AG Berlin-Neukölln zu Inkassokosten

Frank Wiedenhaupt von der Berliner Stadtmission, Schuldner- und Insolvenzberatung für Kleinstselbstständige berichtet: “Wer kennt das nicht: man sitzt an einer Forderungsaufstellung von EOS Investment GmbH, vertreten durch den EOS Deutscher Inkasso-Dienst und fragt sich welche Inkassokosten zulässig sind, ob die Forderung vielleicht schon verjährt und wie das mit Mahngebühren und überhaupt ist.

Das Amtsgericht Neukölln hat sich nun die Mühe gemacht, quasi ein Art Tutorial für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Forderung(en) zu entwickeln.

Hier findet Ihr seine Verfügung an die Gläubiger-Anwaltskanzlei, die aufgrund des Widerspruchs meines selbstständigen Klienten gegen den Vollstreckungsbescheid Klage vor dem AG Neukölln erhoben hat.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft, die EOS Investment GmbH vertritt/vertreten hat, hat die Klage zurückgenommen. Mein Klient freut sich. Ich hätte gerne ein Urteil gehabt.”

Dokumentation des Vorgangs als PDF-Datei (Vollstreckungsbescheid / gerichtliche Verfügung als Scan, sowie Verfügung als Text)

Vielen Dank an Herrn Wiedenhaupt fürs Teilen! Gerne andere Fälle u.ä. an uns senden. Bei dieser Gelegenheit auch noch einmal der Hinweis auf die Musterfeststellungsklage der vzbv in Sachen EOS.

Ratenzahlung nach Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 40 Absatz 10)

Hier der Hinweis auf den neuen § 40 Absatz 10 SGB II:

Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

Dazu die neue fachliche Weisung der Bundesagentur:

Durch die Ergänzung des § 40 um den Absatz 10 ist eine Beantragung einer Ratenzahlung (Stundung) und eine entsprechende Entscheidung über den gestellten Stundungsantrag bei Überzahlungen aufgrund der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit (mit dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug) nicht mehr erforderlich. (…) Die Prüfung der Stundungsvoraussetzungen gemäß § 59 BHO entfällt. Die neu im Gesetz vorgesehene Ratenzahlung ist für jeden Einzelfall im Zusammenhang mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mitzuteilen.

Übersicht Entlastungspakete Bund

Die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein hat die Entlastungspakete des Bundes in einer aktualisierten Übersicht aufbereitet und stellt sie auf ihrer Webseite zur Verfügung.

Neben der Darstellung der zahlreichen Steuerentlastungen und Energieentlastungen sind die Leistungen zielgruppenorientiert nach Familien, Auszubildenden/Studierenden, Selbständigen, Rentner*innen, ALG I-Beziehenden, Sozialleistungsbeziehenden, Wohngeldbeziehenden und Arbeitnehmer*innen zusammengestellt.

Der Bearbeitungsstand ist der 23.12.2022, eine regelmäßige Aktualisierung soll erfolgen.

In 2021 wurden 1.905.814.726,28 € an ALG II-Leistungen zurückgefordert und 0,02% außergerichtliche Einigungen erzielt

Viele interessante Zahlen gibt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der LINKE „Schulden beim Jobcenter“ (Drucksache 20/4987; siehe auch heutige Bundestagsmeldung).

Seit 2019 hat es jährlich rund 1,2 Millionen Rückforderungsbescheide von ALG-II-Leistungen gegeben. Die Rückforderungsbeträge lagen durchschnittlich zwischen 482 und 524 Euro, und die Gesamtsumme aller Rückforderungen belief sich auf rund zwei Milliarden Euro jährlich (seit 2019). Die Bundesregierung verweist bei diesen Zahlen darauf, dass ein Rückforderungsbescheid mehrere Rückforderungen enthalten könne.

In rund 340.000 Fällen wurde 2021 Beziehern von Grundsicherung ein Darlehen gewährt, das im Durchschnitt bei rund 570 Euro gelegen hat. Etwas mehr als die Hälfte der Darlehen wurde aufgrund einer Mietkaution beantragt.

Aus der Antwort zu Frage 20: Die Anzahl der Stundungen, Teilzahlungen in Raten, außergerichtlichen Einigungen und Insolvenzverfahren sowie der jeweilige Anteil an den Gesamtforderungen kann der folgenden Aufstellung entnommen werden.

Bemerkenswert ist hier vor allem die Zeile mit dem Anteil der außergerichtlichen Einigung, die sich zwischen 0,01-0,02% bewegt. Siehe in diesem Zusammenhang Süddeutsche Zeitung: “Wie die Jobcenter Arbeitslose in die Insolvenz drängen”

LG Hildesheim zur EStG-Energiepreispauschale nach neuem Recht

Hier der Hinweis auf LG Hildesheim, Beschluss vom 30.12.2022, 6 T 63/22; hier als PDF. Orientierungssätze von Matthias Butenob:

  1. Ist streitig, ob ein bestimmter Gegenstand gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 InsO der Zwangsvollstreckung unterliegt, entscheidet hierüber auf Antrag das Insolvenzgericht.
  2. Dies gilt aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 S. 2 auf § 850ff. ZPO auch für den Antrag des Schuldners, ihm einen Teil seines nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d, 850i ZPO pfändbaren Einkommens zu belassen (BGH NZI 2003, 389).
  3. Der Anspruch auf die EStG-Energiepreispauschale ist – nach „Nachbesserung” durch den Gesetzgeber – nunmehr ausdrücklich unpfändbar (§ 122 Satz 2 EStG), so dass er nicht Gegenstand der Insolvenzmasse ist und sich der Freibetrag auf dem Pfändungsschutzkonto dementsprechend in Höhe der – steuerbereinigten – Energiepreispauschale erhöht.
  4. Der gesetzliche Freibetrag von 1.340,00 € war damit für den Monat September 2022 um die an den Schuldner ausgezahlte (steuerbereinigte) Energiepreispauschale auf 1.572,42 € zu erhöhen.

Nicht problematisiert wurde, dass der Antrag des Schuldners schon vom 1.9.2022 und die aufgehobene erstinstanzliche Entscheidung vom 4.11.2022 datierte.

Offenbar ging das Landgericht – unausgesprochen – von folgendem aus (zitiert nach BGH 10.08.2022 – VII ZB 5/22; Fett hier):