzeiten so abbezahlen kann, dass ihm dennoch ein wirtschaftlicher Spielraum verbleibt.
  3. Einem 31jährigen gelernten Tischler kann daher nicht die Stundung verwehrt werden, wenn insgesamt 45.000 Euro von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind und dieser Betrag durch monatliche Raten in Höhe von 150 Euro und einer Laufzeit von 25 Jahren getilgt werden soll. (mehr …)

Gesetzentwurf zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht greift wichtige Aspekte auf, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück

Anlässlich der heutigen Anhörung im Bundesrat zum Gesetzesentwurf zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht verweist das iff auf verbleibende offene Punkte. Der Gesetzentwurf basiert auf der vom institut für finanzdienstleistungen (iff) im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vorgenommenen Evaluierung der inkassorechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken.  

Der Beitrag Gesetzentwurf zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht greift wichtige Aspekte auf, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück erschien zuerst auf iff - institut für finanzdienstleistungen e.V..

Bundesverfassungsgericht: Es eilt nicht erst bei einer Räumungsklage

Helge Hildebrandt weist prägnant auf BVerfG, Beschluss vom 01.08.2017, 1 BvR 1910/12 hin: “(…) Wenn Jobcenter Leistungen für die Unterkunft gar nicht oder nicht in der tatsächlichen Höhe gewährten, haben viele Sozial- und Landessozialgerichte in der Vergangenheit die für einen erfolgreichen Eilantrag notwendige Eilbedürftigkeit pauschal davon abhängig gemacht, ob der Vermieter bereits eine Räumungsklage erhoben hatte. (…) Diese Rechtsprechung, die in erheblichem Umfange zu Räumungsklagen und folgender Obdachlosigkeit von Leistungsberechtigten geführt hat, hat das BVerfG bereits im Jahr 2017 für mit dem in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz unvereinbar erklärt.” Mehr Infos unter https://sozialberatung-kiel.de/2020/06/01/es-eilt-nicht-erst-bei-einer-raeumungsklage/

Wir hatten schon bei Veröffentlichung des Beschlusses des BVerfG auf diesen hingewiesen (siehe Meldung vom 23.8.17), aber längst nicht so prägnant wie der Kollege Hildebrandt. Da zudem die Entscheidung so bedeutsam ist, gerne also erneut eine Meldung dazu.